Differenzierter Selbstbehalt Neuerungen

Etwas für meine Schweizer Mit-Apotheker und Pharmaassistentinnen – für die deutschen Leser ist das höchstens interessant um zu zeigen, dass die Schweiz auch kompliziert kann …

Uns fiel auf, dass im Apothekenprogramm bei manchen Medikamenten ein Selbstbehalt von 20% (also erhöht) angezeigt wurde, obwohl der Preisunterschied wirklich minimal ist. Aktuelles Beispiel ist Ponstan – da kostet das Originalfür 100 Tabletten (ohne Checks) CHF 27.50 und die Generika sind alle CHF 25.25,  Das wäre eine Differenz von 8.96% … wesentlich weniger als 20%, wie es mal für den differenzierten Selbstbehalt geheissen hat.

Wieso? Respektive – stimmt das so?

Auf der Seite des BAG findet sich diese Info:

Die Kostenbeteiligung für Arzneimittel (Selbstbehalt) beträgt für Arzneimittel grundsätzlich 10 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten. Sind in der Spezialitätenliste (SL) mehrere Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung aufgeführt, so kann der Selbstbehalt 20 Prozent betragen.

Ein erhöhter Selbstbehalt kann zur Anwendung gelangen, wenn das Patent eines Wirkstoffes abgelaufen ist und deswegen Generika erhältlich und in der SL gelistet sind. Von einem erhöhten Selbstbehalt können Originalpräparate, Co-Marketing-Arzneimittel und Generika betroffen sein.

Für Arzneimittel, deren Fabrikabgabepreis einen bestimmten Grenzwert überschreitet, erhöht sich der Selbstbehalt 20 Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten.

Nichts neues hier – da steht einfach, dass sobald Generika vorhanden sind, der Selbstbehalt den man selber übernimmt (stellt bei uns die Krankenkasse in Rechnung) höher als die üblichen 10% sein kann. Das hat man eingeführt, damit die Patienten auch Generika bevorzugen (und die Kassen sparen). Das ist okay.

Weiter steht da: (Hervorhebungen durch mich)

1. Selbstbehalt von Arzneimitteln
Der Selbstbehalt, den eine versicherte Person beim Bezug eines Arzneimittels bezahlen muss, beträgt grundsätzlich 10 Prozent. Artikel 38a Absatz 1 KLV sieht vor, dass Arzneimittel, die im Vergleich zu anderen Arzneimitteln gleicher Wirkstoffzusammensetzung zu teuer sind, mit einem erhöhten Selbstbehalt von 20 Prozent belegt werden. Per 1. März 2017 sind diesbezüglich Änderungen in Kraft getreten. Ein erhöhter Selbstbehalt von 20 Prozent für ein Arzneimittel gilt nun dann, wenn es auf Basis Fabrikabgabepreis den Durchschnitt des günstigsten Drittels aller Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung auf der SL um mindestens 10 Prozent übersteigt (Art. 38a Abs. 1 KLV). Vom erhöhten Selbstbehalt sind sowohl Originalpräparate, Co-Marketing-Präparate als auch Generika betroffen. Das Verfahren der Berechnung ist in Artikel 38a Absätze 2-4 KLV geregelt.

Also neu muss die Differenz nur noch 10% betragen, damit die Regel greift. Ausserdem haben sie die Berechnungsgrundlage angepasst:

1.1. Berechnung des günstigsten durchschnittlichen Drittels
Massgebend für die Berechnung des günstigsten durchschnittlichen Drittels ist neu der Fabrikabgabepreis (FAP) der umsatzstärksten Packung pro Dosisstärke einer Handelsform aller Arzneimittel mit gleicher Wirkstoffzusammensetzung auf der SL. Nicht berücksichtigt werden dabei die Packungen (auf Ebene Dosisstärke), die in den Monaten April, Mai und Juni 2017 keine Umsätze aufwiesen (Art. 38a Abs. 2 KLV i.V.m. Ziff. G.1.5 des Handbuches betreffend die SL vom 1. Mai 2017). Präparate, die über die gleiche Zeitspanne einen Umsatz von 0,3 Prozent oder weniger gemessen am Gesamtumsatz der Arzneimittel gleicher Wirkstoffzusammensetzung aufweisen, werden in die Berechnung ebenfalls nicht miteinbezogen.

Zum errechneten Wert des günstigsten durchschnittlichen Drittels werden neu 10 Prozent addiert. Liegt der FAP der umsatzstärksten Packung einer Dosisstärke eines Präparates bei diesem Grenzwert oder darüber, wird es für die betreffende Dosisstärke mit einem Selbstbehalt von 20 Prozent belegt. Dieser gilt dann für sämtliche Packungsgrössen dieser Dosisstärke.

Da haben sie aber etwas gerechnet … und viel Spass, wenn ich das mal dem Kunden erklären darf.

Beim Beispiel Ponstan ist es offenbar so, dass die „umsatzstärkste Packung“ eine 10er Packungsgrösse ist. Bei denen kostet das Original CHF 6.25 und die Generika variieren von CHF 5.55 bis CHF 5.80 (und von 7.2 – 11.2%). Damit fällt das unter die Regelung und das Original wird mit erhöhtem Selbstbehalt belegt. ALLE Grössen. Für den Kunden, der da nun 20% statt 10% Selbstbehalt bezahlen muss, bedeutet das, dass er beim Ponstan für 100 Tabletten CHF 5.50 selber übernehmen muss, statt CHF 2.50 für ein Generikum. 3 Franken mehr.

Ich bezweifle ja, dass das in dem (unteren) Preissegment den Leuten wirklich auffällt. Aber wir müssen in der Apotheke die Leute darauf aufmerksam machen (und versuchen, sie auf ein Generikum zu bringen, wenn möglich). Bei dem hier ist das meist (trotzdem) kein Problem.

Die Ärzte, die die Medikamente verschreiben werden hier aber auch nicht ganz ausser Acht gelassen: Auf der BAG Seite steht auch:

Der Arzt oder die Ärztin beziehungsweise der Chiropraktor oder die Chiropraktorin informiert die versicherte Person, wenn in der SL mindestens ein mit dem Originalpräparat austauschbares Generikum aufgeführt ist.

Upps? Das ist also vorgeschrieben. Wäre schön, wenn das auch von allen gemacht wird … das würde uns in der Apotheke doch die eine oder andere Diskussion in Richtung: „Der Arzt hat sich schon etwas dabei gedacht, dass er genau das aufgeschrieben hat“ und „Ich will genau das, was verschrieben wurde!“ ersparen.

Oh – und damit ihr das auch selber nachschauen könnt, ob ihr so ein teureres Medikament habt:

Arzneimittel, die mit einem erhöhten Selbstbehalt belegt sind, sind in der elektronischen SL (abrufbar unter www.spezialitaetenliste.ch) in der Spalte SB mit einem X auf rotem Grund markiert.

Hier noch die korrigierte Version für den differenzierten Selbstbehalt (ab Ende 2017):

sbneu18

16 Kommentare zu „Differenzierter Selbstbehalt Neuerungen

  1. Jetzt hab ich das zweimal gelesen und verstehe es noch immer nicht so wirklich?
    Wenn ich nun etwas brauche das 20€ kostet und der Hund vom Nachbar auf den Rasen gekackt hat während der Postbote vorbei gefahren ist kann ich 10€ einziehen und darf über los gehen?

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    1. Nein, dann darfst Du 10€ Strafe an die Kommune zahlen, weil Du den Postboten nicht mit vor dich gehaltener „Katadolon S long Kapsel“ und der Androhung der gewaltsamen Verabreichung selbiger gezwungen hast, das Hundehäuflein in eine Versandtüte zu packen und selbige an [hier Politiker/Unternehmen der Missgunst der eigenen Wahl eintragen] zu versenden mit der Aufschrift: Bei Auslieferung Umschlag anzünden, auf den Treppenabsatz legen, klingeln & wegrennen!
      <duck&cover>

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  2. Beim Lesen dieses Beitrags sträubten sich meine Nackenhaare – es ist zwar Fasnacht = närrische Zeiten, aber dass die Spezialisten im BAG mit derartiger Akribie am werkeln sind,
    hat mich doch ziemlich erschüttert.
    Und wir bezahlen solche „bürokratischen Auswüchse“ doppelt – in Form von Steuern für die Existenz der Behörde BAG, und dann noch in Form des differenzierten Selbstbehalts.
    Welches Medikament wirkt gegen mein wachsendes Kopfweh ?

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      1. .@OtaconHC: komm, das wird von Bakterien produziert, das ist doch homöopathisch, oder?!?!? #grins#

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    1. Ich bin sicher, das ist so ein „Kompromiss“ von Sparbemühungen des Bundes (geht ja angeblich am besten bei den Medikamenten) und den Bemühungen der Pharmafirmen da zumindest etwas Gegen zu wirken. Im Endeffekt erscheint mir das als komplizierter Kleinkram. Ich finde es wichtig und richtig, Generika zu fördern … das hier ist jedoch kaum dem Patienten zu vermitteln.

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  3. Okay, ich GLAUBE es verstanden zu haben.
    Bei gewissen Beträgen kann ich es verstehen, dass man die Grenze für den Selbstbehalt nach unten korrigiert hat. Allerdings würde ich das fallabhängig machen. Kann ja sein, dass jemand die Nebenstoffe der Generika nicht verträgt, sondern wirklich nur mit dem Original zurecht kommt. (Laktose ist da ja ein häufiges Beispiel)
    Liegt ein solcher Fall vor, würde ich den Selbstbehalt streichen.

    Ansonsten ist das gerade bei teuren Medikamenten Gewinnmaximierung auf Kosten der Gesundheit des Patienten.

    Gut ist es für den Patienten natürlich, wenn die Differenz mehr als 20% beträgt, dann kommt ihm die Krankenkasse quasi entgegen. Aber ich schätze das ist eher selten der Fall?

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    1. Erstaunlicherweise gibt es noch so etwas: wenn der Ersatz des Generikums abgelehnt wird, verlangt das Computersystem zu wissen, wer das ablehnt. Tut das der Arzt oder Apotheker aus medizinischen Gründen, beträgt der Selbstbehalt auch bei diesen 10%.

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  4. …willkommen in der Welt der Behördenbüroratie-Logik, liebe Schweiz….
    War eigentlich nur ne Frage der Zeit, dass auch bei Euch der Sparwahn einzieht…wobei: gespart wird ja nicht bei den Gehältern der Vorstände – da täts ja weh, gelle?

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    1. Das deutsche Behördengeschwurbel ist doch nicht viel anderst, oder?
      Ich bin aber auch froh, das ich nicht diese schweizer Vorschriften verstehen und umsetzen muss, mir reichen unsere besch&€@ Regelungen…

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      1. Ja – dass ihr wirklich GAR KEINE Möglichkeit habt, zu erklären oder auszurechnen, wieviel die Preis-Differenz bei einem Rabattartikel der Krankenkasse zu einem anderen Generikum ist, finde ich tatsächlich noch schlimmer …

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        1. …das läßt mich eher kalt, denn AUFzahlung ist bei uns ja nicht vorgesehen.
          Wenn die Leute unbedingt das Kostenerstattungsverfahren wählen wollen weise ich sie DEUTLICHST darauf hin, was das günstigste Liefervertrags-AM kostet und dass sie noch mit Bearbeitungsgebühr rechnen müssen (dann sink meist der Wunsch rapide ab…)

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          1. @knick: neee. genau das meinte ich ja nicht!
            So wie ich das verstanden habe, kann der Kunde in CH was draufzahlen.
            In der BRD gibts ja nur ganz zahlen oder Liefervertrags-Artikel nehmen – mit oder ohne Zuzahlung, je nach GKV-Gusto…
            Festbetrags-Aufzahlungen zu erklären hab ich inzwischen fast aufgegeben……will ja doch keiner kapieren.

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