Idiopathisch

Heute habe ich eines meiner medizinischen „Lieblingswörter“ auf einem Rezept gesehen: idiopathisch.

Genau genommen stand auf dem Rezept für einen Mann unter dem Imodium Dauerrezept:

Idiopathische Diarrhoe

Ich musste schmunzeln. Die Person hat also Durchfall … und der Arzt gibt mit dem Wort praktisch zu, dass er keine Ahnung hat, was die Ursache sein könnte.

von griechisch: idios – selbst und  pathos – Leiden

Idiopathisch bedeutet „ohne bekannte Ursache“ oder „als selbstständiger Krankheitszustand“.

Momentan geht ja wieder das Norovirus um – viele Leute haben deswegen Erbrechen und Durchfall, einige (vor allem Kinder) landen deswegen gar im Spital. Aber bei dem Mann muss da ein anderes Problem sein.

30 Kommentare zu „Idiopathisch

  1. Ich mag dieses Wort auch. Auf dem Rezept war „idiopathisch“ wohl auch ein hapax legomenon – eines meiner anderen Lieblingsworte.

    Aber: So unfähig ist der Arzt nicht. Er hat in einem seiner Patienten das primum mobile entdeckt, die Ursache aller Ursachen, der Grund aller darauf folgenden Konsequenzen, die Keimzelle des ganzen Universums.

    Wenn etwas keine Ursache hat, dann muss der Durchfall eben so etwas sein wie der Urknall. :)

    Gefällt 1 Person

      1. Alles hat eine Ursache. Nur läuft dann das so:

        Heilpraktiker 1: „Es muss Elektrosmog sein!“

        Heilpraktiker 2: „Es liegt an der Ernährung!“

        Heilpraktiker 3: „Deine Eltern hatten während der Zeugung eine schlechte Nieren-Energie, und das bedeutet leider, dass du während deinem ganzen Leben kränklich sein wirdst.“ *

        Heilpraktiker 4: „Du hast ein ungelöstes Trauma aus deiner Kindheit.“

        Heilpraktiker 5: „Das liegt bestimmt am Quecksilber von der letzten Grippeimpfung. Ich hab dir ja gesagt, du sollst dich nicht impfen lassen. Hier eine Impfung gegen Quecksilber.“

        Google-User: „Ich habe recherchiert, die Symptome passen zu 100% auf eine Ricin-Vergiftung! Ich wusste, der Schwiegervater hatte mich eingeladen, um mich zu ermorden!“

        „Schulmediziner“: „Wenn ich mir nicht sicher bin, dann bringe ich dir weder eine falsche Hoffnung, noch raube ich dir die Hoffnung. Ich gehe mal davon aus, dass dieser Durchfall wieder verschwindet. Wir suchen weiter, sobald das chronisch wird.“

        Diese fatalistische Sichtweise wird tatsächlich in der Traditionellen Chinesischen Medizin gepredigt.

        Gefällt 1 Person

        1. Nein. Bei Google ist es immer Krebs, wenn man lange genug sucht. IMMER!
          Ich hasse Patienten, die bereits auf der Notfallstatiom das Handy rausholen und meinen „Jetzt bin ich aber gespannt, ob sie das richtige erzählen..“ oder „aber bei Google steht…“ danke. Wer hat hier Medizin studiert?

          Möglicherweise hat der Patient sowas tolles erzählt wie „ich hab Durchfall vom Novalgin. Seit Sonntag! Das Novalgin nehm ich seit gestern, Mittwoch!“ ja, da kann ich nur schmunzeln. Oder es haben gerade eben alle Noro und die Patienten verstehen nicht,dass man den Durchfall NICHT stoppem sollte, ausser in blöden Situationen (der Erreger muss raus. Punkt) oder medizinisch begleitet (hoher Wasserverlust etc). Ansonsten sollte Durchfall eben nicht mit Mesis behandelt werden. Cola und Salzstanden hilft auch gut

          Gefällt 2 Personen

          1. „Jetzt bin ich aber gespannt, ob sie das richtige erzählen..“

            Warum ist man dann in der Notaufnahme?
            Man weiß doch bereits was los ist, und bestimmt auch wie man es richtig behandelt.

            Achso verstehe, Rezeptpflichtige Medikamente, man darf ja seltsamer weiße nur als Arzt ein Rezept ausstellen.

            Like

  2. Dass die Schulmedizin beim Thema Darm auf dem Stand des letzten Jahrhunderts ist, ist leider nichts neues. Traurig, dass der Mediziner nichts weiter zu tun weiss, als Immodium (ausgerechnet!) zu verschreiben. Ich hoffe, der Patient ist clever genug, es nicht dabei zu belassen, und ein bisschen weiter zu recherchieren oder Heilpraktiker aufzusuchen…

    Like

    1. Und die meisten Ärzte sind durchaus in der Lage, die Ursachen zu suchen und eine Vielzahl Möglichkeiten abzuklären. Natürlich kann man daneben auch noch den Heilpraktiker aufsuchen und den eventuellen (nicht nachweisbaren) Pilzbefall im Darm natürlich zu behandeln (Das ist doch die momentan beliebteste Diagnose von diesen? Oder bin ich da nicht up to date?)
      Verzeihung. Aber es gibt sowohl bei den Ärzten als auch bei den Heilpraktikern gute und schlechte.

      Gefällt 2 Personen

    2. Also wenn das Rezept wirklich von heute ist, kann es doch sein, dass der Patient sich irgendwie gegen Ende der Feiertage nochmal richtig mit Essen vollgestopft hat, so richtig schön viel Fett. Manch einer verträgt das nicht so gut. Dann ist der Durchfall auch keine Krankheit oder hat andere mysteriöse Ursachen. Und es braucht keinen Schamanen, sowas ist schlicht unangenehm und hört von selbst wieder auf. Ein Medikament, das die Darmtätigkeit beruhigt, kann da recht hilfreich sein, es macht quasi aus Flüssigkeit Gas und verkürzt das Leiden etwas.

      Gefällt 1 Person

    3. „ein bisschen weiter zu recherchieren“: Im Prinzip ist das eine ganz gute Sache. Das Dumme ist, dass man viel (vernetztes!) Wissen und die Fähigkeit zum kritischen Denken benötigt, um mit eigenen Recherchen Erfolg zu haben.

      Die sogenannte Verfügbarkeitsheuristik kann sehr böse Streiche spielen. Zum Beispiel leidet man selbst unter Diabetes, so dass man oft an Diabetes und seine Symptome denkt. Und wenn jemand anderes ihre Symptome schildert, legt man dieser Person diese Diagnose nahe. Ganz einfach, weil andere Krankheiten im Geist weniger präsent sind.

      Man muss also bewusst, gezielt und ernsthaft nach Hinweisen suchen, die den eigenen Schlussfolgerungen widersprechen. Erst wenn man keine findet, kann man sich sicher sein.

      Eine neuere Entwicklung ist der „Symptom Checker“ von WebMD, ein tolles Werkzeug – sie liefert mögliche Diagnosen, und zwar nach Wahrscheinlichkeit geordnet. Das tolle ist, dass Patienten strukturiert ausgefragt werden, so dass eigentlich kein Symptom unerfasst bleibt. Aber die unzutreffenden Diagnosen muss man immer noch selbst ausschliessen. Oder eben zum Arzt gehen.

      http://symptoms.webmd.com

      Like

    4. Also, dieser Kommentar ist eigentlich (genau wie der letzte auch) eine Unverschämtheit. Nur weil der Arzt zugibt, dass er die Ursache nicht gefunden hat, heißt es doch nicht dass er dumm ist und dass die „Schulmedizin“ (evidenzbasierte Medizin!) nur Müll hervorbringt. Ja, dann lieber noch bisschen googlen (das ist ja mehr Wert als ein sechsjähriges Studium plus fünf Jahre Facharzt) und dann zu nem Heilpraktiker, der in drei Wochenendseminaren esoterischen Quatsch gelernt hat. Das wird auf jeden Fall Besserung bringen.
      Und bloß nicht vergessen, Schwermetalle auszuleiten!

      Gefällt 1 Person

  3. Kommt das öfter vor, dass ein Arzt Imodium auf Dauerrezept aufschreibt? Ist das nicht gefährlich? Und irgendwie dachte ich, gerade bei chronischem Durchfall darf man das nicht nehmen. Aber wäre es nicht chronisch, wozu dann das Dauerrezept? Da sollte doch eine Packung reichen. Aber vielleicht verwechsele ich hier auch gerade irgendwas.

    Like

    1. In der Selbstbehandlung sollte man Loperamid nicht länger am Stück einnehmen (maximal alle 4 Stunden 1 Tabl. a 2mg; maximal 2 Tage am Stück). Diese Einschränkung dient dazu, bakterielle Infektionen des Darms nicht unerkannt (falsch) weiterzubehandeln und dadurch schwere Schäden davonzutragen. Salmonellen wären ein gutes Beispiel, die sollten (im Zweifelsfall) antibiotisch behandelt werden.

      Wenn ein Arzt Loperamid dauerhaft verordnet sollte man davon ausgehen können, dass er die Kontraindikationen für die längerfristige Einnahme abgeklärt und ausgeschlossen hat…

      Like

      1. Ah, dann ist dieser Hinweis also eher ein Schutz für unwissende Patienten und kein Problem mit dem Medikament an sich. Klingt logisch. Ich dachte irgendwie eher, das ist wie bei Abführmitteln oder Nasenspray, irgendwann will der Körper nicht mehr ohne. Vielen Dank.

        Like

        1. Ich erinnere mich an einen Artikel von Pharmama, in dem sie von einer Abführmittel-abhängigen Kundin erzählt hat. Natürlich finde ich den Artikel jetzt nicht. -.-

          Like

          1. Liebe Tatütata, ist es einer dieser drei Artikel? (Mit mehr oder weniger hilfführenden und irrereichenden Inhaltsangaben in Klammern.)

            https://pharmama.ch/2011/04/09/abfuhrmittel-abhangigkeit/ (300 OP 30-30-30)

            https://pharmama.ch/2014/04/05/ein-wirkliches-problem/ („Ich konnte gestern nicht auf die Toilette.“ – „Ja, ich auch nicht, im Spülkasten tummelten sich Seelöwen.“)

            https://pharmama.ch/2008/05/17/sch-tuhlgang/ (Steinharter Pfropf)

            Like

  4. Übrigens, wo wir hier gerade über Durchfall reden: Bitte achtet vor allem bei euren älteren Mitmenschen darauf, dass sie trotzdem genug trinken und versuchen, was zu essen (Cola/Apfelschorle und Salzstangen z.B.). Gerade ältere Menschen schämen sich oft so sehr, wenn bei Durchfall oft was in die Hose geht, dass sie gar nix mehr essen und trinken. Der Opa meines Ex ist deswegen vor ein paar Jahren gestorben, und in den letzten Tagen haben wir auch einige total exsikkierte (ausgetrocknete) Senioren ins Krankenhaus bringen müssen, weil sie sich nicht mehr trauen, zu trinken. Ist aber so wichtig!

    Gefällt 2 Personen

    1. Hatte ich gerade diese Woche, allerdings war es ein junger und sonst gesunder Mann, der wohl was Verdorbenes gegessen hatte.
      Klagte über Kopfschmerzen – Durchfall und Erbrechen seien schon wieder weg. Ich habe ihm dann also geraten, gegen die Kopfschmerzen z.B. Ibu zu nehmen und ausreichend zu trinken, weil er durch den Durchfall viel Wasser verloren habe. Er meinte, er habe eher nichts getrunken, weil er der Meinung war, dass ohne Flüssigkeitszufuhr der Durchfall ja aufhören müsse.
      Diese Meinung konnte ich ihm zum Glück ausreden (denke ich).

      Gefällt 2 Personen

  5. Danke, liebe Pharmama! Ohne diesen Beitrag hätte ich heute nicht verstanden, was mein Tierarzt mit „Idiopathischer Blasenentzündung“ gemeint hat. BTW: Der Miez geht es zum Glück wieder besser.

    Gefällt 1 Person

  6. „Kann man deinen Service eigentlich mieten?

    Falls ja, gehen auch Kaninchen?“

    Klar, OtaconHC. Müsste zuerst eine künstliche Intelligenz (oder eher: Emotion) programmieren, welche verstörende Inhalte erkennt. Denn mein Kommentare-Lesen kann ich nicht beliebig skalieren – ausser ich outsource es an chinesische Klickarbeiter, die ich vorhin fürs Deutschlernen bezahlt habe….

    Like

Was meinst Du dazu? (Wenn Du kommentierst, stimmst Du der Datenschutzerklärung dieses Blogs zu)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..