Die Spitex leidet (und die Apotheke leidet mit)

Die Spitex (das ist die Haushilfe) tut mir ja leid. Trotzdem … schiebt das Problem bitte nicht an die Apotheke weiter!

Darum geht es (zusammengefasst von der Spitex Aargau):

• Mittel und Gegenstände: z.B. Verbandmaterial, Inkontinenzhilfen, Gehhilfen.

• Seit 2011 konnten Pflegeheime und Spitexbetriebe die Mittel und Gegenstände den Krankenversicherern zusätzlich zu den Pflegebeiträgen in Rechnung stellen.

• Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2017 stellte fest, dass die Kosten für Mittel und Gegenstände Bestandteil der Pflegeleistung sind und somit mit den Pflegebeiträgen der Krankenversicherer bereits abgegolten sind.

• Die Folge davon sind Ertragsausfälle ab 2018 in der Höhe von jährlich über 4 Millionen Franken für die Pflegeheime sowie in unbekannter Höhe für die Spitexbetriebe.

Wir schreiben 2019 – und die Haushilfe leidet. Viele Spitex haben sich entschlossen das Material für Wundversorgung und bei Inkontinenz selber zu besorgen und zentral zu lagern um günstiger einkaufen zu können. Das bedeutet einen Mehraufwand, nicht nur zur Bestellung, sondern auch das vom Lager zum Patienten zu bringen. Mindereinnahmen und Mehraufwand … es zeigt sich jetzt, dass das für die Spitex bald nicht mehr stemmbar ist.

Deshalb versuchen jetzt offenbar manche das an die Apotheken zurückzugeben. So hatten wir heute eine Anfrage – nein, eigentlich war es eher eine Forderung:

Inkontinenzeinlagen für eine Patientin. Das Rezept würde uns später geliefert werden.

Okay – Nur weiss ich bei der Patientin, dass sie die Inkontinenzeinlagen ganz sicher nicht mehr selber anwenden kann. In der MiGeL 2019 steht inzwischen auch sehr konkret:

Mittel und Gegenstände, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung durch einen Leistungserbringer nach Artikel 35 KVG (Arzt/Ärztin, Spital, Pflegefachperson oder andere medizinisch-therapeutische Fachpersonen wie Physiotherapeut/Physiotherapeutin) oder im Rahmen der Pflege in Pflegeheimen oder durch die Spitex angewandt werden, dürfen nicht über die MiGeL abgerechnet werden.

Nach einem langen Telefon mit der Verantwortlichen Person bei der Spitex (die ich wirklich bedauere) hat man mir direkt gesagt:

  • dass sie mir keine schriftliche Bestätigung ausstellen können, dass die Produkte vom Patient angewendet werden können (weil das eben nicht so ist),
  • dass sie aus personellen und finanziellen Gründen jetzt systematisch die Patienten wieder auf Bezug in der Apotheke umstellen (müssen),
  • und dass es von jetzt an wieder unser Problem sein soll, das zu besorgen, zum Patienten zu schaffen und der Krankenkasse abzurechnen.

Ich habe das dann abgelehnt. Die Patientin tut mir noch mehr leid als die Spitex, aber – ich kann genauso wenig gratis arbeiten, wie sie, brauche für das Material Geld, Platz und zum abgeben Personal – und einfach zu hoffen, dass das der Krankenkasse nicht auffällt, mache ich nicht. Am Ende trage ich hier als Apotheke das ganze Risiko. Wenn ich das beliefern soll und die Situation ist wie beschrieben, dann muss ich das der Spitex direkt in Rechnung stellen können. Das wollten sie dann auch nicht.

Ich bin sicher, das werden noch andere in der nächsten Zeit versuchen – das als kleine Warnung an andere Apotheken.

Und für die Patienten und anderen in der Schweiz wohnenden Leute: DAS ist einer der übereilt durchgedrückten Sparmassnahmen und deren Auswirkungen. Ich habe keine Ahnung, wo das noch hinführt – aber um so etwas in Zukunft möglichst zu vermeiden … unterschreibt bitte die Petition hier! Noch bis Ende Mai möglich.

3 Kommentare zu „Die Spitex leidet (und die Apotheke leidet mit)

  1. Das führt zum Schluss zu der Moral einer wie einer Krankenkasse in D, die Ihren Versicherten die „All-You-can-shit“-Inkontinenzmaterial-Flaträte für 12,91€ pro Monat via Apotheke anbietet. Diese Krankenkasse rühmt sich auch noch ihrer Inko-Versorgungs-Qualität!

    Für 13€ pro Monat (incl. 19%MwSt.) kann man nicht mal ein Baby ausreichend mit Windeln versorgen – nicht mal mit Stoffwindeln, wenn man alle Kosten (auch die Arbeitszeit!) fürs Waschen berücksichtigen würde. Aber einen erwachsenen Menschen, der dann auch noch „so viel er will“ abrufen können dürfen soll – sicher. Tut mir sehr leid, aber da bin ich ausgestiegen.

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    1. Lass mich raten. Die Nummer mit der günstigen Versorgung war von der „DAK“ (Deutsche Angestellten Krankenkasse). Weil: Die Nummer mit dem Nichtbezahlen von Versorgungsleistungen ist immer die „DAK“ – zumindest aus Apothekersicht.

      Wann werden die Leute begreifen, dass sie sich eben nicht bei der DAK, der AOK, der Siemens BKK, der Barmer oder sonstwas versichern sollen?

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      Ich selbst empfehle als Apotheker die „Techniker Krankenkasse“. Ist auch blöd im Alter zwecks Versicherungsleistungen, aber nicht ganz so blöd wie die anderen Kassen.
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      Leute, lest mal Berichte der Zeitschrift „Stiftung Warentest“. Lest, wer da immer Testsieger ist und versichert Euch danach.

      PS: Wenn es im Alter hart auf hart kommt, ist die TK natürlich genauso zahlungsunwillig wie die anderen Krankenkassen.

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      1. Ohne Deine Angabe bestätigen zu können, ist es die EBL, wenn man es wie bei HAL9000 in „2001 – Odyssee im Weltraum“ macht. ;-)

        Ich kann keine Kasse mehr empfehlen.

        Auch eine lokale IKK, welche viele Jahre noch halbwegs faire Preise zahlte (auchn wenn die 1000€-Katheter zum EK + MwSt. abgerchnet wurden) und so eine sachgerechte Belieferung ermöglichte hat vor 1 1/2 Jahren den Vertrag einseitig gekündigt (weil ihre Versicherten angeblich ja doch nicht besser versorgt würden als die der anderen Kassen) und den Nachfolgevertrag zum (Einzel-)Beitritt für Apotheken so ausgestaltet, dass ich
        1) mit dem (eingekürzten) Geld nicht mehr hinkommen würde
        2) die neu erfundenen bürokratischen Vorschriften kaum mehr umsetzbar sind
        3) ich Rechenschaftspflichtig gegenüber einem dritten Dienstleister werde, das gemäß DSGVO noch separate Verträge und Einwilligungen mit dem Versicherten bedingen würde.

        Schon Punkte 1 und 2 – für weniger Geld die selbe Leistung in der selben Qualität mit MEHR und ZUSÄTZLICHER Arbeit umzusetzen, macht das ganze zu einem Zuschussgeschäft. Die Datenschutzkiste ist noch mal zusätzlich eine Unmöglichkeit! Genau das sage ich den Versicherten aber auch (und habe es denen gesagt, die ich dann plötzlich trotz vorliegender Genehmigzung nicht mehr weiter beliefern dürfte): Ihre Versicherung hat mit einen wirtschaftlich und moralisch für mich nicht tragbaren Knebelvertrag zur Unterschrift vorgelegt, das konnte ich – auch in Ihrem Sinne – nicht tragen. Deswegen bin ich nicht mehr in der Lage, diese Leistung zu erbringen. Die meisten Versicherten konnten das verstehen.

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