Datenschutz als Verzögerungstaktik

In Wien montieren sie dutzende Namensschilder an Häusern ab – weil jemand reklamiert hat, dass das dem Datenschutzrecht widerspricht. Keine Ahnung, wie die Post in Zukunft da den richtigen Briefkasten finden will, aber bei uns in der Schweiz sind Namensschilder an Klingeln etc. anscheinend sogar vorgeschrieben. Jedenfalls: Es herrscht allgemeine Verwirrung, was den Umgang mit „persönlichen Daten“ betrifft … das stimmt auch in der Schweiz. Auf der anderen Seite wird der Datenschutz auch hier gerne als Vorwand genommen. Aktuelleres Beispiel:

Vor 3 Wochen bekam ich ein Rezept zugefaxt von der Onkologie des Spitals für einen Patienten. Das Medikament ist ein teures Krebsmittel, für das mir unser Computersystem meldet, dass es für die Übernahme durch die Krankenkasse eine Kostengutsprache benötigt. Da der behandelnde Arzt das veranlassen muss, rufe ich dort an. Der ist überhaupt nicht erfreut ob meinem Anruf und versucht mich erst mal abzuwimmeln mit der Aussage, dass er das schon verschiedene Male verschrieben habe und die Kasse das im Normalfall übernimmt. Es sei ja ein notwendiges und wichtiges Medikament und ausserdem habe er keine Zeit für noch mehr Bürokram. Ich stimme ihm zu (absolut!), trotzdem brauche ich für die Abrechnung mit der Kasse diese Bestätigung. Ich kam mit ihm überein, dass er der Krankenkasse den Antrag übermittelt und mir das zukommen lässt, dann gebe ich das Medikament ab, ohne dass der Patient das gleich bezahlen muss. Ausserdem verspricht er mir, die Bestätigung zuzuschicken, sobald sie sie haben, was etwa 2 Wochen dauern sollte. Wir geben das Medikament rechtzeitig zu Behandlungsbeginn ab.

3 Wochen später (nach meinen Ferien) und der Patient bringt ein Dauerrezept für eben dasselbe Medikament … und ich habe immer noch keine Kostengutsprache bekommen.

Wieder rufe ich im Spital an und muss den anwesenden Arzt nerven (einen anderen) – er zeigt sich einsichtig, aber kann mir nicht weiterhelfen, er hat selber heute schon fast eine Stunde am Telefon mit der Krankenkasse verbracht und auch sie haben die Kostengutsprache noch nicht zugeschickt bekommen. Zumindest hat er den Vermerk noch drin, dass, falls sie kommt, man sie uns zuschickt.

Ich rufe also der Krankenkasse an. Ich nenne Patientenname, Geburtsdatum zur Indentifikation und frage, wie es mit der Kostengutsprache steht.

Krankenkassenfräulein (Krakaf) zirpend: «Die ist immer noch in Abklärung»

«Was», sage ich – «nach 3 Wochen? Der Patient hat schon eine Packung bekommen – und ich muss wissen, bevor ich das weiter abgeben kann, ob sie das übernehmen. Heute noch. Er braucht morgen die nächste Packung.»

Krakaf  (zirpend): «Moment»

Warteschlaufe.

Eine andere Mitarbeiterin der Krankenkasse (Krakaf2) meldet sich. Ich erkläre ihr nochmal mein Anliegen und dass ich die Kostengutsprache dringend benötige.

Krakaf2: «Ja, ich sehe in den Unterlagen, dass der Entscheid da ist.»

Pharmama: «Oh, sehr gut, dann können sie mir das faxen.»

Krakaf2: «Nein, das geht nicht»

Pharmama: «Wieso nicht?»

Krakaf2: «aus Datenschutzgründen».

Pharmama: «Was? Das ist doch Unsinn, was hat das mit Datenschutz zu tun? Ich habe ja alle Daten schon hier: Patient, Geb.Datum desselben, Krankenkasse, Arzt und Rezept und Behandlung / Medikament – und ich brauche von Ihnen nur die Bestätigung, dass sie als Krankenkasse das Medikament auch übernehmen.»

Krakaf2: «Tut mir ja leid, aber ich darf das nicht an sie schicken, da sie kein Leistungserbringer sind.»

Pharmama: «Wie bitte?!?!»

Da bin ich dann doch etwas lauter geworden – immerhin BIN ich der Leistungserbringer: ICH (als Apotheke) gebe das Medikament ja an den Patienten heraus und gehe dafür in Vorauszahlung!

Warteschlaufe. Ich koche leise vor mich hin. Dass in der Zwischenzeit wegen so Mist andere Patienten, die hier sind warten müssen, macht mich nur noch ärgerlicher.

Krakaf2 ist dann etwas zurückgerudert und hat gemeint, sie dürfen die Kostengutsprache Bestätigung nur an den Arzt schicken. Sie könne mir die Bestätigung allerhöchstens mündlich geben … und würde das heute noch ins Spital faxen.

Zu mehr war sie nicht zu bewegen, mit allen Argumenten nicht.

Also habe ich die Bestätigung mündlich bekommen, wobei sie sich noch immer anhörte als sei das reiner Goodwill von ihnen. Praktisch nützt mir das aber gar nichts, wenn sich die Krankenkasse danach umentscheiden sollte – ich habe da gar nichts in der Hand.
Am nächsten Morgen habe ich von der Onkologie die Kostengutsprache bekommen.

Happy End für alle – und ich hoffe, die Therapie schlägt beim Patienten an.

Aber echt jetzt: Aus Datenschutzgründen? Meiner Meinung nach hier ein reiner Vorwand und Verzögerungstaktik – zu Lasten des Patienten. Das übrigens von derselben Krankenkasse die eine Zeit lang keine Adresse des Patienten auf dem Krankenkassenkärtchen gespeichert hatte. Vielleicht sollten sie wirklich mal intern einen Datenschutzbeauftragten ernennen, der sich darin ausbildet und den Rest der Angestellten instruiert?

22 Kommentare zu „Datenschutz als Verzögerungstaktik

  1. Bei kleinen Sachbearbeitern von (quasi)behördlichen Institutionen scheint es mir ein Phänomen zu geben: Unwissenheit wird nicht zugegeben.
    Entweder ist die Dame faul und sucht einen Vorwand das Fax nicht zu schicken oder sie ist unsicher wegen des komischen neuen Datenschutzzeugs (Klingelschilder!!1!1!einself!!1) und stellt mal einfach mal eine Behauptung auf.

    Bitte nicht steinigen, ich habe größtenteils gute Erfahrungen mit Behörden, selbst Überwachungsbehörden in einer gewissen Machtposition. Aber dieses Phänomen zieht sich einfach durch. Wenn beim kleinen Schreibtischtäter keine Ahnung vorhanden ist werden Nebelkerzen geworfen oder Vermutungen als Tatsachen behauptet.

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    1. Bin ich wirklich so alleine damit, dass ich Unwissen zugebe, eben weil man mir dann nicht an den Karren fahren kann? Wenn ich ganz klar sage „ich vermute so und so, bin mir aber nicht sicher, ich kann nicht versprechen, dass es so ist“, kann dann -theoretisch- niemand sagen, ich hätte etwas falsches behauptet. Allerdings bin ich dann auch so ehrgeizig, dass ich mir alle Mühe gebe, den richtigen Sachverhalt zu ermitteln.
      Ja, vielleicht bin ich doch ein Einhorn.

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  2. Sei einfach nur froh, dass Du in der Schweiz bist. In Deutschland gilt die DSGVO und egal was Du Dir (nicht) ausdenken kannst, sie wird als Begründung vorgeschoben. Die Medien haben die Panik nach Kräften angeheizt und jeder meint vor irgend etwas Abstrusem warnen zu müssen, von dem gar nichts in der Verordnung steht.
    Ein großer Klamottendiscounter weigert sich gerade, mir für eine Bestellung eine Rechnung auszustellen – aus Datenschutzgründen! Ohne Beleg bekomme ich aber selbstverständlich das Geld auch nicht vom Verein erstattet, für den ich die Großbestellung aufgegeben habe. Ob sich das Finanzamt die Ausrede „Datenschutz“ auch durchgehen lässt?

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    1. Ein DSGVO-kompatibles Gesetz kommt auch in der Schweiz. Wäre ja reichlich blöd, wenn Schweizer Dienstleister zwei verschiedene Datenschutz-Ordnungen haben, eine für EU-Bürger und eine für Schweizer…

      …umgekehrt besteht das Problem ja nicht, die DSGVO scheint ja strenger zu sein als alles, was wir in der Schweiz haben.

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    2. Aber … wenn die dir keine Rechnung ausstellen wollen, dann musst Du ja auch nicht bezahlen, oder? :-) Du meinst den Quittungsbeleg, nicht? Das hat ja auch nichts mit Datenschutzgründen zu tun. Sowas.

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        1. Ich mag mich täuschen, aber man hat als Privatperson wirklich kein Recht auf eine Rechnung, sondern nur als Unternehmer. Viele Unternehmen stellen aber natürlich an Privatpersonen dennoch eine Rechnung aus.

          Du hast aber ein Recht auf eine Quittung. Vielleicht hilft Dir das hier: §368 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__368.html

          Ich würde nicht telefonisch anfragen, sondern eine Mail schriftlich mit Verweis auf §368 BGB formulieren. Falls Dir dann schriftlich eine ablehnende Antwort bekommst, würde ich diese nehmen und an eine entsprechende Stelle weiterleiten (Verbraucherzentrale oder so).

          Vielleicht sind auch die 14 Tage noch nicht um und Du kannst die Ware noch zurücksenden?

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  3. „Aus Datenschutzgründen kann ich den Namen des Patienten leider nicht nennen. Aber ich bitte den Herrn mit der Syphilis, aufzustehen und mir zu folgen.“

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  4. Das habe ich auch schon ähnlich erlebt. Patient musste zu einer Untersuchung ins Spital (CT z.B.), ich melde ihn an, er geht, Untersuchung wird durchgeführt. Einige Tage später frage ich den Befund an: „Da brauchen wir die schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht.“ – Entschuldigung, ich selbst habe den Patienten mit einer Fragestellung eingewiesen und für die Antwort brauche ich jetzt eine Erlaubnis?

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    1. Darum durfte ich wahrscheinlich auch grad beim Frauenarzt unterschreiben, dass sie die Erlaubnis haben, für die mit der Behandlung wichtige Informationen mit anderen Ärzten etc. auszutauschen falls nötig. Oh – und dass sie mir die Informationen auch per mail zuschicken können und mir bewusst ist, dass das nicht sicher ist.

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        1. Diese Woche ging bei uns durch die Medien das Ärzte noch fast ausschließlich per Papier kommunizieren und die neuen Möglichkeiten nicht nutzen.
          Da kam mir aber genau der Einwand das Emails unsicher sind auch als aller erstes. Es geht auch sicher, aber nicht unbedingt von Haus aus.

          Als gutes Beispiel fällt mir da die Arbeitsmedizinische Untersuchung ein. Die Ergebnisse kommen alle per Post, nicht aufs Emailkonto.
          Die Rechner und Datenspeicher der Ärzte sind auch nicht im Firmennetz angebunden. Das ist die einfachste Möglichkeit sicher zu stellen das von Arbeitgeberseite kein Schindluder getrieben wird. Und auch glaubhaft zu vermitteln das dafür gesorgt ist.

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  5. Beim Optiker:
    Dürfen wir die Daten zur Sehstärke weiterleiten?
    Ich:??????!!!!!!!???????
    An den Menschen der die Brillengläser schleifen soll…..ich suchte an der Stelle nach der versteckten Kamera.
    Fand aber nur die DSGVO.

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  6. was mich bei den ganzen datenschutzregeln wirklich ärgert ist das sie totaler müll sind und nur arbeit bedeuten für alle seiten während sowieso alles abgehört wird

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    1. Ist halt so. Wenn man die Forensoftware nicht selbst gestaltet, sondern auf eine bestehende Plattform aufsetzt, muss man theoretisch ein „Datenverarbeitungsvertrag“ mit dem Foren-Software-Betreiber abschließen. Will man das? Zumal man nicht genau wissen kann, was da im Hintergrund so alles gemacht wird von so einer Seite. Und man kann es auch nur sehr begrenzt beeinflussen. Man ist aber großteils mitverantwortlich – siehe das Urteil der Fanpage-Betreiber bei Fratzenbuch (die dafür teilwise mitverantwortlich gemacht wurden, was Fratzenbuch mit den Daten der Besucher der Seite anstellt). Schöne neue Welt…

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  7. Zu den Klingelschildern:

    Das Recht auf Anonymität besteht schon lange und hat nichts mit der neuen Verordnung zu tun. Jedem Mieter steht frei, welcher Name an seinem Klingelschild steht. Auch Fantasienamen (oder gar kein Name) sind zulässig.

    In Wien gibt es kein Problem, wenn kein Name an der Tür steht, da auf Postsendungen vermerkt wird, wo genau der Adressat wohnt, z.B.: Pharmama, Apothekenstraße 1, II/links.

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