Habt ihr Hanftee? (Oder: wie legal ist Cannabis in der Schweiz?)

„Habt ihr Hanftee?“

Das fragt mich die polymorbide Stammkundin mit chronischen Schmerzen per Telefon am frühen Morgen. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen total aus der Bahn werfen …

„Meine Therapeutin hat gemeint, das wäre etwas für mich und ich soll in der Apotheke nachfragen, ob ich das bekomme.“

Pharmama: „Uh – das ist nicht etwas das verkehrsfähig ist in der Schweiz. Ich denke nicht, dass ich das bestellen kann … Moment …“

(und während ich das checke bei unseren Drogenlieferanten*  redet sie fröhlich weiter)

Sie (die Therapeutin) hat gemeint das wäre etwas für mich. Ich bin ja so empfindlich und vertrage fast nichts neues, aber ein wenig davon als Tee … sie hat gemeint, das braucht auch nicht viel und für mich muss das auch wirklich nicht stark sein, also ich könnte dasselbe nehmen, wie das, was sie rauchen und einfach nur ein Bröckchen davon aufgiessen …“

Pharmama: „Ja – es ist möglich, dass das etwas für ihre Schmerzen wäre, aber … ich komme da nicht ran. Das hat weder unser Grossist noch einer unserer …Teelieferanten. Keine Chance.“

„Aber … wie bekomme ich das denn? Soll ich bei (andere Apotheke) nachfragen? Die haben doch viel so Naturheilmittel.“

Pharmama: „Die unterstehen den gleichen Gesetzlichen Vorgaben wie wir.“

Ich druckse etwas herum … ich kann ihr nicht raten, das selber anzubauen, obwohl das in ihrem Fall nicht die schlechteste Variante wäre. Hanfkonsum und Anbau ist illegal. In der Praxis bestrafen sie nicht gewerbliche Anwender aber oft recht liberal mit nur etwa 100 Franken (statt der Maximalbusse von 10’000). Aber das Problem bleibt auch da: ich wüsste  nicht, wo man Samen oder so was dafür herbekommt.

Also erzähle ich ihr etwas über die Formen von Cannabis, die man in der Apotheke bekommen kann. Legal … mit den richtigen Voraussetzungen.

Sativex Spray – das ist als Arzneimittel zugelassen und braucht zum Bezug nur ein Betäubungsmittelrezept. Es hat allerdings nur die Indikation MS und die Krankenkasse bezahlt das auch nur für diese Anwendung, ansonsten bleibt der Preis von 645 Franken für die 3 Fläschen zu 10ml am Patienten selber hängen.

Vorher schon gab es Dronabinol Tropfen – auch Cannabisextrakt. Der Bezug braucht aber neben einem Betäubungsmittelrezept ausserdem noch eine Sonderzulassung für jeden einzelnen Patienten, die der Arzt beim BAG (Bundesamt für Gesundheitswesen) beantragen muss. Und auch hier muss die Krankenkasse das nicht bezahlen. Preis hier für 10ml etwa 350 Franken.

Und dann haben wir das natürlich noch in homöopathischer Form oder in der Spagyrik, aber das … bringt ihr kaum etwas.

Aber Cannabis könnte einer Patientin wie ihr wirklich etwas bringen. Sie leidet unter chronischen Schmerzen, die schlecht einstellbar sind. Höchstwahrscheinlich Nerven-bedingt. Cannabisextrakt hat schmerzstillende und krampflösende Eigenschaften – die Wirkung gegen Schmerzen ist dabei auf einen Effekt zurückzuführen wie beim Valium: das THC macht, dass einem die Schmerzen auch etwas mehr „egal“ sind.

Gerade für Leute wie sie, die sich (im Alter einerseits wegen der Beschwerden, andererseits auch aus Ermangelung anderer Beschäftigungen) fast etwas zu sehr mit dem eigenen Körperempfinden befassen wäre das durchaus etwas.

Ich hoffe, dass das bald etwas liberaler gehandhabt wird. Ich brauche nicht unbedingt die das Zeug rauchenden Kiffer in der Apotheke. Aber für diejenigen, die das aus medizinischen Gründen brauchen. Faktisch wäre das auch nicht so teuer in der Herstellung. Cannabis ist einfach anbaubar und auch Extrakte daraus herzustellen dürfte nicht die Welt kosten, da könnte man (wenn das nicht mehr neu und wegen der Regulation so teuer ist) das mit vernünftigen Preisen doch auch von der Krankenkasse übernehmen lassen.

Momentan sind mir in der Apotheke die Hände gebunden, was das angeht.

*Drogen im Sinne von getrocknete Kräuter, natürlich!

26 Kommentare zu „Habt ihr Hanftee? (Oder: wie legal ist Cannabis in der Schweiz?)

  1. Ich durfte bei meinen (ehemaligen) chronischen Rückenschmerzen auch mal die wunderbare Wirkung dieses Krauts erfahren husthusthust oder es war mir einfach egal danach. Für Schmerzpatienten wäre es sicherlich eine Möglichkeit, wenn auch eine nebenwirkungsvolle (nicht jeder verträgt das High sein). Aber ein Trial im Stationären Rahmen wäre sicherlich eine Möglichkeit – doch dafür sind unsere Politiker wohl noch zu verbohrt..

    P.s. meine Rückenschmerzen hab ich mir durch exzessives Krafttraining genommen. Auch wenn es mein Physiotherapeut verboten hat – nur noch Schonung und Pilates hielt ich einfach nicht mehr aus.

    P.s.2: Unser Ophtha-Prof hat uns mal vorgerechnet, wie viel Gras man konsumieren müsste, um einen therapeutischen THC-Spiegel gegen ein Glaukom zu erreichen. Wir wissen heute noch nicht, WIE er das gerechnet hat (Selbstversuch? :D ), aber das Fazit war: Alle halbe Stunde nen Joint, auch nachts.

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    1. Na, mit alle halbe Stunde einen rauchen – da hast Du dann auch die ganzen negativen Erscheinungen vom Rauchen selber, inklusiver erhöhtem Krebsrisiko.

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      1. Das war dann (neben der Zeitintensivität) auch seine Aussage. Obwohl man THC ja auch anders aufnehmen kann – aber DIE Mengen haben wir uns garnicht vorstellen können.

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  2. Anbau ist wirklich nicht schwierig, das Zeug wächst wie Unkraut.
    Der ganze Aufriss der „Grower“ wird nur gemacht um den ertrag zu maximieren.

    Auch extrahieren ist scheinbar mit wirklich einfachsten Mitteln machbar.

    Ich hoffe dass doch irgendwann mal das Zeug legalisiert wird.

    Dann aber eventuell keine Apotheken belästigen mit lauter Kiffern, sondern wie in den USA mit speziellen Shops.

    Und falls von Krankenkasse wegen Krankheit übernommen, dann auf jeden Fall aus der Apotheke.

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    1. Ja, sie könnten wirklich standardisierte Extrakte günstiger bringen und mehr Indikationen definieren, für die das nach Abklärung übernommen wird. Das wäre doch was. Zeugs zum rauchen will ich aber nicht verkaufen (müssen).

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      1. Da sind wir uns ja einige denke ich :)

        Extrakte sind übrigens in den USA in Form von Edibles auch bei Recreational Use am beliebsten. Bringt die Nebeneffekte des Rauchens nicht mit, und wirkt länger und intensiver.

        Falls du das nicht getan hast, solltest du mal schauen online was die da so anbieten. Da gibt es mehr Auswahl an Süßkram mit Extrakt als man bei uns in manchem Supermarkt normale Süßigkeiten bekommt.

        Ben & Jerrys haben auch geäußert dass sie, für Staaten wo es als recreational legal ist, eine Eiscreme mit Extrakt entwickeln.

        Mittlerweile verstehe ich die Zurückhaltung unserer Politik nicht mehr so ganz.

        In den USA sieht man doch wie sich plötzlich so viele Statistiken zum guten wenden.
        Es werden weniger Antidepressiva verschrieben, weniger Schmerzmittel bei chronischen Patienten.
        Sinkende Suizidzahlen, mehr Steuereinnahmen….

        Gerade das letzte, da müssten die Politiker doch sabbernd mit dem Taschenrechner da sitzen.

        Selbst wenn es nur für Medizinische Zwecke ist.
        Es ist keine Wunderwaffe, und kann auch negative Wirkungen haben, aber die positiven Ergebnisse die man im medizinischen Bereich damit erzielt kann man doch nicht krampfhaft weiter ignorieren :(

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  3. @Pharmama:
    Hehe, Drogenlieferant. Ein Insiderwitz für Pharmazeuten…

    @Kathy
    Die gibt es so eine lustige Stelle bei den Simpsons… Die Polizei will Bart als Einbrecher bei einem Blinden festnehmen (der Barts nicht bezahlten „Super“hund als Blindenhund bekommen hat), und der Hund findet dann die Joints. Der Blinde redet sich raus: Das ist Medizin! Wenn ich die nicht nehme, werde ich… äh… NOCH blinder! Die Polizei ruft dann Verstärkung, schickt Bart nach Hause – und die Verstärkung bringt Bier und einen Ghettoblaster mit… ;-)

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    1. Das lustigste, was ich in die Richtung gesehen habe war ein Reporter neben einem brennenden Haufen Hanf, der verzweifelt versucht sich solange zusammenzureissen, eine einigermassen ernste Aufnahme in den Kasten zu bringen. Dooferweise stand er etwas in Windrichtung, weshalb er gescheitert ist.

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        1. Herrlich! :D :D

          Man soll jegliches Zeug nicht in hohen Dosen konsumieren. Coladosen sind okay, die sind nicht so hoch…

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  4. Als Tee??? Macht das überhaupt Sinn? THC hat doch lipophilen Charakter.
    Wir stellen im KH recht regelmäßig Dronabinol-Tropfen nach NRF her und die sind auf öliger Basis.

    Mit dem Selbstanbau habe ich persönlich Schwierigkeiten. Pflanzen sind lebendige Organismen, die sich in ihren Wirkstoffen je nach Jahreszeit/Wetter/Düngung etc. unterschiedlich entwickeln können. Im Gegensatz zu einem standartisierten Extrakt samt Rezeptur, hat der Anwender nicht unbedingt die Garantie einer gleichmäßigen Dosis.
    Da wären kontrollierte FAM doch wesentlich angenehmer in der Anwendung und die sollten die Kassen auch bezahlen müssen.

    Ob die pauschale Legalisierung den chronisch bis totkranken Patienten hilft, halte ich insgesamt für fraglich.

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    1. Du musst den Tee natürlich mit etwas Milch machen …
      Das mit den Schwankungen beim Anbau/Extrahieren stimmt und ist ein Grund, weshalb es heute standardisierte Phytotherapeutika gibt. Aber da es die bei dem (eben) noch nicht so erhältlich gibt …

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    2. THC ist ja nicht der einzige Bestandteil im Hanf. Ich bin ja in einigen Epilepsieforen unterwegs und da geht es eher um CBD als wirksamen Bestandteil – das THC ist ein eher (mehr oder weniger) lästiger „Nebeneffekt“.

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    3. Ob das direkt auskochen was bringt wage ich auch zu bezweifeln.

      Aber wenn man ein Extrakt in den Tee gibt, das sollte funktionieren…… JETZT wird mir klar warum die Engländer immer so entspannt sind :)

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  5. Vielleicht meinte die Dame ja wirklich Tee aus Speisehanf und nicht aus Rauschhanf. Der sollte doch in unseren beiden Ländern legal erhältlich sein. Sogar der in jeder deutschen Fußgängerzone präsente „TeeGschwendner“ hat das Zeugs im Angebot.

    Mir fehlt jetzt die Erfahrung, aber würde ein wässriger Teeauszug aus Raushanf wirklich etwas bringen? THC ist doch ziemlich lipophil. Würde sich das überhaupt lösen?

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    1. SIehe oben: mit Milch als Emulgator und lipophiler Substanz sollte das möglich sein. Aber dass Speisehanf da überhaupt eine Wirkung hat über den Geschmack hinaus, wage ich zu bezweifeln – und deshalb hat sie (respektive ihre Therapeutin) das auch kaum gemeint.

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      1. Katharina und ich haben nahezu zeitgleich gepostet. Die Antworten haben sich überschnitten. Daher der doppelte Hinweis auf die schlechte Löslichkeit von THC in Wasser.

        Technologisch betrachtet: Ob ein Spritzer Milch die Löslichkeit wirklich effektiv verbessert, wage ich stark zu bezweifeln. Wie Katharina schon schreibt, benötigt man für eine vernünftige Extraktion eine lipophile Grundlage.

        Ich glaube mich auch zu erinnern, dass THC durch eine Verbrennungsreaktion „aktiviert“ werden muss, wenn es eine pharmakologische Wirksamkeit haben soll (chemisch: THC muss oxidiert werden). Daher wird das Zeugs von den Konsumenten geraucht oder in Kekse eingebacken, die vorher im Backofen bei 200 °C „oxidiert“ wurden.. Da ich da allerdings Null praktische Erfahrung habe, mag ich mich da täuschen.

        Meine Überlegung ist diese: Wenn es sich bei dem Therapeuten um einen Arzt handelt, dann setze ich voraus, dass dieser um die rechtliche Situation von Hanf/Cannabis Bescheid weiß. Meiner Ansicht nach würde kein approbierter Arzt einer Patientin empfehlen, sich THC-haltigen Hanf in der Apotheke – mal einfach so – zu organisieren. So ein Arzt ist doch auch nicht blöd.

        Ich könnte mir daher vorstellen, dass der Therapeut/Arzt wirklich THC-freien Hanftee empfohlen hat. Den gibt es legal überall zu kaufen. Mehr oder weniger ist doch das der gleiche Grund, aus dem ein evidenzbasiert arbeitender Arzt Homöopathie, Schüssler-Salze oder Rescue-Tropfen empfiehlt. Wenn der Placeboeffekt die Krankheit lindern würde, ist das doch super.

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        1. Nope, war eine Physiotherapeutin, die das aufgrund von Sachen, die sie im Internet gelesen hat empfohlen hat. Und sie hat extra gesagt, die Patientin soll dafür in der Apotheke nachfragen, damit es auch das richtige Zeugs ist …

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          1. approbierte Physiotherapeuten hab ich (leider) auch in den Nähe – genauso wie approbierte Podologen und Friseure … :-(

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          2. Dann scheint die Frau nicht ganz helle zu sein.

            Sonst wäre ihr klar dass es hierbei in der Regel um Artikel geht aus Ländern wo das „richtige Zeug“ legal ist. Also wohl vor allem einige der US Bundesstaaten wie Colorado.

            Das ist aber wieder das Problem. Die Leute lesen was im Internet…… das wars dann aber auch schon. Komplette Gedankengänge werden da anscheinend keine verschwendet.

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        2. Es sind 200°F, das sind so 93°C im Kopf überschlagen?

          Das dient aber nur der maxmimierung der Wirkung. Es ist anscheinend nicht zwingend notwendig.

          Wobei die wirklich stärkste gesundheitliche Wirkung ja vom CBD kommen soll.

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  6. Interessant sind für die medizinische Anwendung nur Produkte mit hohem Cannabidiol Wert, hier wirkt das CDB dem psychotropen Effekt des THC entgegen.
    In meinem Feld könnte CDB in der Behandlung von Psychosen interessant werden.
    Die Funktion des Endocannabinoidsystems als körpereigene Abwehr von Psychosen ist ja bereits bekannt.

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  7. Den „Drogenlieferant“ kenne ich nicht. Ich sprach immer davon, noch zu meinem zertifiziertem BTM-Dealer zu müssen, wenn ich ein BTM-Rezept in der Apotheke einlösen wollte.

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  8. Abgabe nur beim verordnenden Arzt, der das Medikament per Rezept von der Apotheke erhält, analog zur Heroinsubstitution mit Polamidon.

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    1. Erinnere hier gerne noch einmal an den Schizophrenie-auslösenden Effekt des Cannabis: Neulich hatte ich in der Sprechstunde einen Patienten, der nach Cannabisgebrauch nicht nur wahnhafte Gedanken hatte sondern auch noch solche Aggressionen, dass er die Katze seiner Freundin heimlich mit einem Spaten erschlug.

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