Individuelle Dosierung?

Die Begebenheit kommt noch aus der Zeit, als Marcoumar der Goldstandard – und so ziemlich der einzige Blutverdünner war:

Der Herr ist aus den Ferien in Spanien in der Schweiz und will jetzt und hier von uns Marcoumar ohne Rezept. Er habe den Blutverdünner schon lange und bekomme das dort immer ohne Rezept.

Das zweite kann ich nicht nachprüfen, das erste bis zu einem gewissen Grade schon: er hat eine alte Packung dabei.

Aber so wie er es sagt ist er schon eine ganze Zeitlang nicht mehr beim Arzt gewesen (bei etwas so … nicht ganz ungefährlichem wie Blutverdünner). Auf die Frage wie er das Marcoumar denn dosiert meint er: „Anhand der Erfahrung“

„?“

Nun, wenn er das Gefühl hat, dass er Blutverdünner braucht, dann schlägt er seinen Handrücken an den Tisch und entscheidet dann anhand der Grösse des entstehenden blauen Fleckes, wie hoch er dosiert.

Sprachlos.

Zum Arzt, bitte!

16 Kommentare zu „Individuelle Dosierung?

  1. Ich messe seit etwa 12 Jahren selbst, normalerweise alle zwei Wochen, aber trotz aller Erfahrung gibt es hin und wieder Ausreißer sowohl nach oben als auch nach unten. Ernährung, Medikamenteneinnahme, Urlaubsreisen, alles kann den Wert verändern. Auch wenn der Herr „nur“ gelegentliche Rhythmusstörungen hat, ist sein Verhalten leichtsinnig – hätte er eine künstliche Herzklappe, wäre er vielleicht schon tot.

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  2. In Spanien bekommt man als Einheimischer fast alles ohne Rezept – auch wenn es da meines Wissens nach durchaus eine ähnliche Verschreibungspflicht gibt wie hier zu Lande… Ich vermute mal, der gute Mann hat nicht gelogen mit seiner Aussage… ;-)

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  3. Da fragt man sich doch, warum wir im Krankenhaus uns die Mühe machen, den INR bzw. Quick zu bestimmen. Ich werde diese Methode gleich morgen vorschlagen! Mal kucken, wie die anderen reagieren…

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  4. Wow, ich bin sprachlos.
    Ich musste vor einiger Zeit 1 Jahr lang Marcumar nehmen und durfte deshalb ständig zur Blutabnahme rennen. Der Wert schwankte ohne erkennbaren Grund gerne mal von einem Ende der Skala zum anderen – da fand ich es ganz gut, dass die Messmethode präziser war als „wie groß wird der blaue Fleck?“.
    grusel

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  5. Kurz nachdem ich meine Praxis übernommen hatte, hatte ich einen sehr speziellen Patienten zur Quick/INR-Kontrolle bei mir. Die Werte waren in Ordnung, also trug ich die Dosierung für 4 Wochen ein. Daraufhin fing der Patient an zu schimpfen, was das denn solle, ich wolle an ihm wohl noch mehr verdienen, das sei eine Unverschämtheit, bei meinem Vorgänger habe er ja nur alle 3 Monate kommen müssen.

    Ich erklärte ihm daraufhin die Guidelines der Fachgesellschaften zu diesem Thema – erfolglos. Er schimpfte nur noch mehr. Also meinte ich zu ihm, wir könnten das so machen, wenn er das so wolle, ich würde dann in seiner Patientenakte vermerken, dass dies auf seine Verantwortung geschehe. Das passte dem Patienten aber auch wieder nicht, ich solle gefälligst die ganze Verantwortung übernehmen, das sei ja meine Pflicht als Arzt. Und mein Vorgänger habe ja auch immer die Verantwortung übernommen.

    Das Ganze in ziemlich hoher Lautstärke, direkt vor dem Tresen meiner Assistentinnen und in direkter Nähe zum Wartezimmer. Ich bat den Patienten daher, doch bitte seinen Tonfall zu mässigen – woraufhin er mit einer Schimpfkanonade, was für ein beschissener Arzt ich doch sei, er würde jedem im Dorf abraten, zu mir zu gehen, und selbstverständlich auch nie mehr wiederkommen, die Praxis verliess. Ich habe ihn (zum Glück) niemals wiedergesehen.

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    1. Au weh – da kann man sagen: „Das fängt ja gut an.“ Aber ich denke, da bist Du nicht ganz unglücklich gewesen, dass er tatsächlich nicht mehr wiedergekommen ist. Nur Verlangen und keine Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen wollen?

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      1. Och, solche Anspruchshaltungen kenne ich zur Genüge. Zum Beispiel von Patienten, die bei ihrer Versicherung ein Hausarztmodell haben und daher immer eine Überweisung brauchen, wenn sie zum Facharzt wollen, die sich darum aber nicht scheren, sodern einfach zum Spezialisten gehen und dann hinterher von mir die Unterschrift auf dem Überweisungsformular haben wollen.

        Besonders lustig wird es, wenn die zu irgendeinem dubiosen Heiler oder Voodoo-Mediziner gegangen sind, dann kommt auf meine Weigerung zur Unterschrift immer gleich die Drohung, sich einen anderen Hausarzt zu suchen (weil die Kollegen in der Umgebung diesbezüglich leider allesamt ziemlich unkritisch sind).

        Meine Ablehnung der sog. „Alternativmedizin“ hat mich sowieso schon gleich zu Anfang jede Menge Patienten gekostet, hätte mich nach ein paar Jahren fast in den Ruin getrieben. Aber wenigstens kann ich jeden Morgen in den Spiegel schauen, ohne zu kotzen. Und ich habe immer noch viele Patienten, die meine skeptische Haltung sehr zu schätzen wissen.

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        1. Ich denke, du praktizierst auch in einer Gegend mit viel Anhängern der Alternativmedizin? Nicht dass das in der Schweiz total selten wäre … man denke an die „tolle“ Volksabstimmung über die Wiederaufnahme in die Grundversicherung. Ich bin immer noch der Meinung, da gehört das nicht hin – für das gibt es die Zusatzversicherungen, leider sind wir da (beide) entgegen dem Volkswillen. Deshalb wird es auch nie eine wirklich homöopathiefreie Apotheke geben. Angebot und Nachfrage halt.

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          1. Die Abstimmung von 2009 war das eine – aber dass Herr Berset der Homöopathie 2014 den Wirksamkeitsnachweis zugunsten des Binnenkonsenses erlassen hat, ist die eigentliche Schande. Und die meisten Menschen nehmen halt schon die Erstattungsfähigkeit als Wirksamkeitsnachweis.

            Wie schrieb es mal so schön ein Kommentator bei „ScienceBlogs“: Binnenkonsens ist, wenn 10 Wölfe und ein Hase darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt.

            Aber ja, hier hat es sehr viele Heiler, „Naturärzte“ und so. Und leider auch viele Impfgegner.

            Freut mich übrigens, dass Du auch so kritisch bist. Ich weiss zwar nicht, in welcher Gegend Du Deine Apotheke hast, aber falls es nicht allzu weit weg von Basel ist, kannst Du ja gerne mal zu einem unserer Skeptiker-Stammtische kommen. Irgendwann in den nächsten Monaten wird dort übrigens mal Norbert Aust, Mitbegründer des „Informationsnetzwerks Homöopathie“ einen Vortrag halten, der ist auch bei uns dabei.

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  6. Ich bin Apothekerin, wohne und arbeite auch in Spanien in einer Apotheke (bzw bis vor kurzem, dann Baby).
    Es ist echt erstaunlich was hier abgeht. Man kriegt echt fast alles ohne Rezept. Die Leute sehen alin Rezept nur als Gutschein für weniger bezahlen, sonst nix.
    Colchizin, Antibiotika, alles gibt’s ohne Rezept und Concerta ist gleich vorn in der Schublade. In De war das glaub ich im Betäububgsmittelschrank….Ich könnte euch Stories erzählen, die würdet ihr niemals glauben. Und fragt nicht nach Rezepturprotokollen oder ordnungsgemäßen Herstellen.

    ….

    KREISCH

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    1. Ist in der Türkei auch nicht anders – da kriegt man problemlos alles, was das Patientenherz begehrt. Ich habe mich mal in Alanya mit einem Apotheker unterhalten, der liess durchblicken, dass er mit den Touristen fast 3/4 seines Umsatzes mache.

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