Der Twitter-Tag

Der Twitter-Tag zum nachlesen – in chronologischer Reihenfolge, leider ohne genaue Zeitangaben.

Erläuterung: «normale» Rezepte (ohne pharmazeutische Probleme) und Verkäufe erwähne ich heute nicht, ihr könnt Euch aber vorstellen, dass die dazwischen nicht nur vereinzelt stattfinden.

Start 7.45 Uhr

Am Vorbereiten die Apotheke zu öffnen. Kassen nach vorne, Anrufbeantworter abschalten, schauen, ob schon etwas anfällt (Sieht gut aus). Emails durchgehen, Twitter und Blog vorbereiten … das nur heute :-)

Wir öffnen. Die eine Stammkundin mit der kontrollierten Abgabe steht schon vor der Türe und wartet. Verstehe ich nicht wirklich, weshalb man um 8 Uhr morgens schon «sein Stilnox» haben muss? Das ist ein Schlafmittel.

Kurz vor seinem Arbeitsbeginn kommt ein Mann zum Impfen vorbei: FSME – die zweite. Er war im Sommer schon mal da. So schlecht scheine ich das nicht zu machen :-)

Inzwischen sind auch die andern nicht untätig: Wareneingang im Gange.

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Nitroglyzerin Kapseln für einen älteren Mann. Abgabe im Ausnahmefall ohne Rezept. Er war noch nie bei uns, deshalb längere Abklärungen. Ist für Notfälle zu Hause, war letztens beim Arzt, hat vergessen Rezept ausstellen zu lassen.

Telefonanruf eines erbosten Mannes unbestimmten Alters: «weshalb wir seiner Tochter kein Makatussin abgegeben haben?!» Sie war deutlich unterhalb unserer Altersgrenze für den Codein-Sirup. Schlage vor, dass wir es abgeben, wenn er ihr einen Ausweis von sich mitgibt.

Nachtrag zum Makatussin: Das Zeug wird wirklich häufig missbraucht. Und so alt (und krank) hörte sich der Mann auch nicht an. Bin gespannt, ob sie (oder er) nochmal kommt.

Telefon wegen Videoüberwachung die vor ein paar Tagen ausgefallen ist. Sie schicken jemand vorbei das anschauen. Hoffentlich bald. Im Moment scheint der 5-Fingerrabatt wieder aktuell zu sein vor allem bei der Kosmetik

Bestellung Wintervorrat Erkältungsmittel direkt bei der Firma. Brauche ich wirklich 60 Packungen Vicks Medinait? Wie entwickelt sich das wenn das ab nächstem Jahr pro Forma «rezeptpflichtig» wird bei uns?

Kontrolle der Bestellungen im Wareneingang. Der Arzt will wirklich Isotretinoin einer 11 jährigen geben und verschreibt grad eine 100er Packung mit „sic“. Ui.

Grippeimpfung – ich würde ja gerne mal Striche an die Wand des Beratungsraums machen zum zeigen, die wievielte das ist … aber das sieht wahrscheinlich etwas doof aus? (überleg)

Grad noch eine Grippeimpfung. Online eingeben für die offizielle Statistik muss ich das später, wenn ich Zeit habe. Die nächsten Patienten warten.

Spitex (Haushilfe) Fax-Bestellung für Patient den ich nicht im Computer habe und angehängt Rezept für einen bekannten Patienten für ganz andere Medikamente? Telefon an die Spitex um das auseinander zu beineln. Sie rufen zurück.

Kundin will Bürgermeister Zink Tabletten für die Kollegin und ist verwirrt, dass ich ihr Burgerstein Zinkvital bringe, nimmt es aber doch. Die Autokorrektur des Smartphone ist ja amüsant.

ca. 10 Uhr

Telefon mit der Arztpraxis wegen einer unserer Patientinnen mit Wochendosett, die eine Medikamentenumstellung wünscht, aber partout nicht in Kontrolle will. Sie rufen zurück. Irgendwann. Versprochen.

Es riecht verbrannt … respektive wie wenn etwas zu heiss wird. Wo kommt das her? Ich irre schnüffelnd in der Apotheke herum, finde aber nichts. Rauchgeruch macht mich immer noch nervös, auch über 10 Jahre nach dem Feuerwehrdienst.

Die Spitex ruft zurück, das erste Fax sollte an eine andere Apotheke. Beim Rezept klären sie noch ab, ob grad etwas gebraucht wird. Sie rufen wieder an. Sobald sie es herausgefunden haben.

Computer frei von der PA, die die Krankenkassenabrechnung gemacht hat. Versuch Rezepte vom Vortag zu kontrollieren. Versuche – weil: neue Patienten und Kunden.

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Anruf der Stammkundin, die wieder über ihren schlecht funktionierenden Stuhlgang reden will. Muss sie abklemmen wegen Patienten in der Apotheke.

Abgabe des Isotretinoins aus der Bestellung an die Mutter der jungen Patientin und ausführliche Beratung wegen Nebenwirkungen und dass Off Label use (und deshalb ev. von Krankenkasse nicht übernommen.

Kundin fragt nach Kohlensäure-Bad. Sie hätte das in der Reha empfohlen bekommen und will das für zu Hause zum Selbermachen. Finde nach längerer Recherche etwas in Deutschland, das ich besorgen könnte. Ist ihr zu teuer.

Aber das Kohlensäure-bad hat eine wirklich interessante «Packungsbeilage» – vor Ersticken wegen dem Entstehenden Kohledioxid wird gewarnt. Wieder was gelernt. (Ich wusste gar nicht dass Kohlesäurebäder ein Ding sind – ausser Badebomben …)

Mir fällt auf, dass bisher niemand Makatussin mit Ausweis holen gekommen ist …Hmmmhmm.

ca. 12 Uhr

Hatte gerade eine Pille danach Beratung. Unspektakulär: vernünftige Frau mit kaputtem Kondom – nur blöd, wenn man deswegen fast versäumt die Mittagsbestellung durchzugeben. Grad noch.

Die Ultracortenol Augensalbe auf Rezept ist mal wieder nicht lieferbar. Der Patient will aber nicht in die andere Apotheke (die es noch hat) wir sollen beim Arzt nach Ersatz fragen. Der hat Mittagspause. Wir versuchen es später wieder.

Der Arzt hat dem 7jährigen Kind Nasivin 0.1% aufgeschrieben auf Rezept. Eigenständig dem Alter entsprechend auf 0.05% gewechselt – wahrscheinlich hat er das mit Xylometazolin verwechselt. Nasivin gibt es nur in 0.01, 0.025 und 0.05%. Wenn alles so einfach wäre …

Versuche ein Sandwich und eine Cola möglichst rasch zu verdrücken, bevor der nächste Kunde kommt. Klappt nicht. Ja, ich finde es auch nicht so schön, noch kauend vor dem Kunden zu stehen …

Mir fällt ein, dass ich der Stammkundin mit dem ungenügenden Stuhlgang noch zurückrufen muss! 15 Minuten am Telefon mit TMI (too much info) und einem Versuch der Anpassung ihrer Medikation. Abführmittel hat sie schon genug zu Haus.

Für den Patienten hätte ein Rezept für ein Antibiotikum gefaxt werden sollen (nach Telefonischer Konsultation). Es ist nichts gekommen. Jetzt ist niemand erreichbar – Mittagspause. Machen die Ärzte hier.

Kundin will mit mir diskutieren wegen dem „Wundermittel“ kolloidalem Silber und der bösen Pharmaindustrie. Ich aber nicht mit ihr – im übrigen kann (und will) ich das nicht bestellen. Sie geht’s im Internet kaufen. Ok!

Ernsthaft, kolloidales Silber: das Zeug ist weder besser noch harmloser als ein Antibiotikum – und die Pharmafirmen sind nicht der (einzige) Grund, weshalb das nicht mehr offiziell verwendet wird, sondern das schlechte Nutzen-Risiko-Verhältnis, vor allem bei der Einnahme.

Schon wieder Vitamin D auf Rezept. Das zehnte allein heute? Das Zeug ist der Renner. Jeder muss es haben, alle wollen es verschrieben. Nur scheinen manche Ärzte sich nicht wirklich auszukennen. Nein, die öligen VitD-Tropfen kann man nicht in Wasser einnehmen!

Wenn wir grad beim Vitamin D sind: Es macht finanziell wenig Sinn die 30ml Flasche zu verschreiben (VP CHF16.15 plus Pauschalen! da rezeptpflichtig) mit Dosierung «1/3 Flasche im Monat», wenn eine OTC 10ml Flasche VP 4.25 hat Auch das ändern wir selbständig.

ca. 14 Uhr

Bald Mittag vorbei – ich versuche wegen dem Antibiotikum-Rezept in die Praxis anzurufen. Noch zu. Der Anrufbeantworter meldet, dass sie ab 14 Uhr «wieder für Sie hier sind»

Noch eine Grippeimpfung. Da nützt jemand seine Mittagspause. Interessant ist, wie häufig ich höre „der Impfstoff ist dieses Jahr hoffentlich wirksamer als letztes Jahr?“ … aber keiner der dort schon geimpften hat wirklich die Grippe bekommen.

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Meine Pharmaassistentin versucht es nochmals bei der Praxis wegen dem AB-Rezept. Immer noch der Anrufbeantworter? Hey! Es ist 2 Uhr vorbei!

Die andere Praxis mit dem Ultracortenol Rezept nimmt dafür ab. Die Praxisassistentin muss wegen dem Ersatz beim Arzt nachfragen, der grad beschäftigt ist. Sie rufen zurück.

Endlich erreicht meine PA die Praxis. Sie faxen uns das AB-Rezept … nochmals (sagen sie)? Das Rezept kommt fast sofort. Wir geben es an die inzwischen wartende Patientin ab.

Die Stuhlgang Stammkundin ruft wieder an. Sie will jetzt doch etwas Neues probieren (die Nachbarin hat empfohlen) und wir sollen ihr das bringen. Und beim Arzt ein Rezept verlangen.

Nur damit ihr nicht denkt, dass ich hier alleine am arbeiten bin. Neben den Rezepten und Beraten wurden auch die Wochendosette befüllt. Jetzt muss ich sie nur noch kontrollieren.

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Mann kommt mit Rezept für Frau über Antibiotika (offensichtlich gegen Chlamydien Infektion) plus Partnerbehandlung. Er kann schlecht Deutsch (aber besser als die Frau wahrscheinlich). Dauert etwas, die Anwendung für beide zu erklären.

Ausserdem hat er noch den abgelehnten Bescheid der Kostengutsprache der Krankenkasse für … eine operative Fettschürzenentfernung dabei und fragt was das ist. Uh …

Die Patientin mit dem Ultracortenol Rezept ist wieder da. Die Praxis hat noch nicht zurückgerufen wegen dem Ersatz. Die Patientin nimmt das Rezept wütend wieder mit und versucht jetzt woanders das Ultracortenol zu bekommen … Viel Glück.

Was meine PA nicht lesen konnte auf dem Rezept ist Wobenzym. Ich kenne das, in der CH ist das aber nur im Kanton Appenzell verkehrsfähig. Ich darf es nicht mal importieren aus D. Ein ungeeigneter Versuch Traumanase zu ersetzen, das seit langem nicht lieferbar ist?

Das Faxgerät spukt ein Faxrezept für Antibiotikum aus … das mir sehr bekannt vorkommt. Es ist dasselbe das wir schon bekommen haben. Absender: eine andere Apotheke. Offenbar ist es falsch dort gelandet. Wann??

Kundin will Magnesiumöl bestellen. Ich stelle erstaunt fest, dass es tatsächlich einen Artikel gibt der bestellbar ist. Sie fragt mich, was ich davon halte. Ich sag‘s ihr (das wird kaum über die Haut aufgenommen). Sie nimmt etwas zum einnehmen das wir da haben.

Rezept vom Hautarzt für Clarelux Schaum. Weiss der immer noch nicht, dass das seit Monaten nicht lieferbar ist?

Übergabe an meine Kollegin, die heute Spätdienst hat. 1) Der Arzt hat wegen der Dosett-Umstellung nicht zurückgerufen. Naja – theoretisch hat das noch Zeit bis nächsten Mittwoch.

Übergabe 2) Die Spitex hat wegen dem Rezept noch nicht wieder zurückgerufen ob sie es wirklich brauchen. Das «kann» in dem Fall auch warten.

Übergabe 3) Das Abführmittel für die Stammkundin muss man noch bringen. Zusammen mit anderen Sachen, die noch zum ausliefern sind.

Übergabe 4) Den Rest wird sie dann anhand der Rezepte beim Kontrollieren selber sehen. Ich überlasse ihr Dankbar die Apotheke für heute – sie ist ja mindestens so gut wie ich.

16.10 Uhr Erschöpft nach Hause fahren.

(Alles nachlesbar auch auf Twitter unter dem Hashtag )

13 Kommentare zu „Der Twitter-Tag

  1. Beeindruckend wie viel das ist! Das wird hier viel deutlicher als bei Twitter, wo wes schon nachgelesen hatte.
    Auf jeden Fall danke in den Einblick in deinen Arbeitsalltag, bzw diese Art von Einblick 😀

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  2. Ein interessanter Tag der glaube ich einen typischen Einblick in den Apothekenalltag gibt. Schade dass soviel Zeit dafür draufgeht Dinge zu klären, aber es macht auch klar wieso eine Apotheke vor Ort nicht zu ersetzen ist.

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    1. Um ähnliches muss ich mich in meiner Praxis auch regelmässig neben der eigentlichen Sprechstunde kümmern: da kommt oft mehrmals täglich eine Rückfrage meiner MPA à la „Patient XY ist hier, sie/er hatte in 20xx schon einmal das Medikament Z und möchte das jetzt wieder haben – darf ich das abgeben?“. Und das oft während der Konsultationen.

      Dann heisst es nicht selten, den Patienten, mit dem man gerade im Gespräch ist, um einen Moment Geduld bitten, die Krankengeschichte der/des anfragenden Patientin/en im PC aufrufen und checken, weswegen das Medikament seinerzeit abgegeben wurde, die jetzige Problematik erfragen und überlegen, ob so eine Abgabe sinnvoll bzw. berechtigt ist. Falls Zweifel bestehen, klemmt man halt die/den anfragende(n) Patientin/en nach der laufenden Konsultation für einen Kurztermin dazwischen.

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      1. Multitasking, Flo – wobei Du das Problem auch etwas weniger hättest, wenn Du nicht-SD-Arzt wärst. (Dafür aber mehr Nachfragen aus der Apotheke wegen desselben).

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    2. Untypischerweise wenig Krankenkassen-Probleme. Gut – da haben wir an sich schon weniger, als ihr, aber an dem Tag gab es wenig Diskussionen mit Kunden oder Nachfragen etwas anderes auf Rezept zu nehmen, das die Kasse bezahlt.

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  3. Oh ja, das kommt mir doch sehr bekannt vor…plus dazu immer mehr Kunden, die der Meinung sind, dass ihnen irgendetwas

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  4. Oh ja, das kommt mir doch sehr bekannt vor – und dazu kommt noch eine gewisse Aroganz und Aggressivität bei so manchen Kunden, die in den letzten Jahren immer mehr zunimmt…und deshalb bin ich nach fast 20 Jahren in der Großstadt in die Provinz gezogen, wo man seine Kunden kennt, und mit den Ärzten per du ist, und sich fast alle auftretenden Probleme auf dem ‚kleinen Dienstweg‘ lösen lassen.

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  5. Irgendwie erinnert mich vieles an meinen eigenen Klinik-Alltag, v.a. wenn es um Anrufe bei Hausärzten geht.

    Patient fragen nach Hausarzt, 3x anrufen bis man jemanden erreicht, „der Patient war seit 4 Jahren schon nicht mehr hier“, Patient nochmals fragen gehen, neuen Hausarzt anrufen, Medikament sei vom Spezialisten verordnet, dieser ist in den Ferien.. Hallelujah..

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    1. Solche Anrufe kenne ich bestens vom hausärztlichen Ende der Leitung. Da ist man teilweise echt überrascht, was die Patienten so an Medis nehmen, die man ihnen gar nicht verordnet und auch nicht in der KG vermerkt hat.

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  6. Fand ich sehr interessant nachzulesen (leider ist es mir erst nachts wieder eingefallen, wollte eigentlich gerne „live“ mitlesen.
    Habt ihr bei euch noch so viel Grippeimpfstoff? Ich lese gefühlt ständig „Grippeimpfung“ und mir wurde vor vier Wochen schon ein Impftermin für meinen Kindergartenanfänger abgesagt, weil der Kinderarzt keinen mehr auftreiben kann. Oder ist das eher regional deutsches Problem?

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    1. Definitiv nicht regional in Deutschland. Ich habe genug bestellt für die Impfkampagne hier- das sollte noch etwas reichen, aber nachbestellen ist jetzt auch nichts mehr.

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