Alles für die Katze – oder?

Seit ein paar Jahren (seit 2005) dürfen die Apotheken in der Schweiz auch Tiermedikamente abgeben. Vorher hatten die Tierärzte das Monopol. Das ging soweit, dass wir nicht einmal die rezeptfreien Tiermedikamente bestellen konnten. Die Hersteller-Firmen und die Grossisten weigerten sich, das zu liefern. Dann beschloss die Wettbewerbskommission WEKO, dass das Monopol illegal wäre und das Tier (oder besser der Halter) auch hier das Recht auf einen freien Leistungserbringer habe – lies: er darf seine Medikamente für das Tier auch woanders beziehen als beim Tierarzt.

Ein paar Apotheken haben sich anschliessend auch auf Tiere und ihre Medikamente spezialisiert, entsprechende Weiterbildungen absolviert und arbeiten auch mit Tierärzten zusammen und haben Tiermedikamente an Lager. Wir gehören nicht dazu. Nur gelegentlich sehe ich ein Rezept von einem Tierarzt – meist dann, wenn der das Mittel nicht selbst an Lager hat.

Analog beim Menschen muss aber auch bei der Abgabe von Tierarzneimitteln einiges beachtet werden.

Wir müssen fragen:

  • für welches Tier ist es, wie alt? Welche Rasse? Gewicht?
  • Ist es ein Nutztier oder ein Heimtier? (Nutztiere unterliegen verschärften Bestimmungen, da Produkte von ihnen : Eier, Milch, Fleisch … als Lebensmittel verwendet werden).

Anhand dieser Angaben erstelle ich dem Tier ein Dossier mit seinen Informationen und den Medikamenten, die es bekommen hat.

Apotheker dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel für Tiere abgeben auf Rezept. – nur in begründeten Ausnahmefällen ohne (und als nicht-spezialisierte Apotheke mache ich das im Normalfall gar nicht).

Was rezeptpflichtig ist, kann sich aber von dem beim Menschen unterscheiden – das Wurmmittel Vermox zum Beispiel gibt es für den Mensch ohne Rezept, für das Tier aber nur mit. Impfungen und Impfstoffe gehen immer noch nur über den Tierarzt.

Humanarzneimittel sind nicht für Tiere bestimmt. Sie können in gewissen Fällen trotzdem angewandt werden, aber es muss erst abgeklärt werden, ob es kein Produkt gibt, das für das Tier zugelassen wurde, oder für eine andere Tierart …

Es gibt noch mehr Bestimmungen (speziell für Nutztiere) aber das lasse ich jetzt hier mal.

Soviel zur Theorie.

Jetzt zu dem, was das in der Praxis für Auswirkungen hat:

Es kommt in die Apotheke eine Frau mit 2 Kindern und will von mir Pred forte Augentropfen. Die sind Cortisonhaltig, Rezeptpflichtig. Liste A.

Frau: „Neiiin, das brauche ich nicht für mich, sondern für unsere Katze. Die hat einmal wieder eine Augenentzündung und das hilft im Normalfall sehr gut!“

Es ist (natürlich) Samstag und schlimmer noch – sie fahren morgen in die Ferien. Darum braucht sie das jetzt, damit die Nachbarin die Katze behandeln kann.

Pharmama: „Ich bräuchte dafür ein Rezept, auch wenn es für ein Tier ist.“

Frau: „Rezept? Nein, sowas habe ich nicht. Ich hatte es von der Tierärztin direkt …  Jetzt stellen Sie sich nicht so an, schliesslich ist das ja für die Katze und nicht für mich. Und ich kann ja nichts damit anstellen, oder? Woanders habe ich das schon problemlos ohne Rezept bekommen.“

Pharmama: „Ich bin aber nicht woanders. Ich halte mich an Vorschriften und rezeptpflichtig bleibt rezeptpflichtig. Aber … wenn ihr Tierarzt mir sagen kann, dass die Abgabe in Ordnung ist, dann bin ich bereit, ihnen das zu geben.“

Wiederwilligst rückt sie den Namen des Tierarztes heraus, den ich im Telefonbuch auch finde und anrufe. Er ist tatsächlich erreichbar und bestätigt mir auch, dass die Katze das von ihm schon einmal hatte – vor etwa 5 Jahren (!). Seitdem hat er sie nicht mehr gesehen. Von daher kann er nicht sagen, dass sie auch noch Kunde von ihm sind …

Das ist der Moment, wo ich das Telefon erst mal weiterreiche.

Nach kurzer Diskussion bekomme ich das Telefon wieder. Laut ihm darf ich das abgeben … mit der Auflage, dass die Frau und Katze nach den Ferien bei ihm vorbeikommen.

Die Frau nimmt das mehr schlecht als recht entgegen – O-Ton: „das kostet nur wieder Geld“ verspricht es mir aber gezwungenermassen. Ich kämpfe mich durch den Papierkram, danach bekommt sie es.

Übrigens: von wegen man kann „nichts anstellen“ mit den Augentropfen. Missbraucht werden sie schon nicht, aber Cortisonhaltige Tropfen falsch angewendet – zum Beispiel bei einer Augen-Infektion kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen. Aber es ist ja *nur* für die Katze.

25 Kommentare zu „Alles für die Katze – oder?

  1. Aber theoretisch kann es doch auch passieren, dass sie jetzt einfach nicht mehr zum Tierarzt geht nach den Ferien oder?

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    1. Theoretisch glaube ich das sie die Theorie, Theorie sein lassen wird und in der Praxis praktischerweise nicht in die Praxis gehen wird.

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  2. Oh Gott, wenn ich jedes Mal einem Euro bekommen hätte, wenn ich diese dummen Sprüche gehört habe (ist doch nur für das Tier, ich brauch es aber und fahr morgen in den Urlaub, woanders gab es nie Probleme, das ist das erste Mal, dass ich kein Rezept habe, stellen Sie sich doch nicht so an, usw.), wäre ich ein reicher Mann. Die Kunden begreifen einfach nicht, dass die Verschreibungspflicht eine der Letzten Verbraucherschutzgesetze ist, welches wirklich funktioniert. Es ist und bleibt Sinnvoll, dass man erst von einem Experten oder einer Expertin die Erlaubnis einholt, ob man dieses Arzneimittel kaufen und anwenden kann. Der Ratschlag eines Experten ist notwendig und ganz bestimmt nicht die Tatsache, dass der Onkel vom Nachbarn des Schwagers es auch immer so gemacht hat – und das gilt selbstverständlich für Mensch und Tier.

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      1. Kati kommt nicht von Katharina sondern von Kater. Immerhin muss ich ja meinen süßen Katzen irgendwie klarmachen, dass ich der Chef bin (*lol*).

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  3. hmm, das ist das blöde, wollen nicht alle gerade in dem Moment in den Urlaub? Kann man das einfach so glauben?

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  4. der Hund von meiner Mutter kriegt allergischen Ausschlag am Bauch wenn er was falsches frisst. Dagegen hilft Hexoral-Gurgellösung (auf einem Wattebausch auf den Bauch getupft), dann kann der arme Hund aufhören, sich den Bauch wund zu kratzen :)
    aber das ist dann wohl eher das Thema „off-label-use“ bei Tieren, oder?

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      1. ja. war eine Empfehlung des Tierarztes. Und hat den Hund von seinem Juckreiz erlöst. In der Apotheke hat man mich freundlich gefragt, ob ich wüsste, wie es anzuwenden ist und war erstaunt, als ich ebenso freundlich geantwortet habe, dass es auf den Hund gerieben wird :)

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  5. Elternführerschein, Tierhaltungsführerschein,… es ist zwar traurig, dass man das Bedürfnis hat die Menschen so zu entmündigen, aber manchmal fällt einem leider nicht viel mehr ein -.-

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  6. Jetzt weiss ich endlich, warum damals vor gefühlt 100 Jahren die Apotheke nur nutzlose Wurmmittel für Katzen hatte… das war wohl das einzige, was sie verkaufen durften.
    Unvergessen der Blick der Praxisassistentin, als ich mal in der Tierarztpraxis auftauchte „bitte Wurmmittel für 12 Kilo Katze“ *rofl* – ich beruhigte sie dann damit, dass sich die 12 Kilo auf 4 Katzen verteilten… (aber da das Mittel ja gemäss Körpergewicht dosiert wurde, hatte ich einfach alle zusammengerechnet).

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    1. Oh – es *gibt* Katzen, die 12 Kilo wiegen … (nicht dass sie es sollten … und die Halter von denen sollte man wegen Tierquälerei dranbringen).

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      1. Ich habe einen Kater, der wiegt 11 Kilo, und drei andere, die 3, 5 und 6 Kilo wiegen. Alle kriegen dasselbe Futter. 6 und 11 Kilo sind Brüder, sehen sich bis auf die Kilos sehr ähnlich (fast wie Zwillinge) und haben eine Schulterhöhe wie ein Cockerspaniel. 11 Kilo ist recht beleibt, aber 6 Kilo definitiv zu dünn. Beide sind meist gesund und munter, und ich füttere weder den mit den 11 per Zwangsernährung noch lasse ich den anderen darben- weiß der Schinder, wieso sie so unterschiedlich sind. Tierquälerei sollte man, auch bei Katzen, nicht an Zahlen festmachen. Die sagen nämlich im Zweifel gar nichts aus.

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        1. Mein Großer ist leider letztes Jahr gestorben und da ging es ihm so schlecht, dass er schon lange nicht mehr so schwer war. In seinen besten Tagen hatte er aber locker mehr als 12 Kilo und es ging ihm glänzend. Wäre ich selber ein Kater, hätte ich bestimmt versucht ihn zum Freund zu haben. Erst auf den zweiten Blick hat man dann gesehen, dass der Typ mit der offensichtlich tollen rechten Geraden ein so herzensguter Kerl war, dass er wirklich niemanden etwas zu leide tun konnte (er har wirklich im Garten mit Schmetterlingen liebevoll Nachlaufen gespielt und als mal eine junge Spatzendame aus dem Netz gefallen ist, kam er zu uns, um sie uns zu zeigen, damit wir ihr helfen konnten).

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  7. Das Problem ist letztendlich: Gesetz ist Gesetz und im zweifellsfall kostet es die Approbation, wenn man verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept abgibt ( in Deutschland sind die Regeln da ja noch etwas anders, da wir diese Patienten-Dossiers nicht haben).
    Und wenn dann der Kunde, auf den man vorher geduldig eingeredet hat, aus der Nachbarapotheke kommt und mir mit dem verschreibungspflichtigen Medikament vor der Nase herumwedelt: „Sehen se, die stellen sich nicht so an!“ dann fehlen mir kurzzeitig einfach die Worte.

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    1. Hmm, Tierarzneimittel sind ein schwieriges Thema…
      Hier in Deutschland kam gerade mal wieder die Forderung auf, das Dispensierrecht für Tierärzte abzuschaffen, weil „die ja an den Antibiotika verdienen und deswegen möglichst viele verkaufen wollen“.
      Im Rahmen dessen hab ich mich mal dumm gestellt und 3 Apotheken „getestet“. Trauriges Ergebnis: Mindestens 2 von 3 hätten mir auf ein Tierarztrezept nicht das für Hunde zugelassene Herzmedikament verkauft, sondern ein Human-Generikum (das nur 1/4 kostet) und damit gegen das deutsche Arzneimittelgesetz verstoßen. Bei der dritten Apotheke hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass sie gar nicht verstanden hat, worum es eigentlich ging… Den Begriff „Umwidmungskaskade“ kannte niemand…
      In der Schweiz ist die rechtliche Lage sicherlich etwas anders – in Deutschland haben „normale“ Apotheken keinen Schimmer von den rechtlichen Besonderheiten von Tierarzneimitteln! Obwohl sie sie offiziell seit Jahr und Tag verkaufen dürfen.

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      1. Hm…bei meiner Lieblingsapotheke (etwas größer, mitten in der Innenstadt, gefühlt 10 Angestellte gleichzeitig im Verkaufsraum) gibt es extra eine Apothekerin, an die man mit „Tierproblemen“ verwiesen wird. Die konnte uns dabei bisher auch gut helfen und etwas passendes verkaufen. Da gehen dann aber auch viele wegen Tiermedikamenten hin. Wahrscheinlich also mal wieder eine Frage von Angebot und Nachfrage…

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      2. @me: ich bin sicher, dass auch in der Schweiz noch viele Apotheken nicht groß Ahnung haben, was die Gesetze um die Tiermedikation angeht. Speziell die, die wenig bis nichts damit zu tun haben. Mir selbst geht’s ja auch so. Und ich hatte ( auch wenn wir nicht darauf spezialisiert sind) in die Richtung Weiterbildungen gemacht.
        Die spezialisierten, die Arbeiten auch mit Tierärzten zusammen, die kennen nicht nur die gesetzlichen Grundzüge,sondern können bei Problemen nachfragen.
        Wenn ich ein krankes Tier hätte, würde ich auf jeden Fall in so eine Apotheke gehen.

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      1. Das ist wohl eine Frage der Lage: südlich des Weißwurst-Äquators heißt es auch in der BRD „an Lager“…zumindest bei den Schwaben.

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