Wie praktisch!

Ich kann mir schon vorstellen, wie das gegangen ist: „Ah, Herr …, und  Ihre Medikamente lassen wir grad wieder zu Ihnen nach Hause kommen, wie auch schon. Ist das nicht praktisch?“

zurrose

Das sind 5 volle, ungeöffnete und knapp vor dem Ablaufdatum retournierte Packungen Metfin zu je 120 Tabletten. Wortlos gebracht von einem Mann – dem Patienten? Die Dosierungsetiketten zeigen, dass die Medikamente von der Versandapotheke „zur Rose“  abgegeben wurden. Sie wurden von uns unkenntlich gemacht, bevor wir die entsorgen gehen, um das Patientengeheimnis zu wahren.

Klar – das ist Metformin und deshalb nicht ein sehr teures Medikament, aber mir tut so was weh zu sehen (was für eine Verschwendung!!)  und wir haben schon viele Medikamente so zurücknehmen „dürfen“, auch wirklich teures: Seroquel, Fragmin, Xarelto …

Eines der Argumente für die Abgabe von Medikamenten beim Arzt (und Dank dem Etikett weiss ich, dass der Versand von einem Arzt initiert wurde) ist dass dann besser kontrolliert werden kann, ob etwas wirklich genommen wird. Nun – hier sieht man deutlich, dass „abgegeben“ nicht gleich „genommen“ ist. Ich habe dergleichen auch schon bei Medikamenten vom selbstdispensierenden Arzt gesehen.

Und nicht genommene Medikamente kommen das Gesundheitssystem teuer zu stehen. Nicht nur, dass dafür bezahlt wurde – so hatten sie natürlich auch keinerlei Wirkung … und schicken den Arzt dann gelegentlich auf wahre Odyseen auf der Suche nach etwas, das funktioniert.

Inzwischen habe ich ein „Update“ bekommen von Mister Em, auch Apotheker in der Schweiz. Er schickte mir dieses Bild

Retoure-SD-Arzt

und schreibt dazu:

Hier noch ein Bild passend zu deinem Bericht. Es handelt sich um eine Retoure einer Dame, deren Mutter verstorben ist. Sie hatte sich schon länger Sorgen gemacht, weil es ihrer Mutter mit Diabetes usw. immer schlechter ging. Darauf hat sie beim Arzt nachgefragt und bekam nur zu Antwort alles ok, kurz darauf ist die Mutter aufgrund Hyperglykämie ins Spital gekommen und verstorben. Die Packungen sind alle unangetastet und teilweise mit gleichen Chargennummern. Es handelt sich sicher um einen 2 Jahresvorrat! Da fand offensichtlich keinerlei Kontrolle statt, sondern es wurde lediglich fleissig verkauft. Hätte die Mutter ein Rezept bekommen, hätten wir es bemerkt, dass die Bezüge nicht passen, oder sie hätte das Rezept gar nicht eingelöst, dann hätte es „wenigstens“ auch nichts gekostet.

Das sind Medikamente im Wert von etwa 900 Franken. Das mit den gleichen Chargennummern deutet darauf hin, dass sie entweder zeitlich in engen Rahmen bezogen wurden oder dass der Arzt nicht einen grossen Lagerumschlag hat und nur die eine Patientin (wobei das bei den Antidiabetika, Blutdruckmitteln und Blutverdünner nicht zu erwarten ist). Und dass die Frau dann mit entgleistem Diabetes ins Spital gekommen ist und dort gestorben ist – das ist tragisch.

Übrigens merkt Mister Em an:

Wir geben mittlerweile übrigens die 3 Franken, die wir für die Entsorgung bezahlen an die Patienten weiter, vor allem wenn die Medikamente überhaupt nicht über uns bezogen wurden.

Finde ich ok.

19 Kommentare zu „Wie praktisch!

    1. wenns doch aber vom Halbgott in weiss persönlich kommt, dann MUSS man es doch nehmen, sonst ists ja Blasphemie!
      Ironieoff

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      1. Ich käme nicht auf die Idee zu glauben, dass die Compliance besser ist, wenn ich dem Patienten eine Onlineapotheke vermittle, als wenn er seinen Kram selber holt oder bestellt. Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur Student.

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        1. Wobei Patienten, die ihre Medis nicht nehmen wollen, egal ist, von wem sie die bekommen.
          Versandtapotheke, Apotheke oder SD-Arzt.. wobei sie im Falle der Selbstbesorgung die Medis einfach nicht besorgen und der Arzt es von daher auch nicht merken wird (aber im Gegenzug kostet es auch dem Gesundheitssystem kein Geld – wobei ich dieses Argument als deutlich nachrangig gegenüber dem Gesundheitsargument sehe)

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          1. Das war mir auch schon aufgefallen. Ich denke, dass das auch gemeint ist. Der Arzt kann, wenn er die Medikamente selbst abgibt, immerhin garantieren, dass der Patient die Medikamente erhalten hat. Nicht mehr und nicht weniger.
            Da können die Apotheken auch nicht mehr tun.

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  1. Öhm klar, wenn ich ein Medikament nicht nehmen will, werde ich es ganz bestimmt eher nehmen, wenn ich es zugeschickt bekomme. Hallo, Logik? Natürlich nicht, es wurde nur mehr ausgegeben und (eventuell problematischer) Müll produziert…

    Dazu noch der Punkt, das, sofern es nicht via Briefkasten ankommen kann, der Versand für eventuell komplizierter ist…
    Bei mir wäre zu den Zeiten, wo hier die Pakete kommen, für gewöhnlich niemand da oder wach… Also müßte dafür entweder jemand bereit stehen und warten oder der Sendung nachrennen.
    Dazu gibt es je nach Gehgeschwindigkeit alleine im Umkreis von fünf Minuten meiner Hausärztin mindestens zwei oder drei Apotheken…
    Zumindest in städtischen Gebieten ist das sicher keine seltene Konstellation und so etwas
    dürfte es doch den einen oder anderen, der eigentlich seine Medis nehmen würde so nerven, das er es dann doch nicht mehr wird… sprich wenn überhaupt sehe ich es als Compliance verringernd…

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    1. Argh, es sollte natürlich „für einige eventuell“ nicht „für eventuell“ heißen
      und ein „extra“ würde noch vor das „bereitstehen“ gehören, dafür ist nach „etwas“ ein unnötiger Zeilenumbruch….

      Hier „_______________“ bitte eine gute Ausrede für diese Unaufmerksmkeitsansammlung einfügen, die Leerzeile darf natürlich nach Bedarf erweitert werden!

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  2. hmm – ich habe noch die „Eier“ meinem Arzt zu sagen, dass ich Medikament XY nicht einehmen möchte!

    Es einfach zu beziehen und dann aufzubewahren, ist m.E. – naja…!

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    1. Dialog mit dem Arzt suchen => Gut! Es gibt of mehrere Lösungen für eine Krankheit.
      Medikamente nicht nehmen wollen => Hmm, warum? Echte Probleme damit oder nur Beipackzettel gelesen und zusammengezuckt? Bei letzterem Thema sind leider viele Leute schlecht informiert und nehmen selbst sehr gute Medikamente prophylaktisch nicht. Dann halt lieber 20 Jahre zu früh sterben. Den Arzt wird nichts gesagt, weil der ist ja Halbgott, oder die Patienten trauen sich einfach nicht etwas zu sagen.

      Non-Compliance ist leider einer der grössten Kostenfaktoren im Gesundheitswesen und generiert Krankenhaus- und Pflegekosten, verminderte Lebensqualität oft noch dazu. Leider sind die oberflächlichen Kosten wie Arzneimittelausgaben einfacher zu messen, darum arbeitet die Politik halt lieber daran, diese zu senken. Letztendlich ein Teufelskreis.
      Jeder der in einer Apotheke arbeitet kennt solche Bilder wie obige Vernichtungsaktionen. Oder zumindest die volle Hausapotheke mit einer zweistelligen Anzahl angebrochener Packungen von denen der Großteil sogar genutzt wird. Wenn man es schaffen würde, dass jeder Patient die Arzneimittel konsequent nimmt welche er braucht, dann wäre das Gesundheitssystem in einem viel besseren Zustand. Vorausgesetzt, diese Arzneimittel-Zusammenstellung ist gemeinsam mit Arzt und Apotheke sorgfältig erarbeitet und möglichst nebenwirkungsarm. Dazu gehören auch ein paar Fehlversuche. Aber das kostet Zeit und dafür bekommen weder Apotheke noch Arzt Geld. Leider.

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      1. Obwohl (oder weil?) ich seit früher Kindheit auf Medikamente angewiesen bin, würde ich mich als sehr vorsichtig und zögerliche Medikamentekonsumentin bezeichnen. So nehme ich wegen den erwarteten (Neben)wirkungen hormonelle Kontrazeption nicht und zB. Schmerzmittel nur extrem zurückhaltend. Vitamine, Spuren- und Mengenelemente nehme ich nur, wenn eine Lebensanpassung (Sonnentanken, Ernährung) zu aufwändig ist (obwohl ich nicht mit Nebenwirkungen rechne). Einmal habe ich sogar – in Absprache mit Ärzten, Apothekerin und Krankenkasse – versuchsweise Grapefruitsaft getrunken um die Dosis meines teuren Hauptmedikamentes zu senken.

        Dank geduldigen ApothekerInnen und ÄrztInnen und gezielten Internetrecherchen, weiss ich, welche Medikamente ich problemlos gelegentlich vergessen kann. Aber auch, welche ich so genau einnehmen muss, dass eine mehrfache Absicherung (bei mir tragen und (Not)depots) sinnvoll ist, wie ich mich bei Verdauungsproblemen (zB. Norovirus) verhalten soll und wie ich die Wirkung im Notfall theoretisch verlängern bzw. verstärken könnte.

        Ich würde deshalb allen PatientInnen raten, ihre bedenken mit den beteiligten Fachpersonen zu besprechen, selber zu entscheiden und dies deutlich zu kommunizieren (auch schriftlich mittels Patientenverfügung). Nicht nur bei Medikamenten sondern vor allem auch bei (Vorsorge)untersuchungen, Medizinischen Eingriffen und Behandlungen.

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  3. Aua… das Beispiel von Mister Em. :(

    Wie kann man bei Metformin die regelmässige Einnahme überwachen? Am besten mit einem Dauerrezept, das in der selben Apo eingelöst werden soll?

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    1. Ja, so etwas ist machbar.
      Die aktuellen Softwareprogramme leisten das bereits und können berechnen, ob zuviel oder zuwenig genommen wird. Dann muss diese Person aber auch in dieselbe Apotheke gehen, sonst ist das witzlos. Und natürlich der Speicherung der Daten zustimmen.

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    2. Ich denke, da ist die Kontrolle der Wirkung der Medikation gemeint. Mit dem Langzeit-Blutzucker-Wert (Hb1a) kann man gut sehen, ob der Bz eingestellt ist, selbst wenn die Patientin an dem Tag mal die Tabletten genommen hat. Wenn der Arzt das natürlich nicht macht und einfach weiter Medikamente abgibt, dann bekommen wir so Situationen, wie oben.
      In der Apotheke kann man dann anhand der Bezugsintervalle bei bekannter Dosierung auch sehen, ob die Medikamente richtig genommen werden (obwohl es da selten auch so Schlaumeier gibt … Das verstehe ich gar nicht)

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  4. Das ist eines der wenigen Dinge die ich unserer Ehemaligen Hausärztin zu gute halten muss.

    Alle 2 Wochen kam sie zu meinem Großvater, und jedes mal gab es neben einem kurzen Gespräch, abhören mit Stethoskop auch eine Blutzuckermessung.
    Was mein Opa immer sehr doof gefunden hat, weil er da ja vorher nichts essen durfte.
    Sie kam aber auch immer sehr früh, so gegen 7 Uhr :)

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  5. Hm. Da möchte ich mal wissen, wie die Lage in Deutschland aussieht, wo niemand nachvollziehen kann, wieviele Medikamente ungenutzt bezogen wurden, da die hier ja nicht zurückgegeben werden, sondern im Hausmüll entsorgt werden können.

    Ich denke, wenn die Rückgabe den Patienten künftig bei euch Geld kostet, werden auch bei euch mehr und mehr auf die Idee kommen, das Zeug einfach in den Müll zu schmeißen, oder?

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    1. Die Entsorgung ungenutzter Medikamente im Hausmüll ist vom Bundesministerium für Wirtschaft (glaube ich) so propagiert. Lokale Abfallbeseitungsdienstleister wollen durchaus Altmedis als „Sondermüll“ im Schadstoffmobil haben – was so natürlich nicht klappt. Dies wäre aber (eigentlich) auch kein Problem mehr, da Restmüll in D nicht mehr „deponiert“ werden darf, sondern eigentlich hochtemperatur-verbrannt werden müsste, mit passenden Rauchgasfiltern hinten dran.

      Die kostenlose Entsorgung rückgegebener Arzneimittel durch die pharmazeutische Industrie wurde schon vor vielen Jahren in D abgeschafft, wenn mich nicht alles täuscht im Zuge einer Gebührenerhöhung durch das „Duale System“, weil die pharmazeutische Industrie sich weigerte, 2x für die Entsorgung zu bezahlen.

      Viele Patienten bringen ihre Arzneimittel (trotzdem) zur (kostenlosen) Entsorgung in die Apotheke. Viele Entsorgungsdienstleister wollen von den Apotheken aber Zusatzgebühren für die Entsorgung von „Sondermüll“, auch wenn Arzneimittel vom Bund als Restmüll eingestuft wurden (siehe oben).

      Ärgerlich finde ich es allerdings, wenn dann wieder jemand mit einem durchstichsicheren Kleinbehälter vor mir steht, und meint, ich solle ihm da bitteschön jetzt die gebrauchten Lanzetten und Injektionskanülen raussortieren, damit er anschließend zu Hause wieder einen leeren ebenjenen Behälter hat. Ganz ehrlich, diese Teile sind extra dafür da, dass sich anschließend kein Dritter an den Lanzetten gemäß BioStoffVerordnung verletzt und sich ne Infektionskrankheit holt – udn ich als „Fachpersonal“ soll da reingreifen und sortieren? Da kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln…

      Das Ursprungsproblem existiert in D ganz genau so. Sieht man immer, wenn jemand verstorben ist, und die Familienangehörigen tütenweise Altmedis bringen. Eines meiner Highlights war eine Tüte mit (unter anderem) ca. 5 Packungen Buprenorphin-Pflaster ( BtM gegen Schmerzen). Wert allein dieser Packungen ca. 2.500€. Die Tüte wat noch wesentlich gefüllter. Das wahrlich traurige daran war, dass der fragliche Patient immer über seine schweren Schmerzen jammerte – kein Wunder, wenn die Medis nie benutzt wurden…

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      1. vielleicht hat dieser patient die pflaster nicht benutzt, weil sie nicht gewirkt haben und dabei schwere nebenwirkungen hatten? ich kenne viele schmerzpatienten – ich gehöre selbst dazu – denen opiate leider nicht helfen. natürlich ist es unsinnig, sich dennoch solche mittel verschreiben zu lassen, aber menschen mit ständigen starken schmerzen können nicht mehr unbedingt rational handeln. wenn man erkennen muss, dass es nichts gibt, was einem hilft, kann man schon verzweifeln….

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        1. Der Patient war aus meiner Sicht noch nicht „austherapiert“ – sowohl bei der Dosis des fraglichen Wirkstoffs, als auch von verschiedenen Wirkstoffen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Ich fand, ich stand im guten Kontakt sowohl zum Patienten als auch zu dessen Angehörigen – weder mir noch mit seinen Angehörigen wurde über Nebenwirkungsproblemen berichtet. Die Angehörigen fielen selber aus allen Wolken, als sie post mortem die Arzneimittelvorräte „räumen“ mussten.

          Das Problem ist vielleicht auch ein wenig, dass manche Patienten Angst vor der Autorität des Arztes (und vielleicht auch vor der des Apothekers) haben, und so Probleme nicht ansprechen, die angesprochen werden sollten. Trotzdem komme ich z.B. schon bei der Zuzahlung nicht mit. Fragliche Arzneimittel haben mehrere Hundert € Zuzahlung gekostet (über Jahre angesammelt), warum löst man die Rezepte ein, wenn man die AMs doch nicht nehmen will?

          Verzweiflung ist sicher eine starke Komponente zur Demotivation, aber dass das bei einem recht intaktem sozialem Umfeld (regelmäßiger und positiver Kontakt zu Familienangehörigen über 3 Generationen) nie und kein bisschen zur Sprache kommt, kann ich nur schwer nachvollziehen. Helfen könnte ich im Zweifelsfall auf unterschiedliche Weise – auch mit der Adresse eines Schmerzspezialisten (etwas weiter weg), der einen genauso guten Ruf wie vollen Terminkalender hat…

          Dass irgend etwas nicht stimmte, wurde mir (im Nachhinein) auch klar. Aber es wurde NIE thematisiert, das bestätigten mir die Angehörigen. Den Fall ohne den Patienten selber zu beurteilen ist natürlich schwierig – eine Antwort, um beim nächsten solchen Fall besser reagieren zu können, werde ich aber wohl nicht mehr erhalten.

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