Spuren von in Tinte getauchten Spinnenbeinen

Dass die Ärztehandschrift ein Problem ist – davon habe ich schon gelegentlich berichtet. Das ist auch nichts Neues – tatsächlich gibt es das Problem wohl schon so lange wie es Rezepte gibt.

Das ist ein Beispiel, das ein verzweifelter Apotheker 1874 an die Zeitschrift „the Chemist and Druggist“ geschickt hat:

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Rezept. The Chemist and Druggist 15 June 1874

Das Rezept erschien (wohl als schlechtes Beispiel) ein paar Monate später auch im „Scientific American“, wo kommentiert wurde:

might indicate the vagaries of Planchette [i.e. spirit writing] or the tracks of a spider whose legs had been dipped in ink.

Es könnte beim Planchette (Geister schreiben) entstanden sein oder die Spuren einer Spinne, deren Beine in Tinte getaucht wurde.

Es ist nicht nur so, dass das ärgerlich ist für den Ausführenden des Rezeptes, den Apotheker … das ist auch gefährlich. Wenn nämlich nicht das richtige erkannt und abgegeben wird. Die Zeitschrift empfahl deshalb unleserliche Rezepte wieder an den Arzt zurück zu schicken.

Das hatte der betroffene Apotheker auch getan. Nur … war die Klärende Antwort nicht wirklich lesbarer:                                          (Quelle)

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Erklärung des Arztes. The Chemist and Druggist 15 August 1874

22 Kommentare zu „Spuren von in Tinte getauchten Spinnenbeinen

  1. Derselbe Mensch soll das Rezept und die „Klarstellung“ geschrieben haben? Das kann man nur mit Persönlichkeitsspaltung erklären- und auf der Erläuterung steht dann wahrscheinlich:
    „Das Rezept hat Dr. Jekyll ausgestellt, keine Ahnung, was er wollte. Frdl. Grüße,
    Hyde“

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    1. Sütterlin wohl kaum. Die kam nämlich erst 1911 aufs Papier – und sieht deutlich anders aus. Und auch die deutsche Kurrentschrift, die du wahrscheinlich meinst, wird hier unwahrscheinlich sein, ein deutscher Apotheker hätte den Wisch nämlich wohl nicht an eine britische Apothekerzeitung geschickt, sondern an eine deutsche.
      Allerdings gabs in England damals eine ziemlich unleserliche und schwer zu schreibende Schreibschrift, die aber schrecklich „in“ war.

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      1. Also schrecklich und unleserlich stimmt schon mal.
        Wolfram: kennst Du Dich gut mit alten Schriften aus? Woher?

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      1. Genau das wollte ich auch gerade sagen *g* Wie sehr die Verbreitung der gedruckten Rezepte wohl die Arbeit der Apotheken vereinfacht hat…

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  2. Ich behaupte ja dass in jeder Apotheke ein entführter Arzt sitzt, gefesselt und nur dadurch am Leben erhalten dass er die Schrift seiner Kollegen entziffert… ;-)

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      1. Ach das behauptest du nur, die haben doch ein ganzes Semester das Fach „unleserlich schreiben“.

        Und nein ich meine es nicht ernsthaft ;-)

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  3. Für mich sieht das erste ein bisschen danach aus, dass er geschrieben hat ohne hinzusehen, links der Befund, rechts der Rezeptblock, und Notizen machen beim lesen des ersteren. Das zweite ist einfach nur schwungvolle Sauklaue in Sütterlin.

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  4. na ja, bedenkt Ihr auch, dass genau dies die eigentliche Herausforderung des Apothekerberufes (m/w, ich mene „Apotheker“, nicht den Beruf ;-) ) ist?
    Damit is‘ jetzt Essig, kein Wunder, wenn immer mehr in diesem Bereich Arbeitende immer frustrierter werden .. :-D

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    1. Das Voynich-Manuskript ist (m.E.) eine Fälschung, die mit einer relativ simplen „abgewandelten Verschlüsselungstechnik“ als Massenproduktion erstellt worden sein kann – selbst von Leuten, die des Lesens gar nicht mächtig sind. Dazu brauchst man noch ein oder zwei phantasiebegabte Zeichner für „unbekannte Pflanzen“ und andere bisher „nie gesehene Darstellungen“. (siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/V
      M.E. ist es sowas wie die „Hitler-Tagebücher“ der frühen der Renaissance.

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      1. Wenn die Technik so „simpel“ ist, warum konnte es dann bis heute nicht entschlüsselt werden? Ein weiterer Text dieser Art ist bislang noch nicht aufgetaucht, warum also „Massenproduktion“?

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        1. Massenproduktion, weil das kaum ein einzelner Mensch auf die Schnelle hinbekommt. Also macht man das eine Buch mit „mehreren“ Arbeitern.
          Nicht zu entschlüsselt, weil es nichts zu entschlüsseln gibt. Das ganze ist eine „erfundene“ Phantasiesprache, aus Phantasiebuchstaben und daraus gebildeten Phantasie-Worten. Dazu schreibt man in eine große Tabelle (ein Cardan-Gitter) ca. 50 Phantasiebuchstaben, Satzzeichen und Sonderzeichen (und auch ausreichend Leerzeichen) rein, nimmt eine Schablone aus der man so 3-4 Felder (unregelmäßig) ausschneidet, und schiebt diese Tabelle immer wieder unregelmäßig über die Tabelle. Sodann schreibt man die Phantasie-Zeichen ab, und siehe, es ergibt sich (mit den ausreichenden Leerzeichen) ein Text, der zwar Sinn zu ergeben scheint, aber nicht zu entschlüsseln ist (da es ja gar keinen Schlüssel gibt). Diese Erklärung ist für mich die logischste bisher. Die 3 Punkte, die gegen diese Theotrie sprechen, lassen sich (für mich) recht leicht entkräften.
          1) Die Zeitdatierung mit der Radiocarbonalanylse ist relativ ungenau. Dass das Cardan-Gitter zu der (angeblichen) Entstehungszeit noch nicht historisch erwähnt wurde, heißt nicht, dass noch niemand darauf gekommen war. (Leonardo da Vinci hatte auch schon verschiedene Erkenntnisse, die angeblich erst viel später zu den Menschen gefunden haben.)
          2) Dass die Anfertigung extrem teuer war (Pergament, Tinte) ist einfach zu erklären: Der Gewinn beim Verkauf war extrem lukrativ. Für hohen Gewinn riskiert man hohe Investitionskosten.
          3) Dass die Produktion extrem lange gedauert hat, wäre mit mehrenden Schaffenden und einem Cardan-Gitter so ziemlich entkräftet. Ein Experiemt hatte gezeigt, dass man auf diese Weise sehr schnell solche Textseiten (auch handschriftlich) erstellen kann.

          Ich kann das natürlich genauso wenig beweisen wie alle anderen ihre jeweiligen Theorien, aber für mich ergibt es halt so am meisten Sinn…

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        2. Übrigens: Die Verschlüsselung über PGP und einen „Public Key“ ist relativ simpel umzusetzen, aber sehr sicher (solange die beiden anderen Schlüssel geheim sind). Die Verschlüsselung mit einer (einmal zu verwendenden) Zufallszahlentabelle (welche nach der Verwendung vernichtet wird) gilt als unknackbar, solange der Zufallszahlengenerator keine statistischen Fehler produziert – und solange die Schlüsselkarten wirklich nach einmaligem Einsatz vernichtet werden. (An beiden Einschränkungen sind die russischen Geheimagenten im kalten Krieg gescheitert.) Die Verschlüsselung über ein x-belibiges (Code-)Buch ist solange (fast) unknackbar, solange keine Seite doppelt verwendet wird und solange das Buch unbekannt ist. (De facto kann man über statistische Verfahren den Code knacken. Dazu sollte man aber zumindest die Sprache des Buches kennen.) Im Film „Wind Talkers“ wird eine für die japanische Abwehr unknackbarer Codierung der Amerikaner dargestellt. Ohne technische Geräte, ohne raffinierte Algorithmen.

          Die hochkomplizierte ENIGMA-Verschlüsselung der Deutschen im Zweiten Weltkrieg kann jeder Heim-PC in relativ kurzer Zeit heutzutage knacken, da es sich um einen symethrischen Algorithmus handelt, dessen Schlüssel man durch Analyse und sich daraus ergebenden „Reverse-Engeniering“ auch aus aus relativ kurzen Nachrichten konstruieren kann.

          Mehr kann Dir sicher ein Krypto-Experte Deines Vertrauens erzählen.

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    2. Wenn du eine Folge von praktisch zufälligen Zeichen vor dir hast, dann handelt es sich entweder um eine sehr gut verschlüsselte Information, oder dann sind es nur… praktisch zufällige Zeichen.

      Gerade wenn ein Kind irgendwelche Zeichen aufs Blatt krakelt könntest du ja davon ausgehen, es wollte dir irgendetwas mitteilen.

      Ich denke, das Voynich-Manuskript ist nur ein gut gelungener Trollversuch. :)

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  5. Ich frage mich manchmal, wie unsere Ärzte im Krankenhaus die Konsile entschlüsseln.

    Geht eigentlich gar nicht. So hart es für die Patienten ist, man müsste die eigentlich alle zurück schicken.

    Wobei ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt habe, dass ein Arzt ein Rezept von Hand schreibt. Wird alles ausgedruckt.

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  6. Letztes Jahr passiert.

    Meine Hausärztin verwies mich an die Ohrenärztin.

    Sie macht auf einem Rezeptformular eine Notiz, welche Blutuntersuchungen sie gerade veranlasst hat.

    Ich gehe mit diesem „Rezept“ zur Ohrenärztin. Mit meiner Hilfe konnten wir entziffern, dass da „Vitamin D 3“ und ein Mineralstoff gemeint ist.

    Aber was steht da am Rand? Das hatte ich im Gespräch gar nicht mitbekommen.

    Praxisassistentin ruft bei der Hausärztin an, und bringt in Erfahrung: „Mit freundlichen Grüssen, Dr. med. Vorname Name“!

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