Die Colchicin Story

Colchicin wird gebraucht bei Gichtanfällen (darüber habe ich hier schon einmal geschrieben: mit Gift gegen Gicht). Der Wirkstoff ist alt, man hat darüber viele Erfahrungsberichte, ein paar randomisierte Versuche, man weiss von der Wirkung, aber … es fehlten anhin die richtigen Studien zu Wirkung und Unbedenklichkeit.

So auch in Amerika.

2006 startete die FDA (die amerikanische Gesundheitsbehörde) ihre „Medikamente ohne Zulassung-Initiative“ (Unapproved Drugs Initiative) anhand derer sie für solche alten Medikamente, die teilweise nie wirklich getestet wurden vorschrieben, dass neue Studien gemacht werden müssen – ansonsten verlieren die Medikamente ihre Zulassung. Zum Beispiel eben das Colchicin, ein Wirkstoff, von dem es einige Medikamente auf dem Markt gab, die sehr günstig zu haben waren.

Eigentlich ein lobenswertes Unterfangen.

Aber Studien sind teuer, weshalb die FDA 2009 mit einer Firma, die ein solches Colchicin Medikament (Colcrys) vertreibt einen Deal machte: Die Firma URL Pharma bekam das Exklusive Recht das Medikament die nächsten 3 Jahre zu vermarkten – dafür würden sie die Studien über Wirksamkeit und Pharmakokinetik durchführen.  Konkret hiess das, die Firma investierte in 17 neue Studien und 100 Millionen Dollar in das Produkt – davon gingen allerdings 45 Millionen schon mal an die FDA zurück als Zulassungstaxe.

Colchicin wurde dafür 2009 von der FDA als Monotherapie für 3 verschiedene Indikationen zugelassen: Gicht Prophylaxe, Therapie von Gicht Anfällen und als Orphan Drug  gegen familiäres Mittelmeerfieber. Und die FDA entzog dann allen anderen Colchicin Produkte die Zulassung, liess sie aber noch ausverkaufen.

Und was passierte dann? Die Firma URL Pharma hob danach den Preis für ihr Colchicin Medikament an: Vorher kostete eine Tablette 0.09$, danach 4.85$ (!) Ausserdem verklagte sie die Firmen, die dem Marktrückzug nicht nachgekommen sind, so dass sie wirklich das Monopol auf den Wirkstoff hatten. Zumindest in Amerika.

Die Preissteigerung hatte natürlich Auswirkungen auf die Versicherungen. So stiegen die Ausgaben für Medicaid für das Medikament von 1 Million Dollar auf 50 Millionen Dollar jährlich an. Dasselbe gilt für andere Versicherungen auch – wie zum Beispiel die staatliche Medicare (die Arbeitslose und Sozialfälle versichert) … kurz gesagt war es auch für den Staat selber ein riesiges Verlustgeschäft. (Und man bedenke, dass die FDA eigentlich zum Staat gehört).

Man kann daraus folgern, dass es günstiger wäre für den Staat – und auch die Versicherungen, wenn SIE für derartige Studien zahlen würden. Aber die Hauptlast finanziell tragen die Patienten oder deren Versicherer.

Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Colchicine

Wir in der Schweiz haben übrigens kein eigenes Colchicin Medikament – offenbar lohnt sich das nicht für einen Hersteller, das bei uns zuzulassen und zu vertreiben (zu kleiner Absatzmarkt?, zu teuer die erforderlichen Studien zu bringen), weshalb wir darauf angewiesen sind, das aus Deutschland zu importieren. Und weil es nicht zugelassen ist von der swissmedic, zahlen es die Krankenkassen auch im Normalfall nicht. Auf der Positiv-Seite: es ist bei weitem nicht so teuer wie in Amerika.

Warum vergleichen sie eigentlich die Medikamentenpreise nicht mit denen in Amerika? Da kämen selbst wir noch teilweise sehr günstig weg.

9 Kommentare zu „Die Colchicin Story

  1. Im Vergleich zu Amerika finde ich dich nach Bedarf gerichtete Abgabe (eine Dose 5 Tabletten statt eine Packung zu 20 Tabletten) besser.

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  2. ..meine Cousine aus Wisconsin merkt an:

    „Interessant, und eigentlich nur einen Uebersetzungsfehler in Bezug auf die Versicherung. Unsere Arbeitslosen haben erst dann Krankenversicherung wenn sie zum Sozialfall werden und das ist dann Medicaid. Medicare ist die gesetzliche Versicherung in die jeder Arbeitende ein bezahlt um dann im Alter Krankenversicherung zu haben. ja, wir haben eigentlich schon eine gesetzliche Krankenversicherung!!! Wer haette das gedacht!“

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  3. Grundsätzlich sollte man sich fragen, ob profitorientierte Konzerne im Gesundheitswesen eine gute Sache sind… Zweifelsohne machen diese einen guten Job, dennoch müssen sie auch ihren Gewinn maximieren.

    Vielleicht hätten wir bei mehr staatlich geförderter Forschung (wenigstens das) weniger neue Schlankheits-, dafür mehr Medikamente für Krankheiten, gegen die es keine Prävention gibt?

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  4. > Warum vergleichen sie eigentlich die Medikamentenpreise nicht mit denen in Amerika? Da kämen selbst wir noch teilweise sehr günstig weg.
    Das gilt aber auch nur für die Rx… die OTC werden einem dort ja eher nachgeworfen…

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  5. „Warum vergleichen sie eigentlich die Medikamentenpreise nicht mit denen in Amerika? Da kämen selbst wir noch teilweise sehr günstig weg.“

    Da hab ich vor einigen Monaten in einem amerikanischen MS-Forum meinen Augen kaum getraut. Copaxone kostet drüben „mal eben“ 2500 Dollar, Zuzahlungen bis zu über 200 Dollar pro Monat je nach Versicherung nötig.

    Gott, hab ich das hier in Deutschland gut.

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