Rückruf … ruf …. ruf

In Amerika hatten sie gerade eben einen ziemlich unangenehmen Medikamenten-Rückruf. Er betrifft eine Pille (orale Kontrazeptiva) – in den Packungen wurde die Reihenfolge der Tabletten (21 mit Wirkstoff, 7 mit Placebo) nicht korrekt eingehalten. Das sich daraus ergebende Problem kann man sich denken: mögliche Schwangerschaften.

Ziemlich übel, auch wenn  ich gehört habe, dass die Tabletten 2 verschiedene Farben (rosa und weiss) haben. Natürlich wurden die Pillen zurückgerufen (über eine Million Packungen) und die Patienten, die möglicherweise betroffen sind informiert. Hier sieht man zum Beispiel die Medieninfo auf youtube. Wie unglaublich beruhigend ….

Die folgende Begegnung habe ich von einem amerikanischen Kollegen (Danke J!):

Kundin: „ Also, warum haben sie mich nicht gewarnt, als ich diese Tabletten bekommen habe?“

Apotheker: „Weil wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen konnten, dass sie nicht in Ordnung waren.“

Kundin: „Aber sie sollten das wissen!“

Apotheker: „Der Rückruf kam erst vor ein paar Tagen. Wir konnten nicht wissen, dass …“

Kundin: „Dann hätten sie sie erst testen sollen!“

Apotheker: „Wir können sie nicht testen. Wir haben die Ausrüstung nicht dafür. Das ist ein Medikament das wir so abgepackt bekommen. Die Herstellungsfirma testet die.“

Kundin: „Haben sie eine Ahnung, um was es hier geht? Ich könnte schwanger sein!“

Apotheker: „Ich verstehe das und sie haben mein Mitgefühl. Ich würde ihnen auch dazu raten, sich einen Schwangerschaftstest zu besorgen. Ich kann ihnen nur wiederholen, dass das nicht in meiner Verantwortung liegt, sondern in der des Herstellers.“

Kundin: „Ich kann es nicht glauben, dass sie mir defekte Tabletten gegeben haben. Warum haben sie sie mir gegeben?“

Apotheker: „Wie ich schon vorher gesagt habe, wir konnten nict wissen, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung war. Wir testen keine Fertig-Artzneimittel, das liegt im Verantwortungsbereich des Herstellers.“

Kundin: „Und was mache ich jetzt?“

Apotheker: „Ich rate ihnen, mit der Packung die sie haben, nicht weiterzufahren, den Ersatz, den ich ihnen gegeben habe zu verwenden und …“

Kundin: „Woher wissen sie, das DIE nicht auch fehlerhaft sind?“

Apotheker: „… Um ehrlich zu sein, das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Ich kann ihnen aber sagen, dass diese Tabletten nicht von dem Rückruf betroffen sind und …“

Kundin: „Also was soll ich tun? Einfach hoffen, dass ich nicht schwanger bin und die Ersatztabletten nicht auch fehlerhaft sind?“

Apotheker: „Ich habe ihnen alles gesagt, was ich konnte. Der Fehler in den zurückgerufenen Tabletten sind höchstwahrscheinlich ein isoliertes Problem, das eine Produktionsreihe während einer bestimmten Zeit betraf in einer einzigen Fabrik. Diese Pillen hier wurden zu einer anderen Zeit und in einer anderen Fabrik hergestellt – es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie auch defekt sind.“

Kundin: „Ich begreife immer noch nicht, wie sie so nachlässig sein konnten und mir diese zurückgerufenen Pillen gegeben haben!“

Apotheker: „Noch einmal: wir konnten nicht wissen, dass diese Tabletten fehlerhaft sind. Zu dem Zeitpunkt, als sie sie holten, waren sie noch nicht zurückgerufen und sobald wir davon erfahren haben, haben wir sie benachrichtigt.“

Kundin: „Aber sie hätten sie mir schon von Anfang an nicht geben sollen!“

… und nochmal, und nochmal.

23 Kommentare zu „Rückruf … ruf …. ruf

  1. Erinnert mich an diese Endlosdiskussionen, die wir hier in D wegen der Rabatt-Arzneimittel führen müssen („Das ist aber nicht das, was ich das letzte Mal hatte.“, „Warum geben Sie mir nicht das vom letzten Mal?“, „Und letztes Mal war die Packung auch viel kleiner.“)
    Anstrengend, einfach nur anstregend…
    Was ich mich aber frage – gibt es denn sowas wie Unterhaltszahlungen oder Schadenersatz, falls tatsächlich eine der Frauen schwanger wird?

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  2. Wenn die Tabletten verschiedenfarbig sind, wie weit kann man dann wohl auf den Intellekt und eine gewisse Eigenverantwortung der Anwenderinnen verweisen? Wenn der Hersteller für alle in diesem Zeitpunkt entstandenen Kinder Unterhalt und an die Mütter womöglich Schadenersatz zahlen soll, dann bin ich mal auf die Beweisführung im Rechtstreit gespannt – wer will wie nachweisen, dass die Frauen die Tabletten korrekt eingenommen haben?

    Und ich frage mich, wie es um die Qualitätskontrolle im Abfüllbetrieb bestellt ist und mit welchem Nachdruck die FDA dort Ärger macht (bei amerikanischen Firmen sind sie bekanntlich etwas handzahmer als in europäischen Firmen). Ach, manchmal möchte ich Mäuschen sein…

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    1. Zu beweisen, dass die Patientin diese Sorte Tabletten bekommen hat in diesem Zeitraum sollte relative einfach möglich sein – die Amerikaner müssen wie wir Dossiers führen über die Abgabe von rezeptpflichtigen Sachen an Patienten. Ob es genau die fehlerhafte Art war, oder ob die Schwangerschaft an einer falschen Einnahme der Tabletten lag – das wird sich nicht nachweisen lassen. Aber für diverse Schadensersatzforderungen reicht das allemal. Speziell in Amerika.

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    2. Ohne Details zu dem Vorfall zu kennen, kann man nur über den „Zustand“ des Betriebes spekulieren. Man müsste wissen, wie häufig der Fehler aufgetreten ist. Möglicherweise hat die Qualitätskontrolle statistisch kaum eine Chance gehabt, den Fehler zu entdecken. Alles Spekulation. Medikamente können nicht zu 100,00% kontrolliert werden, besonders in der Abfüllung nicht. Man nimmt immer ein gewisses Restrisiko des Nichtentdeckens von Fehlern in Kauf.

      Solche Fehler haben fast immer mit menschlichem Versagen zu tun, da werden dann unbewußt (ganz selten bewußt) Kontrollen ausgetrickst.

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      1. Ich kann mir vorstellen, dass sie Verumtabletten in die Placeboabfüllung und/oder umgekehrt gefüllt haben. Die QA dort ist sicherlich völlig aus dem Häuschen, eigentlich gibt es zig Vorschriften und Doubblechecks, die sowas verhindern sollen.

        Und weil ich als Endverbrauchen nie zu 100% sicher sein kann, schaue ich mir einen Tablettenblister schon mal an, ob mir etwas auffällt. Ist aber vielleicht auch eine Brufskrankheit von mir, weil ich auch hier im Labor jede Chemikalie anschaue, bevor ich sie verwende.

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  3. „Wenn die Tabletten verschiedenfarbig sind, wie weit kann man dann wohl auf den Intellekt und eine gewisse Eigenverantwortung der Anwenderinnen verweisen?“

    Leider vermutlich nicht sehr weit…

    Da war doch z.B. diese amerikanische Kundin, die Kaffee kaufte und sich daran verbrühte. Dann reichte sie Zivilklage ein, weil auf den Kaffeebechern keine Warnung vor heißem Kaffee gestanden hatte. Sie hatte Erfolg und bekam eine Menge Schmerzensgeld. Und auf allen Kaffeebechern steht jetzt sicherheitshalber „Vorsicht, Getränk kann heiß sein.“

    Wenn die Eigenverantwortung nicht mal so weit geht, den Kaffeekocher nicht für heißen Kaffee zu beschuldigen…

    Schwiegermutti sagt immer: „Kalt kochen kann ich nicht.“ ;-)

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  4. Das mit dem Kaffee ist so ein urban Mythos.
    In Wirklichkeit wollte sie nur Schadensersatz, hat keinen bekommen. Und das ganze war in England.
    Damit aber niemand auf die Idee kommt, Schadensersatz zu fordern, gibt es diese Hinweise.

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    1. na klar wenn ich einen fixen Partner habe dann nehme trotz Pille noch ein Kondom, zzur Sicherheit, falls die Pharmafirma ihr Produkt verhunzt… da kann ich mir aber gleic das Geld für die pille sparen und mit Kondom verhüten… *augenverdreh*

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  5. Vielleicht hat ja auch die Pharmaindustrie de Mythos von der absoluten Machbarkeit selbst in die Welt gesetzt ? Und jetzt das !
    Nur dass die Kunden das ungerechter Weise auf den Apotheker abwälzen.

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  6. KEIN Verhütungsmittel ist unfehlbar. Mit Fehlern muß man immer rechnen. Und da Sex von der Natur nunmal in erster Linie als Fortpflanzungsmittel gedacht ist und nicht nur als Zeitvertreib, muß man sich immer dessen bewußt sein und verantvortungsvoll damit umgehen. Aber es ist ja so viel schöner, die Verantwortung einfach auf andere abzuschieben, als selber zu denken…

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  7. Nunja, wenn die Dame so sehr an der Pille ähm dem Apotheker zweifelt, sollte sie vielleicht eine Verhütungsmethode wählen wo sie nicht auf die Pharmaindustrie angewiesen ist.

    Mit der Tablettenfarbe kommt man nicht weit. Nicht jeder Blister ist Transparent, sodass man das vor dem rausdrücken sehen kann. Nicht jede Frau nimmt ihre Pille bei Tageslicht ein, sodass der kleine Unterschied zwischen rosa und weiß leicht zu sehen ist. Ich hab meine früher morgens ohne Brille im Halbschlaf genommen, das reichte um zu sehen, dass ich die nächste im Blister nehme aber nicht, welcher Tag auf dem Blisterloch (heißt das so?) steht oder welche Farbe sie hat. (war einphasig, das war nicht das Problem).
    Außerdem wäre es auch möglich, dass die Firma die Farben ändert, deswegen würde ich jetzt nicht die komplette Packungsbeilage des Medikaments was ich seit Jahren nehme, lesen, nur weil eine Farbe anders ist.

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    1. Das Blisterloch wird meist als Blisternapf oder einfach nur Napf bezeichnet.

      Mit der Farbe hast Du recht, da kommt man wirklich nicht weit. Das kann man den Kundinnen tatsächlich nicht zumuten. Wer zählt schon nach, ob da jetzt 7 oder 8 weisse Tabletten drin sind? Da muss jemand schon sehr genau aufpassen, besonders wenn der Blister nicht transparent ist und man das erst beim Rausdrücken sieht.

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  8. Also einerseits beweist diese Konversation mal wieder deutlich, dass niemand zu dumm zum … ist.

    Und dann gibts in meiner Verwadtschaft (hat ein paar Ärzte drin) noch die Geschichte:
    Zum Verhüten soll man einen Apfel essen!
    Davor oder danach?
    Stattdessen!
    Funktioniert 100%!!!! ;-)

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  9. Es ist natürlich nicht gerechtfertigt, dass die Dame den Apotheker jetzt so runterputzt, aber dass manche Kommentatoren hier der Frau eine Mitschuld geben find ich auch nicht richtig. Sie hat Medikamente bekommen und sie ordnungsgemäß eingenommen. Sollte man sich nicht grundsätzlich darauf verlassen können, dass diese korrekt abgepackt sind? Ist es wirklich in der Verantwortung eines Patienten, sich jeden Tag zu vergewissern, welche Farbe die aktuelle Pille hat vs haben sollte?
    Ich kann jedenfalls verstehen, dass sie jetzt ziemlich aus der Bahn ist. Das sind ja nicht mal eben ein paar Vitamine, die sie da verpasst hat, sondern das kann mal fröhlich ihr Leben auf den Kopf stellen.

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  10. einatmen ausatmen einatmen ausatmen einatmen ausatmen… was für Geduld hatte der Apotheker…
    ich hoffe, dass die Firma, die diese Pille produziert, eine richtige Beihilfe den Patienten gibt. Und wichtiger, dass die Pille keine lebensgefährliche Konsequenzen hat.

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