Schnurz-Egal Hauptsache billig

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Bild von der Seite: Schnurz-Egal.de (mit freundlicher Genehmigung) – Unbedingt die Packungsbeilage lesen!

Deutsches Rabattvertrag-system … sagt das meinen Schweizer Lesern etwas? Nein? Dann versuche ich das hier in Kürze zu erklären:

Es hört sich nach Sparen an, aber der einzige Gewinner bei der Sache ist die Krankenkasse. Die machen nämlich diese Rabattverträge mit den diversesten Generikafirmen. Sie schreiben dazu Wirkstoffe aus, die Firmen machen Angebote und das beste Angebot bekommt dann den Zuschlag. Fortan dürfen die Apotheken den Patienten bei diesen Wirkstoffen (egal was auf dem Rezept steht) nur noch genau das Präparat von der Firma abgeben, mit der deren Krankenkasse gerade aktuell einen Vertrag hat. Alles andere wird nicht vergütet (retaxiert) und teils muss der Patient zuzahlen. Wieviel die Krankenkassen daran sparen ist unbekannt, da die Verträge geheim sind. Es muss aber ziemlich lohnend sein, denn die Verträge (und damit die abzugebenden Wirkstoffe) wechseln ständig.

Dadurch entstehen dem Patienten ständige Wechsel wie die Tabletten heissen / aussehen / … und teils auch wirken.

Aber Pharmama, Du bist doch so für die Generika-Abgabe … weshalb bist Du da so gegen das Rabattsystem?

Ich BIN für Generika. Ich finde es auch gut, dass die günstiger sind als die Originale – unser Gesundheitssystem braucht es dass man da Geld sparen kann. ABER … muss man da derart Zwangsmässig eingreifen und vorschreiben, was noch genommen werden darf? Und dann noch die Krankenkasse? Die jetzt wirklich nicht wissen, was ein Austausch teils bedeuten kann (Bioverfügbarkeit, Austauschbarkeit, Einnehmbarkeit, Compliance etc?)

in der Schweiz sind jetzt anscheinend Bestrebungen im Gange, die in die gleiche Richtung gehen. Gesundheitsminister Alain Berset will einführen, dass nur noch das billigste Generikum von der Krankenkasse übernommen wird.

Wehret den Anfängen!

Dass das keine gute Idee ist, sieht man in Deutschland an den Rabattverträgen – die Apotheker müssen zum Abgeben des für die Kassen „richtigen“ Produktes manchmal richtige Marathonläufe absolvieren, vor allem wenn das Medikament wieder mal nicht lieferbar ist.

Wenn man bei uns jetzt schweizweit nur noch ein (einziges) Generikum jeweils kassenpflichtig macht … dann gibt man diesem Hersteller faktisch das Monopol darauf. Nach einem anfänglichen Preiskampf dürfte das dann sehr schnell den Effekt haben, dass die anderen Hersteller (von Original und Generika) das Mittel gar nicht mehr herstellen – wofür auch? Für die paar, die das Geld haben das selber zu zahlen? Und wenn dann ein Lieferproblem auftritt bei dem einen Generikum … dann sitzen wir hier noch mehr auf dem Trockenen.

Aber auch wenn nicht … das billigste Generikum ist (das garantiere ich) nicht in Europa hergestellt worden. Schon jetzt weiss ich nicht mehr (und kann auch nicht nachschauen), woher denn die Medikamente genau kommen. In der Schweiz gibt es noch eine heimische Firma (Streuli), der Rest der Pharmafirmen sind internationale Mogule, die international herstellen lassen. Und heute ist es so: wenn es möglichst günstig sein muss, dann passiert das in Asien. Damit habe ich zunehmend Bedenken. Immer häufiger höre ich von Unregelmässigkeiten in der Qualitätssicherung, der Dokumentation und der Wirkstoffreinheit.

Und die Wirkung auf die Patienten selber? Ich kann mir hier noch (zusammen mit dem Patienten) die Generika selber aussuchen. Ich bemühe mich auch Generika an Lager zu halten – dabei spielt der Preis eine Rolle, aber auch Faktoren wie Einnehmbarkeit, Zuverlässigkeit der Firma, Bioverfügbarkeit im Vergleich zum Original etc. Wenn ich einmal einen Patienten vom Generikum überzeugen konnte, versuche ich auch nicht mehr zu wechseln. Gerade beim älteren Patienten hängt viel davon ab, ob er es richtig einnimmt dass die Tabletten wiedererkennbar das ist, was er bisher genommen hat. So jemanden (wie in Deutschland) alle paar Monate wieder davon überzeugen zu müssen, dass diese Tabletten, die jetzt ganz anders aussehen (weiss statt rosa, oval statt rund …) und ganz anders heissen jetzt das gleiche sein soll, wie das, was er bisher hatte und die er (bitte) gleich weiter nehmen soll – das ist schwierig. Manchmal unmöglich.

Darum: bitte nicht. BITTE NICHT!

Wer jetzt denkt, dass ich das nur wegen dem Geld schreibe, das ich als Apotheke bei so einer Änderung verliere, dem möchte ich 2 Sachen zum Bedenken geben: Der Teil, den ich an der Marge eines rezeptpflichtigen Medikamentes verdiene ist ziemlich klein – mehr bekomme ich durch die Pauschalen. Da ist es mir egal, ob es sich um ein Original oder ein Generikum handelt, ich bekomme gleich viel (finde ich auch sinnvoll).

Und für die Apotheke macht so eine Vorschrift die Lagerhaltung wesentlich einfacher und günstiger: Dann muss ich statt den 3 − 4 Generika nur noch ein einziges an Lager haben.

Trotzdem bin ich dagegen. Nicht wegen mir – wegen meinen Patienten. Ja – es ist nötig, dass der Anteil der abgegebenen Generika erhöht wird (und ich arbeite mit daran), aber das hier ist unsinnig und im Endeffekt gefährlich für unser Gesundheitssystem – wo die Ausgaben für die Medikamentenkosten 9.2% der Gesundheitskosten betragen (2014) … und deren Anteil in den letzten Jahren schon stetig gesunken ist! Wollt ihr nicht mal woanders ansetzen???

21 Kommentare zu „Schnurz-Egal Hauptsache billig

  1. Der werte Herr Minister scheint von der Praxis des Lebens und des Marktes wenig beleckt zu sein! Das billigste Generikum – am Tag der Verordnung am billigsten oder am Tag der Abgabe, oder im Monatsdurchschnitt? Was ist, wenn mehrere Hersteller die gleichen Preise haben?
    Es wäre doch sinnvoller so etwas wie die deutschen Festbetäge einzuführen – alles was sich im Preis darauf oder drüber befindet wird übernommen, und diese Festbeträge könnten schlicht der Mittelwert aus allen Preisen sein, vom teuersten bis zu billigsten.
    Aber zu Deinem letzten Satz: so geht es bei uns auch, wir sind einfach zu transparent und jede angezogene Daumenschraube bei uns zeigt sich sofort in niedrigeren Kosten. Daß die dann an einer anderen Stelle (vermutlich) steigen, fällt in einem so komplexen System wir dem Gesundheitssystem leider nicht auf. Siehe meinen Komentar zum Post vorher, der Krankenhausaufenthalt des Analphabeten kostete sicher mehr, als alle Rabttverträge eingespart haben.

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  2. In Deutschland ist es so, dass der Arzt das aut idem auf dem Rezept auskreuzen kann. Und schon bekommt der Patient genau das Medikament, was auf dem Rezept steht. Mein Arzt macht das bei den Psychopharmaka z.B. generell, dahier die Wirkungsweisen zwischen Generika 1 und Generika 2 doch extrem voneinander abweichen.

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  3. Genau, in Deutschland gibt es das „Aut Idem“ Kreuz – dann darf nur exakt dieses Medikament abgegeben werden. Natürlich ist das, was ich mitbekomme, nicht repräsentativ, aber ich habe den Eindruck, dass dieses Kreuzchen recht häufig gesetzt wird, von einigen Ärzten sogar bei jedem Rezept.
    Ich habe auch Zweifel, wie viel von den Rabattvertrag-bedingten Wechseln tatsächlich beim Patienten ankommt – das liest sich bei Dir jetzt schlimmer, als es meiner Meinung nach ist. Aber das können die deutschen Apotheker hier bestimmt besser einschätzen.

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    1. Wenn der Arzt das tut, bekommt er Geld abgezogen. Das machen Ärzte also nur noch in Ausnahmefällen (und zu 90% wenn der Patient es verlangt und nicht aus medizinisch notwendigen Gründen).

      Und natürlich kommt das beim Patienten an, die Verträge ändern sich ja regelmäßig und wenn man dauerhaft Medikamente einnimmt, bekommt man das natürlich mit. Ich diskutiere darüber bestimmt mit 3-4 Patienten am Tag. Das stört fast alle, auch mich, aber mittlerweile bekommt man auch als Apotheke Probleme mit den Krankenkassen wenn man mit Begründung (zB bei dringend benötigten Medikamenten oder wegen Unverträglichkeit von Zusatzstoffen) die Rabattverträge umgeht. Ohne Begründung wird es ja sowieso komplett nicht erstattet.

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    2. Ich könnte jetzt die Geschichte von einem GKV-Versicherten erzählen, dem ich mal die „Hausapotheke“ durchsortiert habe, und die 5 angerissene aber fast volle Schachteln „Blutdruckmedikament X“ rumzuliegen hatten – jede von einer anderen Firma – und ich an den Firmen ablesen kann, in welchem Jahr sie diese Schachteln bekommen hatten (wegen der Rabattverträge). Dann gab es eine „neue Firma“, also ein „neues Medikament“, also alte Packung zur Seite gelegt und die neue angefangen… Und das ist sicher kein Einzelfall.

      Ich könnte davon berichten, dass mir ein Arzt mal ein Arzt einer großen deutschen GKV gezeigt hat, in dem ihm die fragliche Kasse vorrechnete, wie viele Aut-Idem-Kreuze er im Monat XY gemacht hat, wie hoch der „Vergleichswert“ sei und was wohl (spekulativ) so passieren könnte, wenn er nicht auf den Vergleichswert reduziert…

      Ich könnte jetzt die „Auswertungsliste“ unserer Apotheke einer bestimmten GKV anführen, wo mir eine „Rabattvertragserfüllungsquote“ von 78% bescheinigt wird. Ich habe mir damals die fragliche Auswertung als xls-Datei schicken lassen und größtenteils überprüft. Von ca. 800 „monierten“ Rezeptzeilen habe ich dann ca. 650 händisch ausgewertet, inklusive Abfrage des Rezeptimages, um die Zeile nachvollziehen zu können. (Das wahren ca. 8 Stunden Arbeit.) Von diesem 650 Rezeptzeilen konnte ich exakt 9(!) als „nicht rabattvertragskonform abgegeben ohne Begründung“ nachvollziehen! Alle anderen waren Dinge wie „Aut-Idem-Kreuz nicht erkannt“, „es gab gar kein austauschbares Produkt“, „der GBA hatte die Austauschbarkeit verboten“, ignorierte „Pharmazeutische Bedenken“, etc., und sage und schreibe 10 Zeilen mit korrekt beliefertem Rabattvertrag, die einfach als „Rabattvertrag nicht beliefert“ erkannt wurden. Nach meiner eigenen Auswertung hatte ich also eine Rabattvertragserfüllungquote zwischen 95% und 99,9%. Eine nicht näher beleuchtete Androhung von Konsequenzen durch die GKV war natürlich mit dabei.

      In einer anderen Auswertung ebenjener GKV, welche sich nur mit Antibiotika beschäftigte, wurden mir „eklatante Verstöße“ bescheinigt. Die einizigen Verweigerungen, die wir da aktiv betreiben, sind „pharmazeutische Bedenken“ bei Austausch auf eine „12 Tabletten N1“-Packung, wenn der Arzt eine „14-Tabletten-N1“-Packung verordnet hat. Und sorry, da habe ich tatsächlich Bedenken gegen den Austausch, denn der Arzt verordnet ja die 7-Tage-Packung ja wohl nicht als Langeweile. Eine nicht näher beleuchtete Androhung von Konsequenzen durch die GKV war natürlich mit dabei.

      Davon abgesehen passiert es regelmäßig, dass Ärzte Arzneimittel „aut-idem-kreuzen“, die es so schon seit Jahren nicht mehr gibt – z.B. habe ich einen Patienten, der regelmäßig „Ramicard 5mg N3“ mit Kreuz bekommt – blöderweise ist das Produkt seit April 2011 vom Hersteller nicht mehr in Produktion. Gemäß „offizieller Lieferverträge“ darf ich GAR NICHTS abgeben, und ich darf auch das Rezept (theoretischer Weise) nicht selber „korrigieren“…

      Oder der Arzt kreuzen Arzneimittel „aut idem“, die zwar im Handel, aber nicht lieferbar sind. Sehr beliebt sind da z.B. bestimmte Reimportfirmen. Richtig lustig wird es dann, wenn der Arzt den Reimport kreuzt, der Patient aber das Original haben will. Aber der Arzt hat ein Kreuz gemacht! Ja, vor genau dem Reimport, den ich Ihnen gegeben habe…

      Oder der Arzt kreuzt „aut idem“, schreibt aber eine andere Firma als auf als es bisher war. Immer wieder lustige Diskussionen.

      Oder der Arzt kreuzt den Reimport „aut idem“, es besteht aber ein Rabattvertrag mit dem Original, und der Arzt ist sauer, dass wir (vertragskorrekter Weise) das Original beliefert haben…

      Oder der Arzt kreuz „aut idem“, dummer Weise handelt es ich aber um eine „Jumbopackung“, also eine Packungsgröße mit mehr Inhalt als „N3“ in der Packungsgrößenverordnung definiert ist bei diesem Wirkstoff…

      Oder der Arzt kreuzt „aut idem“ bei einer Wirkstoffverordnung. Dies ist ganz besonders beliebt bei Wirkstoffen, die seit neuester „GBA-Austauschverbotsliste“ nicht ausgetauscht werden dürfen, und wo Verordnungen ohne Herstellerangabe „unklar“ sind…

      usw. usw.

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  4. 3-4 Generika pro Wirkstoff? Das sind ja paradiesische Zustände.. Bei uns quellen die Schubladen über, weil es auch oft keine Schnittmengen zwischen den Rabattverträgen der unterschiedlichen Krankenkassen gibt. Und viel zu oft muss doch bestellt werden, was in unzufriedenen Kunden (und mehr Arbeit für uns) resultiert.

    Aber meinst du wirklich, bei teureren Generika (oder bei den Originalen) sind die Produktionsbedingungen besser? Ich hab da so meine Zweifel.

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    1. Ja – bei uns gibt es schon gar nicht so viele verschiedene Generika – und ich habe dann (hier noch) die Möglichkeit etwas zu steuern bei meinen Patienten. Ich weiss wirklich nicht, wie ihr das macht …

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  5. Mein Kommentar wird Manchem nicht gefallen. Die homöopathischen Medikamente sehen immer gleich aus (Globuli). Allerdings sehen auch alle gleich aus. :)
    Vor einigen Jahren hatte mal ein Hersteller die Plastiktuben alphabetisch geordnet nach Farben sortiert (natürlich immer eine alphabetische Gruppe zusammen, es waren im ganzen 6 Farben); das war für mich als gestresste Mutter ganz toll zum schnellen Greifen in der Hausapotheke.
    Diese Firma ist aufgekauft worden, und jetzt geht das Greifen nicht mehr so schnell…

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  6. Ohje das kenne ich nur zu gut, hier in Deutschland bekomme ich gefühlt alle 2-3 Monate ein anderes Asthma-Spray … zwar alle mit dem gleichen Wirkstoff, aber wenn die Bauform unterschiedlich ist kann das auch die korrekte Aufnahme beeinflussen …

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      1. Theoretisch ja, praktisch sollte man als gute Apothekerin dann pharmazeutische Bedenken auf dem Rezept vermerken und nicht austauschen. Ich tausche sowas nur wenn der Patient es möchte. Wenn jemand auf eine bestimmte Anwendungsform geschult ist, macht es ja keinen Sinn, die zu tauschen.

        Übrigens das gleiche bei Insulinen… auch da müssten wir tauschen, auch da weigere ich mich.

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  7. was den meisten krankenkassen noch nicht so ganz ins hirn gesickert ist, finde ich viel bedenklicher: konzeptionell ist es so, dass eine firma ein präparat entwickelt und auf den markt bringt. das kostet sehr, sehr viel zeit und geld. man braucht untersuchungen, studien, kontrollen, produktion, zulassungsverfahren, werbung, etc., damit das zeug dann auch verkauft/verschrieben wird. so weit, so gut. dafür bekommt der originator dann auf eine bestimmte zeit einen patentschutz.

    nach ablauf des patentschutzes kann das präparat von beliebig vielen generika-herstellern nachgemacht werden, wenn sie beweisen können dass ihr produkt in zusammensetzung und wirksamkeit dem original entspricht – dazu braucht man aber nur die herstellvorschrift beachten und die entsprechenden maschinen und fabriken. in vielen fällen gründen pharmaunternehmen, die es sich leisten können, also gleich eine eigene generika-firma und produzieren dann in einer einzigen fabrik, in meinethalben italien oder frankreich, für die ganze welt. die z.b. tabletten werden in grossen containern verschickt und in, meinethalben, österreich oder deutschland für den rest der welt abgepackt. in so einem fall bekommt der patient also ganz genau das gleiche präparat, aus genau derselben charge, ob nun ein aut idem angekreuzt ist oder nicht, möglicherweise sogar unter drei verschiedenen namen.

    andere generika-hersteller bedienen sich einfach an der zusammensetzung und der herstellungsvorschrift, denn mehr brauchen sie nicht. alle untersuchungen und studien, die notwendig sind, hat ja schon der originator gemacht. fach- und gebrauchsinformation schreibt und aktualisiert der originator, der generika-hersteller muss nur innerhalb einer gewissen zeit ebenfalls entsprechend umstellen und abpacken. arbeit oder kosten entstehen dabei kaum.

    legt der originator aber – weil er einfach keinen vernünftigen preis für sein präparat mehr bekommt – die zulassung zurück, dann dürfen auch die generika-hersteller das präparat nicht mehr auf den markt bringen. der originator kann eine zulassung – mit besonderer begründung wie verdacht auf was-weiss-ich ruhend stellen, aber auch dann darf meist der generika-hersteller nicht weiter vermarkten. das hat seinen grund einfach darin, dass die vollständigen unterlagen beim originator liegen, der somit auch für weitere untersuchungen und aktualisierungen verantwortlich ist. meldungen über unerwünschte wirkungen, die bei den behörden eingehen, werden ebenso erst an den originator zur evaluierung und stellungnahme geschickt, die generika-hersteller werden anschliessend informiert und ggfls. zur änderung aufgefordert.

    liegen sicherheitsbedenken vor, oder eine wichtige änderung steht an, dann kann der originator durch ein kleines spielen mit den fristen also durchaus die generika-hersteller in eine lieferunfähigkeit drängen – beipackzettel sind zwar schnell geändert und gedruckt, aber sie müssen auch irgendwie in die kartons, und die kartons mit der ware dann auf den markt. die meisten einmal abgepackten medikamente kann man nicht umpacken, sie müssen in bausch und bogen vernichtet werden.

    und wenn man jetzt – auch ohne besondere kaufmännische begabung – ein wenig mitdenkt, dann kann man sich gut vorstellen was über kurz oder lang passieren wird: die originatoren werden durch kleine, aber feine änderungen in der zusammensetzung einen verlängerten patentschutz beantragen und bekommen, die generika-firmen dürfen dann die medikamente mit der „alten“ zusammensetzung nicht produzieren, weil nämlich der originator keine updates für ein präparat, das es für ihn so nicht mehr gibt, machen kann. in ein paar jahren wird das alles ein derartiges chaos geben, dass sich überhaupt keiner mehr auskennt. das waren die ursprünglichen – neben den finanziellen – gründe, deretwegen sich die pharmaindustrie gegen die generika-philosophie gewehrt hat. auf lange sicht wird es zwar zu einer säuberung des marktes einerseits kommen, andererseits aber bleiben patientensicherheit, compliance und forschung auf der strecke. viele leute haben sehr viel mehr unnütze arbeit (wie z.b. beim sichten der rabattverträge); diese zeit wiederum fehlt bei der beratung von patienten. und die ärzte laufen gefahr einfach das falsche aufzuschreiben, weil sich keiner die unendlich vielen änderungen merken kann, und die zeit für eine aktuelle entsprechende datenbank wohl auch nicht vorhanden ist.

    vordergründig haben die krankenkassen also wohl zunächst einen vorteil, auf dauer wird sich dieses system aber meiner meinung nach nicht halten können.

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    1. Vieles ist richtig, was Du schreibst.
      Eine kleine Ergänzung: An die original Zulassungsdossiers eines Mitbewerbers kommt man normalerweise nicht ran (es sei denn, man erwirbt diese für teuer Geld). Die Zulassungsdosiers sind vertraulich.
      Die qualitative Zusammensetzung steht noch in jedem Beipackzettel. Die quantitative Zusammensetzung steht da aber nicht drin.
      Somit muss man bei der Entwicklung eines Generikas immer noch Bioäquivalenzstudien durchführen und die Bioäquivalenz nachweisen.

      Aber selbst wenn man die Zulassungsdosiers hat, kann man nicht immer viel damit anfangen. Der Herstellprozess wird darin gewöhnlich so allgemein geschildert, dass sie technisch nicht unbedingt hilfreich sind.
      Grund:
      a) Man kann den Herstellprozess im gewissen Rahmen abändern, ohne eine neue Zulassung beantragen zu müssen.
      b) Man hält Mitbewerber vom „Nachkochen“ der Rezeptur ab.

      Erfolgsversprechender sind manchmal noch Patente, die sich aber auch schwierig lesen lassen.

      Ein gern benutzter Trick ist es, bei der Entwicklung von Orginatorprodukten einen Hilfsstoff zu nehmen, der auf dem freien Markt nicht erhältlich ist. Selbst wenn man den Lieferanten herausfindet, wird der diesen Hilfsstoff nicht für die Konkurrenz produzieren.

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  8. Vom Außsehen und ähnlichen mal abgesehen, kann es bei den ständigen Generika-Wechsel echte Probleme mit dem Wirkstoffspiegel geben.
    Wir haben uns neulich auf Grund einer Disskussion mit einem unserer Neurologen über ein Antiepileptikum mal mit diesen Bioäquivalenz-Studien beschäftigt.
    Der Neurologe wollte gerne das Generikum eines bestimmten Herstellers gelistet haben, weil das „genau das gleiche“ ist, wie das Originalpräparat. Wie er darauf kam, wissen wir nicht, aber wir haben uns die Bioäquivalenzstudien „seines“ und „unseres“ Generikum angesehen und die waren fast identisch.

    Ein Generikum muss (so weit ich mich erinnere) zwischen 80 und 125 % des Wirkspiegels des Originalpräparat aufweisen, um zugelassen zu werden. Das ist bei den meisten Wirkstoffen völlig ok.

    Problematisch wird es, wenn man erst ein Generikum nimmt, dass 125 % vom Original erzeugt und dann eines mit nur 80 % (oder umgekehrt). Und schon hat man einen riesigen Wirkunterschied. (Was bei den meisten Medikamenten unkritisch, aber therapeutisch fragwürdig ist)

    Es wär also besser, die Patienten blieben bei einem Generikum. Aber das bringt den Kassen natürlich nicht so viel Geld.

    Wir in der Klinik haben mittlerweile auch viele Generika an Lager und auf Grund von Verhandlungen mit den Firmen und Lieferproblemen wechseln die auch mehr oder weniger oft. In der Klinik werden die Patienten aber überwacht und man kann Ihnen im seltenen Ernstfall schnell helfen. Und da jeder mit einem anderen Generikum „reinkommt“ ist es dann schon fast egal, was sie bei uns bekommen.

    Die Disskussionen mit den Patienten sind aber die Gleichen. Nur dass nicht wir Apotheker sie führen, sondern die Krankenschwestern/-pfleger, die eh schon genug zu tun haben.

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    1. Mist, ich hätt wohl erst mal die Packungsbeilage von „Schnurz-Egal“ lesen sollen ;-)
      Sorry, da steht ja alles drin.

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  9. @mcCloud: die quantitative zusammensetzung steht sehr wohl in jedem SPC und in jeder patienteninformation. allerdings nicht, wie im dossier, die ist-menge (z.b. 4,8 bis 5,2 mg), sondern die soll-menge (z.b. 5 mg). ebenso sind alle relevanten hilfsstoffe mengenmässig angeführt. plus warnhinweise, wenn z.b. laktose enthalten ist. abweichungen beim generikum kann es in der zusammensetzung nur dann geben, wenn ein bioäquvalenter hilfsstoff statt des originalen zum einsatz kommt. da kann sich dann allerdings z.b. die freisetzung um einen gewissen prozentsatz verzögern, das wird jeweils, solange es wirkstoffspezifisch im rahmen ist, toleriert). ich habe übrigens noch nie chargenprüfungen von was auch immer gesehen, wo der wirkstoffgehalt soll=ist war.

    die zulassungsdossiers sind immer eigentum des originators, lediglich wirkstoff, galenische form, zusammensetzung (in bezug auf z.b. besondere freisetzung wie retardierung) und möglicherweise herstellprozess können patentiert werden. nach ablauf des patentes darf man sich die dann am patentamt holen und nachbauen, wenn man es denn kann.

    bioäquivalenzstudien müssen auf jeden fall durchgeführt werden, weil es sonst keinen nachweis über die gleichwertigkeit gibt. das gilt nicht nur für generika, sondern auch für geänderte hilfsstoffe, auch wenn es sich um das originalpräparat handelt.

    (ich: 25 jahre arzneimittelzulassung, incl. biologika und impfstoffe, …)

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    1. @Kelef: Danke für Deine Info.
      Bevor wir aneinander vorbeireden: Mit SPC meinst Du die „Summary of product characteristics“/“Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels“, also die Fachinfo oder das, was man sich unter http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/medicines/000331/human_med_000787.jsp&mid=WC0b01ac058001d124 herunterladen kann (3. Reiter, 1. Punkt, Annex I, Punkt 6.1)?

      In diesen Dokumenten finde ich nur die qualitative Zusammensetzung der Hilfsstoffe, nicht die quantitative Zusammensetzung. Der Wirkstoff ist natürlich auch quantitativ angegeben.

      Falls Du eine öffentlich zugängliche Quelle kennst, unter der man die quantitative Zusammensetzung einsehen kann, würde mich der Hinweis freuen. Ich hangel mich da selbst bisher durch Patente durch.

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  10. @mcCloud: ja, aneinander vorbei geredet, äh, geschrieben. die hilfsstoffe werden nur qualitativ angegeben, hinweise auf die menge gibt es nur wenn ein hilfsstoff allergen ist oder sonstwie probleme machen kann.

    öffentlich einsehbare zusammensetzungsdatenbanken kenne ich leider auch keine.

    wenn mich eine apotheke oder ein arzt gefragt haben, hab ich denen einfach die zusammensetzung aus dem dossier geschickt – ist ja grundsätzlich kein geheimnis, viele krankenhaus-apotheken haben auch eigene listen für laktose/aluminium/was-auch-immer – haltige (oder -freie) präparate. nur von der zusammensetzung ausgehend kann man sowieso keinen unfug anstellen, da braucht es dann auch die herstellvorschrift, und das alles kann man am patentamt nachlesen.

    bei bedarf einfach die zulassungsabteilung der entsprechenden firma anrufen und fragen, das geht am schnellsten. die leute dort sind meist auch nicht von irgendwelchen wirren ideen geplagt und geben rasch auskunft. wer mit der frage „wer ist für präparat xy zuständig“ beim telefonpersonal beginnt, gerät allerdings sehr rasch auf irrwege über product manager und marketingfuzzis bis zu medical advisors. und die alle holen sich, wenn sie überhaupt behirnen was man von ihnen will, dann nach einer weile die auskünfte bei: der zulassungsabteilung.

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    1. In diesem Punkt unterscheiden sich unsere beiden Firmen. In meiner Firma pappt auf dem Dossier das Wort „confidential“ drauf. Meine Motivation zur Information der quantitativen Zusammensetzung ist auch eine andere als die einer Apotheke. :-)

      Wenn das so einfach geht, muss ich das echt mal frech probieren. Wahrscheinlich probiere ich das über die Apotheke einer bereundeten Apothekerin. Ich muss mir nur einen Grund einfallen lassen, warum eine Apotheke unbedingt die quantitative Zusammensetzung benötigt.

      Hätte nicht gedacht, dass man das so einfach herausgibt. Bei Liquida ist die exakte Zusammensetzung der Formulierung schon die halbe Miete – gerade bei Biologika.

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  11. confidential ist schon klar. trotzdem kann es aber gute gründe – wie allergien oder unverträglichkeiten – dafür geben, dass jemand die genaue zusammensetzung braucht, weil es manchmal in der kombination mit anderen medikamenten durchaus dazu kommen kann, dass fünfmal „laktose in spuren“ bei wirklich laktoseunverträglichen menschen dann doch zu einer reaktion kommt.

    und auch wenn man die genaue menge der im endprodukt enthaltenen hilfsstoffe kennt, sagt das ja noch nix aus über die hilfsstoffe, die z.b. während des herstellungsprozesses zum einsatz kommen, und die dann nicht mehr nachweisbar und also auch nicht erwähnt sind. ist also nicht sooo einfach mit dem nachbauen: und den patentschutz gibt es ja obendrein.

    bei biologika wiederum kann es auch „glaubensfragen“ geben – gibt ja so irre, die nix vom schwein oder nix vom rind oder nix vom menschen etc. wollen und lieber abkratzen bevor sie so was an sich heranlassen. man erlebt ja sachen, die glaubt man nicht. ich war ja mal bei hoechst, da hatte man das problem mit den schweine-insulinen, und andere länder hatten das problem mit den rinder-insulinen, je nachdem halt. das hat sich hartnäckig in manchen köpfen gehalten, da geht gar nix ohne genaue auskünfte.

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