Patientenschutz gegen Patientenwillen

Auf dem Rezept, das mir die Pharmaasistentin zeigt: 1 OP Verrumal

Interessanterweise verschrieben von einem HNO-Arzt. Verrumal ist ein Warzenmittel mit Fluorouracil (ein Zytostatikum) und Salicylsäure in einer Lösung zum aufpinseln, die eine Lackschicht hinterlässt.

Ungewöhnlich genug, aber nicht beunruhigend. Nur dass sie 2 Packungen in der Hand hat und sagt: «Der Mann will gleich mehrere Packungen davon. Er muss das Rezept sowieso bezahlen, da er sonst im Ausland wohnt. Kann ich ihm das geben?»

Umm – Nein. Das Medikament ist Liste A, also verschärft rezeptpflichtig. Das ist sogar so, dass das von der Wiederholungsmöglichkeit ausgenommen ist, die wir bei den anderen Listen haben. Auch dort sind Wiederholungen auf begründete Fälle reduziert, 1 x innerhalb eines Jahres nach Ausstellung auf dieselbe Packungsgrösse. Aber in dem Fall: kein Dauerrezept, nur 1 OP verschrieben, Liste A Medikament … Nein.

Kleiner Einschub: Das Mittel ist als Zytostatikum in der Liste A. Selbst lokal angewandt könnte genug davon in den Körper aufgenommen werden, dass Zellhemmende Effekte nicht nur auf den Warzenvirus und die Warze selber stattfinden. In der Fachinfo (Kompendium) steht deshalb auch dass man Aufpassen muss mit Leuten, die eventuell einen DPD-Enzymmangel haben oder Medikamente nehmen wie Phenytoin (erhöht dessen Plasmaspiegel) … Mit Nukleosidanaloga wie Brivudin oder Sorivudin (die werden bei Virusinfektionen wie Gürtelrose eingesetzt) kann die Plasmakonzentration von Fluorouracil stark ansteigen – und das wirkt dann tatsächlich toxisch. Da wird ein Abstand von 4 Wochen empfohlen bei der Anwendung.In der Schwangerschaft und Stillzeit ist es absolut kontrainduziert.

Ausserdem ist es nicht zur Anwendung auf grossen Hautflächen bestimmt (nicht über 25 cm2) – auch wenn nicht gerade viel aufgenommen wird (selbst dann).

Die Ergebnisse toxikologischer Studien mit Langzeitanwendung zeigen, dass eine dosisabhängige systemische Bioverfügbarkeit von topisch verabreichtem Fluorouracil auftritt, die zu schweren lokalen und schwerwiegenden systemischen Nebenwirkungen führen kann und durch die antimetabole Wirkung von Fluorouracil bei hohen Dosen bedingt ist. Diese hohen Dosen werden mit Verrumal nicht erreicht, wenn es wie empfohlen angewendet wird.

Die Pharmaassistentin geht dem Mann sagen, dass er auf das Rezept nur eine Packung bekommt – und der flippt völlig aus: Er sei selber mal Apotheker gewesen in Spanien (wann? der Mann ist ziemlich alt). Er wisse Bescheid und er brauche das Verrumal auch nicht zum aufpinseln, sondern weil er damit Bäder machen wolle (!). Deshalb reicht auch eine Packung nicht … und sie soll nicht so blöd tun, immerhin bezahle er das ja auch selber.

Nein – immer noch. (WTF: Bäder?). Hat er auch dem Arzt erklärt, was er damit machen will??

Er hat es dann in einer anderen Apotheke versucht.

Nicht dass ich denke, dass er dort viel mehr Erfolg haben wird, wenn die Apothekerin ihren Job macht – dazu gehört auch der Schutz der Patienten manchmal gegen ihren Willen …

10 Kommentare zu „Patientenschutz gegen Patientenwillen

  1. Hm, das ist jetzt interessant. Da ist das Zeug also sogar gefährlich?
    (Also zum Baden würde ich es ja nun auch nicht nehmen wollen …)

    Zur Erklärung, warum ich mich wundere:
    Ich hatte das selbst mal verschrieben bekommen zum Aufpinseln auf eine Warze … und die ging dann auch tatsächlich weg. Seitdem hatte ich keine mehr …
    Als mein Sohn eine Warze hatte und ich dem Kinderarzt gegenüber Verrumal erwähnte, meinte er „Und das hat funktioniert?“ In einem sehr skeptischen Tonfall ….. (klang, als hätte ich nach einem Placebo gefragt.)
    (Anmerkung dazu: ich mag den Kinderarzt und halte ihn für sehr kompetent und hatte auch nie ein Problem mit ihm. Bin also geneigt, auch solche Aussagen zu verstehen.)
    Jedenfalls hat mein Sohn dann genau dieses Verrumal bekommen … verwendet .. Warze weg.

    Ich meine mich zu erinnern, dass der Kinderarzt etwas sagte von „man könne es machen oder auch nicht, dies (Sorte?) Warze würde nach einer Weile von allein verschwinden“. Aber da bin ich mir nicht mehr ganz sicher.

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    1. Kommt drauf an, wie du gefährlich definierst. Alles was man zu viel nimmt (oder falsch) kann gefährlich sein. Wirksam ist es – allerdings hatte die Kinderärztin nicht unrecht: die meisten gewöhnlichen Warzen gehen tatsächlich (irgendwann) von alleine wieder weg.

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  2. Verrumal als Bad? Wenn da nicht eine Namensverwechselung vorliegt. Da würde ich sogar die 1 OP verweigern wenn das fehlerhaft oder missbräuchlich verwendet werden soll.

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  3. Bäder mit Verrumal? allen Ernstes?? Wofür zum Henker soll das gut sein???

    (und könnte jemand bitte mal meinen Unterkiefer wieder hochklappen – Firma dankt)

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  4. Hmmm…
    In Deutschland gibt es eine Creme mit Fluorouracil, zur Behandlung von malignen Ulcerationen und dermalen Tumoren. Das ist allerdings wirklich nur im letzten Endstadium eine Krebserkankung sinnvoll. Als Bad würde ich das jetzt aber auch nicht empfehlen. Schon alleine aufgrund der Galenik… Ein Filmbildner als Bad????
    PS: Bisher war ich hier nur entzückte, aber stille Mitleserin….

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  5. Nun ja,
    er hat ja nicht geschrieben, wen er darin baden will. Vielleicht die unliebsame Frau oder Geleibte? Wer weiß das schon außer ihm …

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    1. Du hast jetzt wirklich fiese Gedanken. ;)

      Ich stelle mir gerade vor, wie man einen unliebsamen Menschen mit ausreichender Konzentration von Fluorouracil mal eben in der Badewanne auflöst…

      Bilder! Raus! Aus! Meinem! Kopf!!!

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      1. Fiese Gedanken? Ich? Nicht doch. Ich bin umsichtig und berücksichtige nur Faktoren, die vielleicht noch nicht ausreichend Beachtung fanden …

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