So läuft das (in Deutschland)

Anbei ein Gastbeitrag von Boreal aus dem Alltag in einer deutschen Apotheke.

Ich hoffe sehr, für Euch Schweizer, das Ihr niemals den Irrsinn im Deutschen System mitmachen müsst. Ich habe selber beim Schreiben mit dem Kopf geschüttelt, wie krank das System eigentlich ist. Eigentlich ist es ein Wunder, das es nicht noch mehr Falschabgaben gibt. Nicht mehr der Patient steht im Mittelpunkt, sondern der Kassenirrsinn.
Ich würde mich freuen, wenn ich als Apothekerin  mehr auf meine Patienten eingehen könnte.

Nachdem Pharmama gezeigt hat, wie es in der Schweiz läuft, wollte ich nun zeigen, wie es mit der fiktiven Patientin, gesetzlich versichert (Kassenpatientin) in Deutschland läuft.

Wir nehmen an Frau Müller-Meyer-Richner kommt in die Apotheke mit 3 Rezepten, die sie bekommen hat. Zwei der Rezepte vom Hausarzt vor einigen Tagen, ein anderes vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt bei dem sie heute war.

Ich kenne Frau Müller-Meyer-Richner  zumindest vom sehen, da sie bereits Medikamente bei uns bezogen hat. Zuallererst überprüfe ich, ob Sie eine Kundenkarte bei uns hat, da meine Arbeit dadurch deutlich leichter wird. Auf der Kundenkarte, bzw. genauer bei uns im Computer, es wird nichts auf der Karte gespeichert, kann ich sehen, welche Medikamente und von welchen Firmen Frau Müller-Meyer-Richner zuletzt bei uns bezogen hat. Außerdem kann ich Allergien und Unverträglichkeiten vermerken.
Einfach so, ohne ausdrückliche Erlaubnis darf ich keine Kundenkarte anlegen. Leider hat Frau Müller-Meyer-Richner  keine Kundenkarte bei uns.

Sie reicht mir nun Ihre Rezepte.

Rezept 1:
L-Thyroxin 125µg 100st
X    Torasemid 10mg 100st
X   Calcimagon D3  100st Diagnose: Osteoporose

Rezept 2:
Marcumar 98st N3
Sortis 20mg 100st

Rezept 3:
Clarithromycin 500 mg  14st 1-0-1

Zuallererst gebe ich die Kassennummer ein. Die wichtigsten Kassennummern habe ich als Schnellwahl im Computer. Das ist deshalb wichtig, weil für jede Kasse andere Rabattverträge gelten und damit andere Firmen bevorzugt werden. Die Rabattverträge gelten für 24 Monate.
Nehmen wir an, Frau Müller-Meyer-Richner ist bei der AOK versichert.

Beim L-Thyroxin geht es aber schon los. Das Schilddrüsenhormon ist sehr wirksam und wird deshalb in Mikrogramm verabreicht.  Ein Mikrogramm ist ein Tausendstel Milligramm und somit ist in einer Tablette nur ganz wenig Wirkstoff enthalten. Die Tablette besteht daher zu mehr als  95 % aus Hilfsstoffen, außerdem kann eine Tablette sehr doll zusammen gepresst sein oder nur sehr wenig.  Das kann aber schon große Unterschiede bei der Freisetzung ausmachen und im schlimmsten Fall wird bei einem Wechsel der Firma hier eine neue Einstellung erforderlich.

Apothekerin: „Frau Müller-Meyer-Richner, welche Firma hatten Sie denn das letzte mal bei den Schilddrüsentabletten?“

Frau M-M-R: „Ach das war so ne längliche Schachtel. Wie das genau heißt, weiß ich aber nicht mehr.“

Ich habe eine aufgrund der Info „Länglich“ eineVermutung und gehe an die Schublade. Die anderen Firmen haben alle viereckige Packungen.

„Sah die vielleicht so aus?“ Ich halte L-Thyroxin Henning 125 100 Stück in der Hand und lege Ihr die Packung vor.

Frau M-M-R: „Ja, genau die ist es!“

Erleichterung bei der Patientin und bei mir. Ich scanne die Packung ab und schaue, ob die Firma Henning im Rabattvertrag ist. Ist Sie.

Ich frage noch nach: “Wie nehmen sie diese ein? Eine morgens mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück?“ Frau Müller-Meyer-Richner nickt bestätigend.

Nächstes Medikament: Torasemid, gegen Bluthochdruck. Sie wirkt entwässernd. Der Arzt hat auch hier keine Firma ausgesucht, so dass ich die Wirkstoffsuche im Computer bemühen muss. Allerdings hat er ein Aut Idem Kreuz gesetzt, was bei einer Wirkstoffverordnung überhaupt keinen Sinn ergibt. Mit dem Kreuz soll normalerweise ausgedrückt werden, das der Arzt nur eine bestimmte Firma wünscht. Bei dem Schilddrüsenhormon hätte es also Sinn gemacht. Bei der Wirkstoffverordnung  ignoriere ich das Kreuz einfach. Manchmal verklickt sich der Arzt oder die Arzthelferin.
Ich gebe in den Computer in die Wirkstoffsuche ein: ws# torasemid und warte. Das dauert immer gefühlte Ewigkeiten, weil der Computer die gesamte Datenbank in allen Stärken und Packungsgrössen durchsuchen muss, bis er mir die jeweiligen Rabatt Partner der AOK anzeigt.  Mir werden 3 verschiedene Firmen angezeigt, wovon wir auch 2 am Lager haben.

Ich schaue fragend zu Frau Müller-Meyer-Richner vom Bildschirm hoch: “Bei der Wassertablette, dem Torasemid hatten Sie da die Rot Weiße Packung (Firma AL) oder die weiß blaue (Firma Hexal)?“

Die Dritte Firma nenne ich erstmal nicht, da wir diese nicht am Lager haben und Frau Müller-Meyer-Richner  regelmäßig zu uns kommt. Die Wahrscheinlichkeit ist daher gering, dass Sie die 3te Firma hat, welche wir jedes Mal für Sie bestellen müssten. Wir haben auch so schon 3 Schubladen voll mit Torasemid in verschiedenen Stärken und von verschiedenen Firmen.

FrauM-M-R: „ Die Rot weiße Packung.“

Ich übernehme in den Computer, auf die Kasse Torasemid AL 10mg 100Stück.

Das letzte Medikament auf dem Kassenrezept ist das Calcimagon D3. Mehr als 3 Medikamente können aus Abrechnungstechnischen Gründen nicht auf ein Kassenrezept geschrieben werden. Auch hier hat der Doktor wieder das Aut Idem Kreuz gesetzt. Jetzt ist es egal, ob es einen Rabattvertrag mit der Kasse gibt. Der Doktor möchte nur dieses Präparat und kein anderes. Allerdings tauchen auch hier wieder mehrere Probleme auf. Von Calcimagon D3 gibt es keine 100 stück Packung sondern eine 112 Stück Packung. Gebe ich jetzt aber ohne Rücksprache mit dem Arzt einfach die 112 Stück Packung ab, dann bekomme ich in ca einem Jahr Post von der Krankenkasse, die mir mitteilt, ich hätte nicht das abgegeben, was der Arzt aufgeschrieben hat sondern eine falsche Größe und deswegen bezahlen sie das gar nicht. Dass mein Chef die Packung aber beim Großhandel eingekauft hat und schon lange bezahlt hat, ist hierbei egal. Den Betrag könnte mein Chef dann voll abschreiben. Die Krankenkasse weiß, dass es keine 100 stück Packung gibt, aber das zählt nicht. Das Rezept ist falsch ausgeschrieben. Zusätzlich geht ein Feld an der Kasse auf, wo steht, dass das Präparat nur in Ausnahmefällen von der Kasse erstattet wird. Bei den Ausnahmen ist die Diagnose Osteoporose aber gelistet. Die Krankenkasse übernimmt es also, wenn ich mir ein neues Rezept über 112 Stück besorge.

Ich sage zu Frau Müller-Meyer-Richner: “Einen kleinen Moment bitte, ich muss mal eben mit der Arztpraxis telefonieren. Das Calcimagon ist so falsch aufgeschrieben.“

Beim Telefonat mit der Arztpraxis wird klar, das der Arzthelferin nicht bewusst war, das es keine 100 Stück Packung gibt. Da die Arztpraxis glücklicherweise im selben Ort liegt, wie die Apotheke, sprechen wir ab, das wir als Apotheke  in nächster Zeit in die Arztpraxis gehen und dort das Rezept abstempeln lassen. Das heißt, ich streiche die 100 Stück durch und schreibe 112 Stück daneben. Damit aber die Kasse sieht, dass weder die Patientin, noch die Apotheke geschummelt hat, macht die Praxis einen Stempel neben die geänderte Zahl und der Arzt macht noch sein Namenskürzel und das Änderungsdatum daneben. Ich mache einen kleinen Klebezettel auf das Rezept, um es bei der Durchsicht der Rezepte rauszunehmen und es auf den Stapel „Rezepte zum ändern“ zu legen.

Nachdem wir nun also die Abrechnungsfragen geklärt haben, spreche ich mit Frau Müller-Meyer-Richner auch die Einnahmeproblematik des Calciums mit dem Schilddrüsenhormon durch. Frau Müller-Meyer-Richner ist ganz erstaunt, so nimmt Sie dieses im Gegensatz zur Dame aus der Schweiz schon seit Jahren ein und Sie hat dieses immer morgens eingenommen. Ihr war gar nicht bewusst, dass Sie die beiden Medikamente nicht zusammen einnehmen darf.

Ich rufe also noch mal in der Arztpraxis an und versuche mit dem Arzt zu sprechen. Wenn Frau Müller-Meyer-Richner nun neu einfach das Calcimagon mittags einnimmt, besteht die Gefahr, dass Sie zuviel Schilddrüsenhormon im Blut hat. Das Calcium fängt dann ja kein Schilddrüsenhormon mehr ab. Nachdem ich das der Arzthelferin erklärt habe, die von der Problematik auch nichts wusste, werde ich endlich zum Arzt durchgestellt. Der Arzt spricht mit mir ab, dass Frau Müller-Meyer-Richner an der bisherigen Falscheinnahme nichts ändern soll. Sie wird in den nächsten Wochen mit engmaschigen Blutkontrollen auf die richtige Einnahme und Schilddrüsenhormondosis umgestellt.

Ich gebe das nächste Medikament ein und weiß vorher schon, dass auch hier ein Austausch gegen eine andere Firma droht. Hinzukommt, das die AOK seit April diesen Jahres neue Rabattverträge abgeschlossen hat und wir auch hier eine neue Firma abgeben sollen. Marcumar – ein Mittel zur Blutverdünnung. Auf die Problematik bei der Blutverdünnung ist Pharmama schon sehr ausführlich eingegangen, daher ist auch hier klar, dass die Patientin ähnlich wie beim Schilddrüsenhormon einfach die bisherige Firma bekommen sollte.

Ich frage daher auch bei diesem Präparat nach, welche Firma Frau Müller-Meyer-Richner vorher hatte.

Sie sagt: „ Ach, zuerst hatte ich Marcumar, aber das war der Kasse zu teuer, daher habe ich die letzten Male auch etwas anderes bekommen. Moment, da habe ich den Schnipsel von der Lasche abgerissen. Sie haben ja letztes Mal schon so lange gesucht.“

Freundlich lächelnd hält sie mir Marcuphen v ct 100stück  entgegen.  Hmmm, wenn ich mich richtig erinnere, dann waren die vorher im Vertrag. Jetzt ist es wieder eine andere Firma. Ich suche das Sonderkennzeichen für Pharmazeutische Bedenken aus dem Computer und teile der Krankenkasse somit mit, das ich Gründe habe, warum ich ich Marcuphen v ct 100stück abgebe und nicht Phenprogamma. Jetzt wieder auf Marcumar zurückzutauschen macht einfach keinen Sinn, um eine erneute Einstellung der Blutgerinnung zu vermeiden. Für Marcumar müsste Frau Müller-Meyer-Richner auch noch neben den 5 Euro Zuzahlung einen Eigenanteil von 4,95 Euro also insgesamt 9,95 zahlen, da die Kasse Marcumar nicht mehr voll bezahlt. Das hat was mit den Festbetragsgrenzen zu tun. Eine Errungenschaft aus einer Gesundheitsreform vor ein paar Jahren. Ich vermerke handschriftlich auf dem Rezept:
Pharmazeutische Bedenken: Kein Austausch gegen Rabatt AM um Blutgerinnungseinstellung nicht zu gefährden.
Ich übernehme Marcuphen v ct 100 stück in die Kasse. Hier brauche ich die Stückzahl auf dem  Rezept nicht ändern zu lassen, weil es eine Gesetzesänderung bei der Packungssgrössenverordnung gegeben hat. Die Normgrösse N3 beim Wirkstoff Phenprocoumon(der Wirkstoff von Marcumar) ist 100 Stück plus oder minus 5 %, womit ich also zwischen 95 und 105 Tabletten abgeben kann.

Sortis –Ein Mittel zur Cholesterinsenkung (die Blutfette) und auch zur Vorbeugung bei Risikopatienten gegen Herzprobleme. Frau Müller-Meyer-Richner hat es schon lange. Da sie Simvastatin, nicht gut vertragen hat, hatte Sie bisher immer das Original Sortis. Da Sortis mit dem Wirkstoff Atorvastatin aber in die Festbetragsgruppe der Statine eingeordnet war, musste sie bisher für die Packung Sortis 20mg 100stück einen Eigenanteil von 135,69 Euro bezahlen plus 5 Euro Rezeptgebühr. Endlich gibt es Atorvastatin auch als Generikum. Der Patentschutz ist abgelaufen.

Ich sage also zu Ihr: „Liebe Frau Müller-Meyer-Richner. Ich habe eine gute Nachricht für Sie! Das Sortis gibt es jetzt auch als günstiges Generikum von anderen Firmen. Wenn Sie es von einer anderen Firma nehmen, dann entfällt für Sie der  Eigenanteil.“

Frau Müller-Meyer-Richner guckt skeptisch:“ Ich hatte doch so große Probleme mit dem anderen Simvastatin, da bezahle ich lieber den Eigenanteil weiter.“

„Nein, Nein Frau Müller-Meyer-Richner, es enthält den gleichen Inhaltsstoff wie das Sortis, aber sie können sich die 135,69 Euro sparen.“

„Na, wenn das so ist, dann werde ich das mal versuchen.“

Ich nicke ihr freundlich zu und übernehme Atorvastatin 20mg Hexal 100stück in die Kasse.

Jetzt hat Sie noch ein Rezept von einem anderen Arzt
Clarithromycin 500 mg 14stück 1-0-1
Das ist ein Antibiotikum. Ich bemühe also wieder die Wirkstoffsuche im Computer. Während ich den Namen in den Computer eintippe, fängt Frau Müller-Meyer-Richner an zu reden.

„Das ist aber kein Penicillin, was mir der Doktor da aufgeschrieben hat, oder? Das vertrage ich nämlich nicht!“

Mist! Es ist zwar kein Penicillin, aber obwohl ich 14 Stück eingegeben habe, sind als Rabatt Artikel nur Packungen mit 12 Stück gelistet. Das geht natürlich gar nicht. Der Arzt wird sich ja was dabei gedacht haben, wenn er 14 Stück  aufschreibt. Ich suche also ein anderes Präparat raus, welches 14 Stück enthält. Noch das Sonderkennzeichen drauf und handschriftliche Begründung auf das Rezept.

Jetzt leuchtet auch noch der Bildschirm rot auf, eine schwerwiegende Wechselwirkung zwischen dem Sortis/Atorvastatin und dem Clarithromycin. Pharmama hat es ja schon erklärt.

„Ach Mensch, Frau Müller-Meyer-Richner, hier ist ja heute wirklich der Wurm drin. Ich muss noch mal telefonieren, aber diesmal mit dem anderen Arzt. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.“

Ich erkläre der Arzthelferin die Problematik, die mich dann auch an den Arzt durchstellt. Ich erkläre dem Arzt die Problematik. Der besteht aber auf Clarithromycin und sie soll aufgrund einer drohenden Lungenentzündung noch heute mit der Einnahme beginnen. Falls Frau Müller-Meyer-Richner die Nebenwirkung bekommt, solle sie beim Hausarzt vorstellig werden….

Ich versuche zum 3ten mal den Hausarzt anzurufen, da läuft aber nur der Anrufbeantworter. „Liebe Patienten, Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an….“

Etwas unzufrieden gehe ich zu Frau Müller-Meyer-Richner zurück.
„Frau Müller-Meyer-Richner, Ich habe mit dem HNO Arzt telefoniert. Sie sollen das Clarithromycin wie verordnet einnehmen. Es ist auch kein Penicillin. Allerdings gibt es ein Problem zwischen dem Atorvastatin und dem Antibiotikum. Wenn Sie Muskelschmerzen kriegen, also so was wie Muskelkater, dann müssen Sie sofort zu Ihrem Hausarzt gehen. Zeigen Sie Ihm bitte beide Packungen.“

Frau Müller-Meyer-Richner nickt “Solang es kein Penicillin ist.“

Ich gehe in der Zwischenzeit an die Schubladen und suche die Medikamente zusammen. Wieder vorne angekommen zeige ich Ihr jede einzelne Packung.

„Hier habe ich das L-Thyroxin125 Henning 100stück, Eine morgens auf nüchternen Magen. Hier ist das Calcimagon D3, welches Sie auch erstmal weiter morgens einnehmen, bis Sie das nächste Mal zu Dr. Hausarzt gehen. Dann habe ich hier Ihre Wassertablette Torasemid AL 10 mg 100stück…“

Sie unterbricht mich. „Ach 10miligramm, die soll ich jetzt teilen und nur noch eine halbe morgens nehmen, sind die denn zu teilen?“

Ich schaue auf die Packung. „Ja, die haben eine Bruchrille. Die sind zum teilen.“

„Der Arzt sagt nämlich, dass wir so der Kasse sparen helfen. Ich brauche dann nur noch alle halbe Jahr eine Packung.“

Ich lege Ihr die nächste Packung hin: Marcuphen v ct 100st Frau Müller-Meyer-Reichner nickt bestätigend. „Da habe ich einen Einnahmeplan, da brauchen Sie nichts zu sagen.“

Das Atorvastatin Hexal wird noch mal misstrauisch  beäugt „und das ist wirklich wie mein Sortis?“

„Ja, das ist wie das Sortis, schauen Sie zuhause noch mal auf die Sortis Packung, da steht als Wirkstoff:Atorvastatin drauf.“

Ihr Blick hellt sich auf: “Ach ja, auf die Idee bin ich nicht gekommen. Das mache ich so.“

Ich erkläre Ihr noch die genaue Einnahme des Antibiotikums. Frau Müller-Meyer-Richner bezahlt und freut sich sehr dass Sie die 140 Euro beim Sortis eingespart hat. Sie verlässt nach 25 Minuten die Apotheke.

Nachtrag: 3 Tage später kommt sie wieder mit einem Rezept über Torasemid 5mg 100 Stück und erklärt auf meine Nachfrage hin: „Die Tabletten waren so klein, die konnte ich gar nicht durchbrechen und wenn ich es mit dem Messer versucht haben zu teilen, so waren die Bruchstücke unterschiedlich groß. Der Doktor hat mir dann doch lieber wieder die 5 mg verschrieben.“    

Das Fazit bzw den Irrsinn im Deutschen Apothekenalltag dürfen die geneigten Leser ziehen.

33 Kommentare zu „So läuft das (in Deutschland)

  1. Und in solchen Momenten bin ich froh, Deutschland, bzw. dem deutschen Gesundheitssystem, den Rücken gekehrt zu haben!

    Ein sehr guter Freund von mir ist Apotheker in Deutschland, was er da immer erzählt, ist wirklich Haarsträubend. Ich kenne also einige solcher Geschichten und kann Deiner Gastautorin wirklich nur mein Beileid aussprechen in so einem System arbeiten zu müssen…

    LG M.

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  2. Das klingt sehr frustriert, mein Beileid der Autorin. Wenn der eigene Beruf keinen Spaß mehr macht, ist es manchmal sinnvoll, über einen Berufswechsel nachzudenken. Das kann besser sein, als in seinem alten Beruf zu versauern und immer nur der Spielball der Krankenkassen zu sein.

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    1. Ich denke, dass ihr der Beruf an sich schon noch Spass macht … nur eben das mit dem Spielball der Krankenkassen nicht.
      Vielleicht …. könnte die Politik da dran mal was ändern?

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    2. Ich bin Apothekerin in der 3ten Generation. Ich liebe meinen Job und kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Ich liebe auch den Umgang mit meinen Kunden.
      Allerdings hat sich das Arbeiten in der Apotheke in den letzten 10 Jahren unglaublich verändert. Es war noch vor 10 Jahren unvorstellbar, das wir etwas anderes abgeben, als das was der Arzt aufgeschrieben hat. Mir gefällt es ganz und gar nicht, wie es sich verändert hat. Das macht den Frust.
      Ich möchte meine Patienten schnell und zeitnah mit dem Sachen versorgen, die Sie brauchen. Es kann doch wohl nicht sein, das man heute 10 Tage braucht, um zum Beispiel Pennadeln abzugeben, weil die Kasse 10 Tage braucht, um einen mitzuteilen, das Sie diese übernimmt oder auch nicht.
      Ich brauche kein Beileid, das brauchen eher die Patienten, die zum Spielball der Kasse gemacht werden.
      Der Mensch und seine Bedürfnisse soll im Mittelpunkt stehen. Ich kann ja sogar verstehen, das wir Kosten sparen müssen, damit das System nicht unbezahlbar wird, aber doch bitte nicht nur noch mit dem Fokus auf der Ersparnis.
      LG
      Boreal

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  3. Wenn ich so lese, wie es in D sein könnte (Pharmama) und tatsächlich ist (Boreal), kann ich nur staunen, dass hinter dem Tresen so selten ein Griesgram steht, denn *so* kann die Arbeit keinen Spaß machen. – Was für ein Irrsinn ist das denn?

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    1. Ja, das bringt doch ein bisschen Verständnis für die Apothekerin und PTA in der Apotheke – mit was die da kämpfen müssen.
      So sollte es wirklich nicht sein.

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    2. Es ist schon genauso ( ausser der Patient hat nur einen Artikel verschrieben bekommen, für den es keinen Rabattvertrag gibt ! )
      aber trotzdem mag ich meine Arbeit und unsere Kunden schätzen sie.

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      1. Umso größer meine Bewunderung. Ich glaub auch, dass deine Einstellung schließlich den Unterschied zwischen Job und Beruf ausmacht. Ersteren wechselt man im Zweifelsfall, während man den Beruf weiterhin mit Herzblut ausübt, auch wenn einem solche Brocken in den Weg gelegt werden. Und das merken die Kunden auch und honorieren es (hoffentlich oft). Geht mir in meinem Beruf auch nicht anders. Den geb ich so schnell auch nicht auf, auch wenn das Frustrationspotenzial in letzter Zeit eine leichte Tendenz nach oben hat (manchmal neig ich zur Untertreibung). ;-)

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  4. „Immer freundlich lächeln, immer vergnügt…“ *sing* Ist manchmal ganz schön schwer ^^ vor allem, wenn die Patienten nicht so nett und einsichtig sind wie Fra M-M-R hier, sondern man auch noch diskutieren darf *seufz* Aber hey, schlimmer gehts immer, oder? ;P

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  5. ich wohne in D. Erlebe es als Kunde, wie lange das in der Apotheke manchmal dauert. Grad aus oben beschriebenen Gründen.

    Habe hier schon versucht, mir vom Arzt und Apotheker erklären zu lassen, weshalb ich soviel Kassenbeitäge bezahle.
    Ich muss einiges selbst bezahlen, weil das die Kasse nicht mehr übernimmt.
    Das Beste war, das ein Medikament die Zulassung für Endometriose nicht mehr bekam. Stattdessen bekam ich vom Arzt eins was die Kasse zahlt. Mit dem Ergebnis, das ich jetzt das andere aus eigener Tasche bezahle, da das andere nicht das geholfen hat was es hätte sollen….

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  6. Real ist der Bericht leider nicht, die Deutschen Patienten sind selten so kooperativ und einsichtig, es heißt immer der Apotheker hat mir ein anderes Medikament gegeben, die Erklärung des Wirkstoffs wollen sie einfach nicht verstehen und dann regen sie sich noch auf, weil alles so lange dauert bis sie ihre Tabletten in der Hand haben, weil jedes Medikament durch den Kassencheck muss. Ich arbeite in einer Arztpraxis und bedaure die Apothekenmitarbeiter sehr.

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  7. Die Patienten sollten sich bei ihren Krankenkassen beschweren und nicht Apotheker und Ärzte zur Rechenschaft ziehen wegen der Kassenbeiträge. Die Krankenkassen sind die Verursacher aber die Apotheker halten den Kopf hin.

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  8. Ich habe mir die Zusammenhänge mal von unserem Apotheker etwas erklären lassen und seitdem verstehe ich einige Dinge deutlich besser. Daher sind solche Blogbeiträge sehr sinnvoll. Ich fand es sehr gut beschrieben.

    Ein Exkurs zum Thema Endometriosemedikament: Problem ist meines Wissens hier der Umstand, dass die Kasse keine Medikamente zahlt, die auch der Empfängnisverhütung dienen. Und gewisse Pillen, ich will keine Namen nennen, sind ja oft Mittel der Wahl. Das führt dann zu dem aberwitzigen Effekt, dass man entweder die Pille selber zahlt oder aber auf ein deutlich teureres Präparat umsteigt, das die Kasse zwar bezahlt, das u.U. Aber deutlich schlechter vertragen wird. Es lohnt sich aber, im Einzelfall gemeinsam mit dem Arzt einen Vorstoß bei der Kasse zu versuchen, es gibt Patientinnen, die trotzdem ihre Pille auf Rezept bekommen.

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    1. Ja, das wollte ich gerade auch vorschlagen. Auch bei uns gibt es teilweise die Möglichkeit eine Kostenübernahme zu beantragen, vor allem wenn der Arzt die medizinische Notwendigkeit sieht.

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  9. Kleine Bemerkung am Rande:
    „Das dauert immer gefühlte Ewigkeiten, weil der Computer die gesamte Datenbank in allen Stärken und Packungsgrössen durchsuchen muss, bis er mir die jeweiligen Rabatt Partner der AOK anzeigt.“ – nein, so etwas muss im 21. Jahrhundert nicht lange dauern, das Durchsuchen einer Datenbank selbst mit hunderttausenden von Einträgen ist auf jedem handelsüblichen PC in deutlich unter einer Sekunde möglich. Es kostet nur natürlich mehr, so ein System von jemandem programmieren zu lassen, der sich mit sowas auskennt…

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    1. Hmmm … vielleicht meldest Du Dich mal bei den Programmherstellern von Apothekensoftware. Unserer braucht nämlich auch lange, wenn er wirklich die ganze Datenbank durchsuchen muss für etwas. Zum Glück muss ich das meist nicht, wenn ich ein Rezept ausführe, sondern wenn ich sonst etwas suche für einen Kunden.

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      1. Na ja, bei einer anderen Branche habe ich das mal gesehen: Da gab es für die Spezialsoftware nur einen nennenswerten Anbieter, der zwar geschätzt runde 10 Jahre hinter dem Stand der Technik blieb, aber mangels Alternative doch die Marktführerschaft behalten konnte. Wie auch immer, ich bin mit meinem Job ganz zufrieden und werde wohl eher nicht anfangen, Apothekensoftware zu produzieren :-)

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    2. Das Herzstück jeder Apothekensoftware und auch jeder Arztsoftware in Deutschland ist die ABDA Datenbank. Diese entstand in den 80er Jahren mit dem Aufkommen der Computer. Geordnet wurde nach Eigennamen und Firmen, nicht nach Wirkstoffen. Es konnte sich schlicht keiner vorstellen, das jemals die Wirkstoffe so wichtig werden würde.
      Insofern führen wir heute mit der Wirkstoffsuche immer eine Rückwärtssuche entgegen der Datenbankstruktur aus. Deshalb dauert das immer gefühlte Ewigkeiten. Ich habe jetzt noch nie auf die Uhr geguckt, aber wenn ich nicht abkürzen kann, kann das schon mal sein, das der Computer 5 Sekunden braucht.
      Ich kann schon abkürzen, indem ich die Wirkstoffmenge und anschliessend die Stückzahl eingebe. Aber einige Wirkstoffe sind nach Ihrer Gesamtmenge inklusive Salz eingepflegt und dann muss ich die Wirkstoffsuche nach allen Stärken und Stückzahlen laufen lassen.

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  10. Ich bin seit anderthalb Jahren in Elternzeit und wenn ich so an den Berufsalltag zurückdenke, blende ich solche Sachen gerne aus und denke nur an die Momente, die wirklich Spaß machen.
    Solch ein Bericht reisst mich dann aber aus meiner Träumerei zurück in die Realität und macht mir bewusst, wieviel Mist da an einem Tag doch passieren kann. Ich finde, dieses Beispiel ist sehr realitätsnah und trotzdem geht es tatsächlich noch schlimmer, wenn die Kunden trotz mehrmaliger Erklärung nicht verstehen können / wollen, was wir da tun, wenn der Arzt grundsätzlich keine Kreuzchen macht und bei jedem aufgeschriebenen AM der Rabattvertrag ein anderes AM vorschreibt, was man dann manchmal auch noch bestellen muss, weil man nicht alles an Lager haben kann, wenn die Ärzte sich auf den Schlips getreten fühlen, wenn man vorsichtig anfragt, ob eine Wechselwirkung bekannt ist. Mir fallen da noch tausend Sachen ein…
    Ein wenig beruhigt es mich, dass wir alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben und das es in anderen Apos tatsächlich die gleichen Probleme gibt.
    Manchmal fühlt man sich doch ein bischen wie bei „Verstehen Sie Spaß?“ und wartet darauf, dass jemand um die Ecke kommt und sagt, das sei alles ein schlechter Scherz, oder? Wann können wir uns endlich wieder um das Wesentliche kümmern und nicht darum, den Kassen beim Sparen zu helfen?

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  11. Ein schön geschriebener Artikel, der auch dem nicht „vorbelasteten“ Leser einen Eindruck von den Folgen einer der diversen „Gesundheitsreformen“ gibt. Dankeschön!
    Es gab Zeiten, da versprach das Wort „Reform“ eine Verbesserung für die Menschen, doch heutzutage sieht das leider anders aus, im Gesundheitswesen und anderswo.
    Da stellt sich doch die Frage, warum das alles, warum dieser ganze „Zirkus“, warum wird das Gesundheitswesen langsam aber sicher kaputtgespart?

    Das gilt ja nicht nur für die Apotheken und die Arzneimitte, auch die Versorgung mit Hilfsmitteln wird durch den Kostendruck der Krankenkassenfür die Sanitätshäuser immer schwieriger und auch mit den Krankenhäusern geht es bergab. Einsparungen beim Personal mit der Folge von Überlastung und daraus folgend zunehmende Mängel bei der Pflege und der Hygiene zum Beispiel.

    Also warum?
    Weil das System ohne diese Kosteneinsparungen nicht mehr finanzierbar ist, wie es immer so schön heisst? Oder gibt es da doch noch ganz andere Gründe? Und wenn ja, welcher könnte das sein?
    In Deutschland gibt es die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (www.insm.de), eine Lobbyorganisation des Kapitals („der Wirtschaft“), welche sich öffentlichkeitswirksam für einen Abbau des Sozialstaats („schlanker Staat“) einsetzt, um das Land international „konkurrenzfähig“ zu machen bzw. zu halten.
    Diese Iniative verteilte vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos ein Buch, in dem in sehr gut verständlicher Form die wichtigsten Denker der Volkswirtschaftslehre und ihre Theorien vorgestellt werden. Von Adam Smith, über John Maynard Keynes bis Milton Friedman (Klassiker der Ökonomie, ISBN 3-89331-759–7.
    Auf Seite 237f findet man die wahrscheinliche Antwort auf meine Frage nach den Gründen! Dort heisst es unter der Überschrift Liberalismus in Zeiten des kalten Krieges u.a.:
    „Angesichts kommunistischer Propaganda sah man sich im Westen selbst im konservativen Lager genötigt (!), auch der Masse der Bevölkerung Vorteile aus der kapitalistischen Ausrichtung des eigenen Systems zu verschaffen (!!). Entsprechende staatliche Regelungen wurden getroffen, um so in der Konkurrenz der Systeme die breite Bevölkerung für die eigene Weltsicht zu gewinnen.“ usw. (die Ausrufezeichen sind von mir).

    Den Rest kann sich wohl jeder denken …

    Beste Grüße
    Jens Christian Heuer
    http://pharmakologie2012.wordpress.com/

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  12. Ja, so sieht es aus. Allerdings eine Kundenkarte, mit der bisherige Verordnungen erfasst werden, hat mir bisher erst eine von zahllosen Apotheken, die ich besucht habe, angeboten.

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    1. … was meinst Du mit „bisherige“? Es dürfte ziemlich schwierig sein Bezüge vor dem Ausstellen der Karte aufzunehmen. Vielleicht noch als allgemeine Aufzählung, was für Medikamente man sonst noch nimmt?

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    2. Eine Kundenkarte ist dann sinnvoll, wenn man wenigstens den größten Teil seiner Arzneimittel in einer Apotheke kauft – nur so kommen aussagekräftige Daten zusammen.

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    3. Bei „unserer“ Apotheke habe ich eine Kundenkarte.
      Da werden dann aber auch die Medikamente eingetragen,
      die mein Mann verschrieben bekommen hat.
      Neulich führte das dann hinsichtlich der Dosierung zu leichten
      Irritationen als ich erstmals mit einem Rezept für Ramipril kam….

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  13. Rosuvastatin (Crestor) erwies sich jüngst in einer Vergleichsstudie dem Atorvastatin (Sortis, inzwischen auch Generika) als etwas überlegen. Beide Statine sind aber besonders gut wirksam und können anscheinend in begrenztem Umfang sogar atherosklerotisches Plaques abbauen: http://pharmakologie2012.wordpress.com/2012/06/11/uberraschende-wirkung-zweier-cholesterinsenker/

    Viele Grüße
    Jens Christian Heuer
    http://pharmakologie2012.wordpress.com/

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  14. Um den Irrsinn komplett zu machen: Früher durften Ärzte z.B Novaminsulfon ratio 50 St 2 OP aufschreiben und wir das so abgeben.Heute muß der Arzt schriftlich!in Worten! einhundert Stück!!! plus eigenhändige Unterschrift auf dem Rezept vermerken,damit wir auch 100 Stück abgeben dürfen.Ansonsten retaxiert uns die Kasse das Rezept auf Null.Leider,obwohl diese Regelung schon seit zwei Jahren besteht, funktioniert das immer noch nicht,bzw einige Ärzte sind nicht Willens sich daran zu halten.Nachsehen hat der Patient.

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