Hilfe! (Erste)

Ohne Apotheke_r(3)

Seit ich blogge habe ich immer ein Auge offen, ob und was es da für andere Apothekenblogs gibt. 2011 hat Apobandicoot angefangen zu bloggen … und viel zu früh (finde ich) wieder aufgehört. Jetzt hat er meinen Aufruf gelesen und mir seine Geschichten geschickt – und daraus habe ich eine herausgepickt für die Blogparade:

Heute möchte ich ausnahmsweise einmal nicht von merkwürdiger Kundschaft oder verschrobenen Kollegen erzählen, sondern mich nur ein wenig über das Thema Hilfe, oder vielmehr „Erste Hilfe“ auslassen.

Jüngstens hatte ich eine Kundin, die mir von ihrem gerade zurückliegenden Arztbesuch erzählt, bis sie plötzlich beginnt zu taumeln. Ihr wird schwindelig und ich reiche ihr geschwind meinen Arm und einen Stuhl sowie ein Glas Wasser. Wie es so viele Menschen machen, schlägt sie den gut gemeinten Rat sofort wieder zum Doktor zu gehen aus und möchte zunächst erst einmal sitzen bleiben. Doch innerhalb weniger Minuten verschlechtert sich der Zustand der Dame merklich. Das Schwindelgefühl lässt nicht nach, die Farbe verschwindet aus ihrem Gesicht und der Blutdruck geht ab. In diesem Moment ist mir die Meinung der Frau herzlich egal und ich kontaktiere ihren Hausarzt, der seine Praxis nur zwei Häuser weiter hat. Schnell klärt sich, der eventuelle Grund. Allergische Reaktion auf das Lokalanästhetikum. Der Doktor kommt sofort herüber und nimmt die Patientin wieder unter seine Fittiche.

Wenige Wochen zuvor stürzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine ältere Dame, die noch vor wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wurde und uns bei jedem ihrer Besuche erzählt, dass sie ja eigentlich nichts hätte und der Schwindel nur ab und an da wäre. Ins Krankenhaus wolle sie jedenfalls nie wieder. Da schon einige Passanten bei der Dame Hilfe leisten, greife ich nur noch zum Telefon und wähle 112. Auch hier ist mir die Meinung der Frau herzlich egal.

Vor wenigen Wochen jedoch, ich hatte einen freien Tag, bricht hinter der Apotheke ein Mann mittleren Alters zusammen. Seine Lebensgefährtin stürmt restlos aufgelöst zu uns hinein, wir kontaktieren den Notarzt und eine Kollegin eilt zur Hilfe. Der Mann atmet zunächst noch, doch verschlechtert sich der Zustand immer mehr und vom Rettungsdienst ist nichts zu sehen. Sekunden werden in diesem Moment zu Stunden. Leider ist die Kollegin nicht in der Lage, über gutes Zureden und Kontrolle der Vitalfunktionen (die aber leider just aussetzen) hinaus, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Und auch die zweite Kollegin mit EH-Schein kann dies nicht. Gott sei Dank erscheint der Rettungswagen noch rechtzeitig und kann den Mann wiederbeleben. Als ich am nächsten Tag erscheine und die Geschichte so erzählt bekomme, finde ich zwei noch immer völlig aufgelöste Kolleginnen vor. Das wären vielleicht tolle Schlagzeilen in der lokalen Presse: „Mann starb an Herzinfarkt. Hinter einer Apotheke!“

Ich kann meinen Mitarbeitern noch nicht einmal einen echten Vorwurf machen, weil sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan haben. Andererseits frage ich mich, warum die Hemmschwelle trotz eines Erste-Hilfe-Scheins so groß ist? Aber wenigstens wurde etwas getan. Ich war auch schon in Etablissements, in denen nichts getan wurde, geschweige denn, dass ein Kursus mal aufgefrischt wurde. Wir verstehen uns doch als Gesundheitsberater und Helfer, wenn ich mich recht erinnere. Warum sind einige dann nicht in der Lage, diesem Begriff in einer Notsituation gerecht zu werden? Ein Mensch braucht schnelle professionelle Hilfe, die über das Schubladenziehen hinausgeht. Natürlich kann man niemanden verdonnern einen EH-Kurs zu machen. Natürlich geht dabei ein Wochenende drauf, das ich mir auch mit anderen, angenehmeren Tätigkeiten vorstellen kann. Nur was wäre, wenn sie da liegen würden? Würden sie nicht auch darum betteln, dass ihnen jemand hilft? Hat das nicht irgendwas mit Menschlichkeit zu tun, jemandem in Not zu helfen? Ach ja, eine letzte Frage noch: Wie alt ist ihr letzter Erste Hilfe Kurs?

Ja, das ist etwas, das ich auch unterstütze. Bei uns im Studium ist Erste Hilfe eine Pflichtlektion und man braucht das für den Auto-Führerschein … aber es ist wichtig, dass man da regelmässig Auffrischkurse macht, denn … was Apobandicoot schreibt ist nicht ungewöhnlich: auch wir sehen fast regelmässig Notsituationen in der Apotheke. Da ist es gut, wenn man weiss, wie helfen.

14 Kommentare zu „Hilfe! (Erste)

  1. An sich schöne Geschichte, bei uns in der Firma gibt es an jedem Standort einen ausgebildeten Ersthelfer, ich dachte bis jetzt, das wäre Pflicht, sollte man vielleicht einführen :)

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  2. Es kommt leider nicht nur darauf an, einen EH-Kurs zu machen. Er sollte auch gut sein. Ich habe zwei ‚große‘ Wochenendkurse gemacht und drei Mal diesen 1-tägigen, der auch für den Führerschein benötigt wird.
    Die langen Kurse fand ich gut, super und die Anleiter waren engagiert etc. Die kurzen Kurse? Zwei davon waren echt schlecht. Die Hälfte des Kurses ist mit der Auffassung, dass Mehl auf Brandwunden käme (NEIN! kommt es nicht) in die Pause gegangen. Aufgelöst wurde in den letzten zehn Minuten des Kurses. In Bezug auf stabile Seitenlage und Wiederbelebung wurde der Eindruck vermittelt, es sei sehr wahrscheinlich, dass etwas falsch gemacht werde und das dürfe keinesfalls passieren. Da ist es doch nachvollziehbar, wenn jemand lieber nix macht, oder?
    Das traurige ist – der bildet hauptberuflich aus. Es ist eine Stelle, die das im Akkord anbietet (bis zu 4 Kurse á 25 Teilnehmende am Tag).

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    1. Auuuu. Mehl auf Brandwunde. Darf dann gerne unter Vollnarkose wieder entfernt werden, weils so unglaublich schmerzhaft ist…

      Mehl gehört nur auf eine Brandwunde, wenn sich letztere in einer Bratpfanne befindet. Dann kann man das Mehl schön anrösten und dann mit etwas Rahm, Milch oder Wein ablöschen. Das Tier ist dann schon tot.

      Wenn ein Akkord-Kursgeber dann noch auf Teilnehmer trifft, die medizinisch noch gänzlich unbewandert sind… aua.

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    2. Oh Mann! Wir haben in einem langen(!) EH-Kurs schon erzählt bekommen, daß man bei Beinvenenthrombose einen Tourniquet zum Abbinden(!!!) verwednen solle. Ahhhhhhh!!! Einer der Gründe, warum ich selbst gerne Kurse gebe… es gibt schon zu viele schlechte.

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  3. Also, ich habe vier Kurse:
    – Nothelfer (für den Führerschein, eigentlich – aber ich brauchte ihn für die Zulassung zum Alpenclub-Tourenleiterkurs), 10 Stunden
    – Samariterkurs (um Postendienst zu leisten mit den Samaritern), 14 Stunden. Da werden auch Dinge wie psychische Ausnahmezustände, Epilepsie und Wundverbände geübt.
    – weils gratis war: Nothelfer (innerhalb des Alpenclubs, mit Fokus auf typische Situationen am Berg), 10 Stunden
    – BLS-AED Grundkurs, ca. 6 Stunden

    Den BLS-AED hatte ich glaubs letztes Jahr. Und dazu kommt, dass man als aktiver Samariter eigentlich ständig Notfallsituationen übt.

    Wichtig bei den Ersthelferkursen finde ich:
    – Viel Zeit, um alle Themen schön zu besprechen, bis sie verstanden wurden. Genau aus den Gründen, die Radfahrerin erwähnt hat. Wer zuviel auf ein Mal lernt, lernt nichts. Und wenn dann mal Unfall passiert, hat man ein Chaos im Kopf…
    – Der Kurs sollte wenn möglich von einem Rettungssanitäter geleitet oder begleitet werden. Da habens die Deutschen viel besser – DRK, ASB, Johanniter und andere bilden einerseits Laien aus, und andrerseits besitzen sie selbst Rettungswachen und Rettungswagen.
    – Irgendwann in der Weiterbildung muss der Fokus auf CRM gelegt werden. Crew Resource Management. Die erste Person, die zu einem Patienten hingeht, ist sehr oft eine, die sich die Hilfeleistung zutraut. Und diese Person übernimmt dann das Kommando: DU gehst jetzt zu dieser Apotheke und holst weitere Hilfe! DU rufst die Nummer 112! IHR geht jetzt einen Defibrillator suchen – in diesem Bahnhof ist das ein hellgründes Ding in einem dunkelgrünen Kasten! DU gehst jetzt zur Einfahrt und leitest den Rettungswagen hierhin! Für sehr viele Leute ist es hilfreich, wenn ihnen grad ein „Job“ gegeben wird, so dass sie nachher sicher sind, etwas geholfen zu haben – sehr wertvoll im Chaos eines echten Unfalls. Um in einem Notfall auch noch andere Leute anzuleiten muss man allerdings sehr routiniert sein.

    Üben, üben, üben! Und gerne sich mal ein Szenario ausdenken: Wenn ich jetzt hier einen Patienten mit diesen und jenen Verletzungen/Symptome habe – was muss ich tun? Was kann ich tun? Was, wenn da gerade kein Handyempfang ist? Und ich keine Landkarte habe, um zu schauen, wo sich die nächste Strasse befindet, und ich vielleicht einen Autofahrer stoppen kann?

    Naja, wem dies aber alles zu schwierig ist… http://www.20min.ch/schweiz/zuerich/story/13462895

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  4. die allererste erste hilfe ist heutzutage mal ggf. (um die situation) herumstehende leute zu fragen, ob denn schon hilfe („krankenwagen“) gerufen wurde?! oder ob alle nur da stehen und gaffen, filmen oder beratschlagen. entfällt, wenn man alleine mit dem nofall ist, is klar.

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  5. Das erschreckt mich nun doch ein wenig, grad weil ihr in der Apotheke, wie du ja auch schreibst, öfter mal Notfallsituationen habt. Ich ging bis gerade davon aus, dass ihr zumindest regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse macht. Müsst ihr nicht eh jedes Jahr Fortbildungen nachweisen? EH-Kurse oder auch Notfalltrainings (auf jede Firma einzeln abgestimmt) sind doch gut für Angestellte und Kunden, außerdem lässt sich doch sowas von der Steuer absetzen und ist gut fürs Team…
    EINEN Ersthelfer finde ich immer doof, wenn man den mal braucht hat er mit Sicherheit grad frei…

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    1. Es geht meist nicht nur um die erste Hilfe Kurse. Man muss sich dann auch getrauen etwas zu machen … und manchmal auch gegen den Willen des Patienten zu handeln (wie oben). Das braucht viel Überwindung. Da reicht das Wissen alleine nicht.

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    1. Ja, das ist sehr bitter. Dabei gibt es ja Hilfe dabei, die Dinge wieder in Schuss zu bekommen – Lehrbücher, ein befreundetes Samariter/DRK/whatever-Mitglied zu fragen, oder wieder mal in einen Kurs gehen. Aber anscheinend muss immer etwas passieren, damit man sich mal Gedanken macht.

      Wenn es uns auf dem Postendienst langweilig ist, testen wir uns gegenseitig mit „Wie handelst du in dieser Situation?“…

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  6. Dass es in der Apotheke Leute gibt, die sich im Ernstfall nicht trauen zu helfen, hätte ich jetzt weniger vermutet. Gerade weil da ja öfters mal was vorkommt.

    Ich selbst habe mich als Ersthelferin gemeldet. In der Arbeit wird das von der Personalabteilung durchaus ernst genommen. Gesetzlich vorgeschrieben sind Auffrischungskurse meines Wissens nach alle zwei Jahre. (da gab es kürzlich eine Änderung, können auch nur alle 4 sein) Bei uns gibt es aber jedes Jahr Auffrischungskurse und es werden auch alle angehalten jedes Jahr einen zu besuchen. Spätestens eben alle zwei Jahre. Die Kurse werden von einem Sanitäter des Roten Kreuzes durchgeführt, die Arbeitsmedizinerin kommt auch immer kurz vorbei um nochmal die innerbetriebliche Rettungskette vorzutragen. Diese Kurse finden in der Arbeitszeit statt und werden natürlich auch vom Arbeitgeber bezahlt.

    Meinen letzten Erste Hilfe-Kurs habe ich vor ca. 6 Monaten besucht. Ca. Oktober/November findet der nächste statt.

    Zum Glück hatte ich noch keinen größeren Notfall, aber ich wurde schon hin und wieder gerufen. Das schlimmste war bei mir bisher eine etwas stärker blutende Schnittverletzung.

    Hauptsächlich bin ich aber auch dafür da um die Vollständigkeit der Erste Hilfe-Koffer zu überprüfen. In unserem Haus haben wir auch meines Wissens nach zwei (oder waren es drei?) Defibrillatoren.

    turtle hat CRM angesprochen. Bei uns wird darauf sehr großen Wert gelegt. Der Ersthelfer soll immer beim Patienten bleiben und sofern er nicht alleine ist (zum Beispiel ganz früh oder sehr spät könnte das sein) unbedingt andere zur Hilfe einteilen. Jemand ruft die Rettung, ein anderer läuft zum Eingang um die Sanitäter durchs Gebäude zu lotsen und informiert gleichzeitig auch den Portier und die Polizei. (Anm.: die bewacht das Tor etc. und sonst kommt hier niemand ins Gebäude) Wenn ein Defibrillator benötigt wird gehen zwei zum Eingang, denn der nächste Defibrillator (vom meinem Arbeitsort aus) befindet sich beim Portier. Ein anderer holt den Erste Hilfe-Koffer.

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