Unbeabsichtigte Überdosierung?

Die ältere Stammkundin kauft 2 Packungen Dafalgan Brausetabletten.

Pharmama: „Wissen Sie, wie man sie anwendet?“

Ich frage grundsätzlich etwas nach – speziell, wenn mehr als 1 Packung von etwas verlangt wird. Das hat seine Gründe – und bei Paracetamol ist das fast noch wichtiger als sonst.

Kundin: „Die sind nicht für mich, sondern für meinen Mann. Er nimmt die noch gerne. Nachts. Er denkt, sie tun ihm gut.“

Pharmama: „Wieviel nimmt er denn?“

Kundin: „Das weiss ich nicht so genau.“

Pharmama: „Er soll, vor allem, wenn er er häufiger nimmt, nicht mehr als 3 g, also maximal 6 Tabletten in 24 Stunden nehmen. Ansonsten ist das nicht gut für die Leber.“

Kundin: „Oh. Das ist nicht gut. Er hat schon Leber-Probleme.“

Pharmama: „Hmm … sie sollten ihm das unbedingt sagen. So harmlos ist das Medikament nämlich nicht – auch wenn es so günstig ist.“

Kundin: „Das bringt nicht viel. Er hat … Probleme mit dem Gedächtnis. Altersdemenz oder Alzheimer.“

Jetzt wo sie es sagt: das erklärt, warum ich ihn selber noch nie hier gesehen habe.

Pharmama: „Oh. Und sie sagten, er steht Nachts auf, um sie zu nehmen?“

Kundin: „Ja, ich glaube mehrmals.“

Pharmama: „Dann … könnte es sein, dass er mehr nimmt, weil er vergessen hat, dass er schon gehabt hat?“

Kundin: „Oh. Ja, das könnte sein.“

Pharmama: „Und wenn sie die Brausetabletten verstecken würden? Oder nur so viele herauslegen abends, wie er nehmen darf in einer Nacht? – Also … maximal 3?“

Kundin: „Das habe ich mit anderen Sachen schon versucht, das mit dem Verstecken. Er fängt dann an zu suchen, wenn sie nicht mehr da sind.“

Pharmama: „Ja, aber wenn Sie nur eine bestimmte Menge herauslegen, dann wissen Sie – wenn er zu suchen anfängt- dass die jetzt weg sind. Dann wissen wir zumindest, wieviel er da genommen hat.“

Kundin: „Das könnte ich machen. Aber was, wenn er dann mehr will?“

Pharmama: „Ich würde sie ihm nicht geben, wie gesagt, das ist nicht gut für die Leber – und damit für ihn selber.“        

Kundin: „Hmm. Und wenn ich etwas anderes in Brausetablettenform hinlegen würde?“

Pharmama: „Vielleicht niedrig dosierte Vitamin Brausetabletten?“

Irgendwelche Gedanken dazu?

24 Kommentare zu „Unbeabsichtigte Überdosierung?

  1. Hängt natürlich davon ab, WIE dement er ist. Aber Placebos hinlegen war auch mein Gedanke. Nur damit er nachts nicht rumkramt das Medikament überdosieren ist auf jeden Fall keine Lösung. Vielleicht unter die drei Tabletten einen Zettel hinlegen, auf dem steht, dass er schon alle genommen hat? Da kommt es natürlich drauf an, wie er selbt mit der Demenz umgeht; wenn er sich dessen bewusst ist, dass er soetwas vergisst, dann könnte das funktionieren. Wenn er es leugnet, würd ich die Brausetabletten geben (sofern es welche gibt die ähnlich schmecken).

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  2. Immerhin trinkt er viel… (Und ich sehe hier die klare Indikation, dem Herrn Placebos unterzujubeln. Mit gutem Gewissen!)

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  3. Wenn es Brausetabletten ohne irgendwas gibt, nur mit Geschmack, dann wäre das doch vielleicht was. Wir beschupsen Opa bei seinen Schlaftabletten erfolgreich mit TicTac Orange(„Opa, deine Tabletten gibt’s nicht mehr, die Firma ist pleite. PLEITE!!! JA, DAS IST UNGÜNSTIG!!! Die von der Apotheke hat mir die hier mitgebeben. JA, VON DER APOTHEKE, ALS ERSATZ, OPA. Das ist das gleiche, die sehen nur anders aus! DAS SIND DIE GLEI-CHEN, DIE HELFEN GE-NAU-SO-GUT!!!“). Und wenn es diese gibt, dann könnte mir das bitte jemand hier Posten? Ich liebe Brausetabletten, ich finde das so lustig wie die sich auflösen…:gagasmiley:, aber die sind IMMER mit Medizin oder Vitaminen oder so, und leider seit ein paar Jahren fast immer mit Süßstoff.

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  4. Ich würde sie komplett gegen „harmlose“ Brausetabletten austauschen und nichtmal die Maximaldosis hinlegen.

    Hier sehe ich einen hervorragenden Anwendungsfall für Placebos.

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  5. Gut reagiert. Da er ernsthaft erkrankt ist (Demenz + Leberprobleme), scheint es mir sinnvoll, ihm etwas anderes „unterzujubeln“. Man schützt ihn dadurch wohl oder übel vor sich selber.

    Ich frage mich, wie man auf andere Weise verhindern kann, dass jemand aus einer Gewohnheit heraus Medikamente nimmt, die er gar nicht braucht. Placebos scheinen gut geeignet zu sein, da die Person keine Gewohnheiten ändern muss, was besonders bei Demenzkranken schwer ist. Ob diese Art von „Betrug“ richtig ist? Gute Frage. Es scheint mir immerhin die bessere Lösung zu sein, als ernsthafte Schäden durch falsch eingenommene Medis.

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  6. Ob es dem Nachtschlaf fördernd ist, wenn man drei, viermal Vitaminsprudelzeugs trinkt? Mich macht das Vitamin-C-Zeugs immer sehr wach. Aber die Placebo-Gabe finde ich hier auch angebracht.

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  7. Alzheimer-Patienten brauchen oft ihre Rituale und werden sehr unruhig, wenn sich etwas ändert. Das ist sehr typisch, was die Kundin beschreibt.
    Deshalb auch ein klares Votum für den Placebo-Einsatz. Verstecken bringt nur Theater. Zettel schreiben kann im Anfangsstadium helfen, wenn der Patient offen für solche Hilfen ist und sie noch annehmen kann.

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  8. wie ist das dafalgan gepackt? wenn es in röhrchen ist, würde ich am ehesten sowas wie niedrigdosiertes calcium reingeben (vitamine könnte er ja doch überdosieren, wenn er viel nimmt) und dann einfach in die alte packung einfüllen.
    falls es blister sind, würde ich darauf achten, dass es zumindest ähnlich ausschaut.

    und ja, klarer fall für placebo. meines wissens nach gibts placebos aber nicht als brause, sondern nur als „normale“ tablette.

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  9. o.O <— Ausdruck meiner Gedanken
    Nach Google sind das Schmerztabletten- ob dement oder nicht- sie scheinen ja seine Schmerzen entweder
    a) nicht zu betäuben (also Hausarzt und zusehen, dass er anders eingestellt wird) oder
    b) er hat gar keine Schmerzen mehr und schluckt aus "Gewohnheit" (aus einem Erinnerungsprozess heraus, den er gerade einübt jede Nacht) die Pillen.
    In beiden Fällen finde ich eine Intervention von aussen absolut wichtig! Also Apo-Mann kann velleicht mal eine kleine Zellewirtschaft bestehend aus Beratungsstellen und Pflegediensten gereicht werden?
    Frage mich wieso die Frau so unbesorgt scheint. Kann doch nicht wahr sein…

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    1. b) ist die wahrscheinlichste Lösung, wenn er nicht noch den ganzen Tag über mehr davon einwirft. Die psychische Abhängigkeit kann erstaunlich gross werden. Vielleicht verbindet er gar nicht mal die Schmerzbekämpfung mit den Tabletten, sondern mit der Tatsache, dass er sie zum Schlafen braucht.
      Der Frau ist vielleicht nicht bewußt, dass eine „harmlose“ Brausetablette ohne Rezeptpflicht falsch dosiert die Leber kaputt macht. Diese Sorglosigkeit ist leider extrem verbreitet, auch beim Eigenkonsum.

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  10. Wie wäre es mit Acetylcystein Hustenlöser Bausetabletten? Also ACC oder NAC 200mg. Aufgrund der Metabolisierung von Paracetamol, wäre es doppelt sinnvoll, weil man das „Gegenmittel“ gleich parat hätte.
    Liebe Grüsse
    Boreal

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      1. Es geht nicht um die Hustenlösende Wirkung des ACCs, sondern um den „Leberschutz“!

        Bis der Patient die Schleimlösende Wirkung hat, ist es eh morgens.Damit kann man das getrost vernachlässigen. (Solange der Patient noch mobil genug ist, nachts im Haus herumzuwandern, ist die schleimlösende Wirkung in der Nacht, sofern sie noch nachts auftritt, nur lästig, aber nicht lebensgefährlich…)

        Wer sich dafür interessiert, was ich genau meine, der liest bei Wikipedia mal nachfolgende Artikel:

        http://de.wikipedia.org/wiki/Paracetamol (Ab Mißbrauch und Überdosierung)

        und http://de.wikipedia.org/wiki/N-Acetylcystein

        Zitat:
        „Anwendung als Antidot

        Unumstritten ist hingegen der Einsatz von Acetylcystein bei akuten Paracetamol-Überdosierungen, bei denen es Leberschäden abwenden oder abschwächen kann. In diesem Fall wird ACC für 72 Stunden oral oder 20 bis 21 Stunden intravenös gegeben. Dabei ist die orale Gabe genauso wirksam wie die intravenöse, aber schlechter verträglich (Übelkeit und Erbrechen). Zumindest in Europa wird deshalb die intravenöse Gabe bevorzugt. Am effektivsten ist die Therapie, wenn sie in weniger als acht Stunden nach Paracetamolaufnahme begonnen wird. […] Acetylcystein stellt dem Körper Cystein zur Verfügung, welches er zur Bildung von Glutathion benötigt. Glutathion spielt eine wichtige Rolle in der Biotransformation schädlicher Substanzen („Entgiftung“). Speziell beim Abbau von Paracetamol durch Cytochrom P450 entsteht N-Acetyl-p-benzochinonimin, welches Leberzellen zerstört und durch Glutathion neutralisiert wird.“

        Liebe Grüsse
        Boreal

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        1. @Boreal: Danke, interessante Zusammenstellung, wusste bisher nicht, dass es für Paracetamol-Überdosierungen ein Antidot gibt. Verstehe ich das richtig, dass die schmerzlindernde Wirkung dabei nicht aufgehoben wird, sondern nur die lebertoxische Wirkung?
          Was spricht denn dagegen, N-Acetylcytein direkt mit Paracetamol einzunehmen, sozusagen als Prophylaxe?

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          1. Im Falle eines grippalen Effekts – gar nichts. Dann das ACC aber zum schleimlösen und nicht als Antidot zum Paracetamol.

            Im Falle eines z.B. Kopfschmerzes: Auch ACC kann Nebenwirkungen machen. Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, aber auch Bronchospasmen oder Tachycardie bei passenden vorhandenen Grunderkrankungen. Davon abgesehen kann ACC auch Wechselwirkungen (z.B. mit Antibiotika) haben. Es gild hier wie überall: Sinnlos eingeworfene Medikamente machen nicht unbedingt Sinn (weswegen es ja „sinnlos“ heiißt) :-D.

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            1. Kann mal also sagen, dass die lebertoxische Wirkung des Paracetamols nicht im Verhältnis zur (immer potentiell gefährlichen) Wirkung des ACC steht, oder? Und deshalb eine Einnahme als Prophylaxe nicht sinnvoll scheint?

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          2. @Martin: Gerne,
            Genau die Schmerzlindernde Wirkung wird nicht aufgehoben.
            Es spricht nichts dagegen, ACC mit Paracetamol einzunehmen. Dem ACC ist es sozusagen egal, warum man es einnimmt. Es wird einerseits Schleim lösen und andererseits die Glutathion Speicher im Körper wieder auffüllen.
            Die Kombination würde ich allerdings nur aktiv empfehlen, wenn man weiss, das der Patient dazu neigt, die empfohlene Tagesmaximaldosis an Paracetamol regelmäßig zu überschreiten. So wie im von Pharmama gezeigten Beispiel.
            Ich habe auch einen Kunden, dem ich das nahegelegt habe. Dieser hat ein Suchtproblem, nicht nur mit Paracetamol, sondern noch mit anderen Medikamenten. Das weiss auch der behandelnde Hausarzt. Allerdings ist die Grunderkrankung so schwer, das man bei meinem Patienten auch nur versucht, den Verbrauch im Auge zu behalten. (Dies erfordert eine beidseitige und regelmässige Kommunikation zwischen Arzt und Apotheke.)
            Zu den Nebenwirkungen von ACC. Das ist ein sehr häufig eingenommenes Medikament. Ja es macht, die von Gedankenknick beschriebenen Nebenwirkungen, allerdings nicht automatisch bei jedem Menschen.Und wenn ich mal darüber nachdenke, dann bekomme ich von meinen Kunden so gut wie keine Rückmeldung zu Nebenwirkungen von ACC.
            Menschen mit empfindlichen Magen können mal Sodbrennen und Magendrücken bekommen, aber das muss nicht alleine am Wirkstoff ACC liegen, sondern ist weitaus häufiger auf die Brausetabletten Zusammensetzung zurückzuführen, die unter anderem eine Saure Komponente enthält.

            Die meisten Menschen futtern ja keine Schachtel Paracetamol am Tag und benötigen daher diese Prophylaxe nicht.

            Pharmazie ist ganz oft das Abwägen von „Für und Wieder“ und immer eine Einzelfall Entscheidung.

            Deswegen entscheide ich selbst bei so Sachen wie einer simplen Erkältung immer individuell, was für Produkte ich anbiete.
            Ich hoffe, diese ausführliche Erklärung konnte ein bischen Licht ins Dunkel bringen.
            LG
            Boreal

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          3. Boreal – sicher treten diese NW selten auf. Aber gerade für Asthmatiker, die ja Paracetamol nehmen, um nicht via COX-Hemmung einen Asthmaanfall zu provozieren, währe die automatische Zugabe von ACC sicher eine sehr unkluge Geschichte. Außerdem machen größere Mengen ACC auch WW (z.B. mit bestimmten Antibiotika), auch dass wäre bei einem multimorbiden Patienten sicher alles andere als sinnvoll….

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  11. Also Probleme mit den ableitenden Harnwegen und der Prostata scheinen zumindest nicht vorhanden zu sein – oder liegt das häufige nächtliche Aufwachen einfach am Harndrang – eines der stärksten bekannten Weckreize? Mich wundern dabei einfach bloß die „mehreren Brausetabletten pro Nacht“. Irgentwo muss die Flüssigkeit ja hin.
    Vielleicht würde bei Umstellung auf normale Tabletten der Patient nicht mehr so oft aufwachen, und damit auch nicht so viel „nochmals“ schlucken wollen….
    Zum ACC-Problem würde ich meinen: Wo kein Schleim in der Lunge, da kein Husten des Nachts unter ACC. Zumindest in der grippefreien Zeit wäre es eine Überlegung wert. ACC gibs übrigends auch in 100mg-Dosierung in D als BTabl. – da wäre die DOsierung auch im erträglichen Rahmen.

    Placebos selber kenne ich auch nur in Tabletten-, Dragee-, und Suppositorien-Darreichung. Brausetabletten sind da scheinbar auch in Deutschland nicht großtechnisch verfügbar. Eine Idee wäre, mal ein pharmazeutisches Institut bei einer Uni anzufragen, ob die nicht BTabl. als Placebo in fraglicher Größe und Farbe herstellen könnten im Rahmen der Pharmazeutischen Ausbildung. Wie das dann rechtlich aussieht, weiß ich allerdings für die Schweiz nicht so genau…

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  12. Wir hatten in unserer Pflegestation letztens einen ähnlichen Fall, bei dem wir demjenigen die oben erwähnten Placebo-Brausetabletten verabreicht haben. Seitdem sind bei uns keine neuen Beschwerden eingegangen.

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