Muss die Apotheke Medikamente auf Rechnung abgeben?

Situation: Der Kunde hat eine Krankenkasse, bei der das „Tiers garant“ gilt – das bedeutet, die Kasse hat keinen Vertrag mit den Apotheken gemacht, so dass bezogene Medikamente von der Apotheke nicht direkt der Krankenkasse abgerechnet werden können.

Dem Kunden passt das nicht (vielleicht hat er auch kein Geld dabei) und dann kommt gelegentlich das: „Sie müssen mir eine Rechnung stellen.“

Muss die Apotheke das?

Das findet sich so zum Teil auch als „Rat“ im Internet in verschiedenen Foren, auch hier auf einer Seite für die Assura Krankenkasse:

Das vom KVG vorgesehene System des „Tiers garant“ drängt sich bei ambulanten Leistungen als vernünftigstes Zahlungssystem auf. Kann der Versicherte seine Medikamente nicht bar bezahlen, muss der Apotheker ihm eine Rechnung ausstellen (Art. 42, Abs 3 KVG)

Was steht denn in dem erwähnten Artikel 42 des Krankenversicherungsgesetzes? Absatz 3:

Der Leistungserbringer muss dem Schuldner eine detaillierte und verständliche Rechnung zustellen. Er muss ihm auch alle Angaben machen, die er benötigt, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können. Im System des Tiers payant erhält die versicherte Person eine Kopie der Rechnung, die an den Versicherer gegangen ist. Bei stationärer Behandlung weist das Spital die auf Kanton und Versicherer entfallenden Anteile je gesondert aus. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten

Leistungserbringer hier = Apotheke. Schuldner = Krankenkasse. Aber hier steht Rechnung im Sinne von Quittung. Die Apotheke muss eine Quittung ausstellen, auf der die Leistung ersichtlich ist, sowie der Preis der Leistung. Da steht nichts davon, dass ich dem Patienten eine Rechnung ausstellen muss, die er erst später bezahlen kann.

Noch etwas deutlicher findet man das in den „Fragen und Antworten zur LOA“ auf der Seite der Santesuisse – dem Verband der Krankenversicherer:

18. Darf der Apotheker von Kunden, deren Krankenversicherer dem neuen Tarifvertrag nicht beitreten, Barzahlung verlangen, oder muss er eine Rechnung ausstellen?

Unter diesen Voraussetzungen gilt der Tiers garant. Im Tiers garant kann der Leistungserbringer auch Barzahlung verlangen. Allerdings ist in diesem Fall darauf zu achten, dass der Leistungserbringer dem Versicherten auch in diesem Fall eine detaillierte und verständliche Rechnung übergibt – sonst kann der Versicherer keine Rückerstattung vornehmen.

Eben: Rechnung im Sinne von Quittung. Nicht im Sinne von: jetzt beziehen, später zahlen.

In unserer Apotheke halten wir es so, dass wir im Normalfall Barzahlung verlangen. Nur in Fällen, wo wir die Kunden kennen, machen wir teilweise Ausnahmen.  Das hat gute Gründe: die Zahlungsmoral ist leider häufig schlecht.

20 Kommentare zu „Muss die Apotheke Medikamente auf Rechnung abgeben?

  1. Find ich gut das ihr Ausnahmen macht, vielleicht hatte er wirklich kein Geld dabei.
    Manchmal gibt es ja Ausnahmesituationen und da ist es schön das ihr eine Rechnung ausstellt. Leider gibts sicher auch Leute die das ausnutzen :(
    Ich habe sowas noch nie gehört das man in einer Apotheke auf Rechnung zahlen kann, ich finds cool ;) würde aber immer bar bezahlen :)

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    1. Wer kein Geld dabei hat, kann entweder mit EC-direkt zahlen (das fällt glaube ich hier bei Pharmama auch noch unter „Barzahlung“) oder beim nächstgelegenen Bancomat Geld beziehen – so wie Pharmama die Lage ihrer Apotheke beschrieben hat vermute ich, dass der Kunde dazu nicht mal raus in den Regen muss.
      Und wer auf beiden Wegen kein Geld beschaffen kann bzw. nicht bargeldlos zahlen kann, hat vermutlich auch bis in 30 Tagen nicht genügend Geld dafür beisammen.
      Man kann nicht an den Krankenkassenprämien sparen und dann den Dienstleistungserbringer Apotheke dafür büssen lassen, dass „weniger Prämie=weniger Service“ heisst.

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  2. mal abgesehen davon, dass ich bisher alles bar bezahlt habe (so viel war das zum Glück auch nicht…) und dir das mit der Zahlungsmoral sofort glaube – so klar finde ich irgendwie nicht, dass da Quittungen gemeint sind…
    gerade auch der Satz:
    ‚Kann der Versicherte seine Medikamente nicht bar bezahlen, MUSS der Apotheker ihm eine Rechnung ausstellen‘ macht doch klar, dass es sich hier NICHT um eine Quittung handelt – oder stehe ich irgendwie auf dem Schlauch?
    ebenso in deinem letzten Zitat:
    18. DARF der Apotheker von Kunden, deren Krankenversicherer dem neuen Tarifvertrag nicht beitreten, BARZAHLUNG VERLANGEN, oder muss er eine Rechnung ausstellen?
    Unter diesen Voraussetzungen gilt der Tiers garant. Im Tiers garant KANN der Leistungserbringer auch BARZAHLUNG VERLANGEN. Allerdings ist in diesem Fall darauf zu achten, dass der Leistungserbringer dem Versicherten auch in diesem Fall eine detaillierte und verständliche Rechnung übergibt – sonst kann der Versicherer keine Rückerstattung vornehmen.

    Verstehe ich so: falls Barzahlung verlangt wird, braucht es eine detaillierte Quittung – aber eine Rechnung wäre meines Erachtens eben auch möglich.

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    1. Der Satz mit dem MUSS war in einer Werbebroschüre für die Krankenkasse und ist (eben) nicht korrekt.

      Danach steht:
      Rechnung ist „möglich“ anhand des Gesetzes aber NICHT vorgeschrieben.

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  3. Deine Kunden verwechseln da was, oder? Und die Krankenkasse bringt den Begriff bei ihrer Erklärung auch ganz schön durcheinander.
    Eine Rechnung hat doch überhaupt nichts damit zu tun, ob man jetzt bar zahlt oder später zahlt. Eine Rechnung ist im Wesentlichen ein Kassenzettel mit den zusätzlichen Angaben von genauer Anschrift der Apotheke, Steuernummer, Steuersatz und ein paar anderen Angaben, da muss auch explizit der Begriff „Rechnung“ drauf stehen. Das braucht man eigentlich nur dann, wenn man die Ausgabe dem Finanzamt als Selbstständiger im Rahmen einer Umsatzsteuererklärung, einer Einnahmenüberschussrechnung oder einer Bilanzerstellung geltend machen möchte.

    Um die Ausfertigung einer Rechnung kommt man nicht rum, wenn der Kunde das möchte, darauf hat er ein Anrecht. Aber das bedeutet doch nicht, dass der Kunde die Ware später bezahlen kann; die Forderung ist in dem Moment fällig, wenn die Ware ausgehändigt wird.

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  4. Also wir handhaben das eher liberal und fragen unter Umständen auch mal selber, ob wir eine Rechnung machen sollen. Logisch besteht ein gewisses Risiko, dass nicht bezahlt wird, aber erfahrungsgemäss sind die Patienten erstens weniger stinkig und zweitens sind sie sich das eher gewohnt, weil sie vom Arzt auch eine Rechnung zugeschickt kriegen.

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    1. Das kenn ich hier eher nicht; ich muß beim Arzt meist sofort bezahlen und bekomme dann den Erstattungssatz von der Krankenkasse wieder, den Rest von der Zusatzkasse.

      Wenn ich für meine Gemeinde etwas anschaffe, dann muß ich mir eine Rechnung geben lassen. Das heißt, nach der Supermarktkasse gehe ich an die Information und bitte darum, daß mir eine ordnungsgemäße Rechnung ausgestellt wird, entsprechend den fiskalischen Vorgaben. Davon habe ich aber noch lange keinen Zahlungsaufschub.
      Im Gegenteil: das Gesetz sagt: Leistung gegen Bezahlung, ob die nun bar, per Scheck oder elektronisch erfolgt.

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    1. Tiers garant = eine Form der Versicherung, bei der der Patient erst mal selbst die Leistung bezahlen muss – also die Medikamente in der Apotheke oder den Arztbesuch und dann die Rechnung der Krankenkasse einschicken kann zum begleichen.

      Tiers payant = eine Form der Versicherung wo die Apotheke oder der Arzt die Rechnung direkt mit der Versicherung abrechnen können.

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      1. Danke sehr :)
        Alles Klar! Also gut, dann bin ich einverstanden: man sollte das Geld dabei haben oder hoeflich versuchen, die Apotheke zu fragen, ob man spaeter das Geld bringen kann. Aber so einen Verlang finde ich total unerzogen!

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      2. Das ganze kommt aus dem Französischen.
        „tiers“ ist der Dritte, hier also die Krankenkasse (der Erste ist der Leistungsnehmer, der Zweite der Leistungserbringer, oder umgekehrt).
        Tiers garant heißt, der Dritte garantiert – also bürgt bzw. verspricht die Erstattung.
        Tiers payant heißt, der Dritte zahlt (direkt).

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  5. Okay, das Schweizer System ist schon ein anderes als das hiesige- am ehesten lässt sich „tiers garant“ noch mit den hier üblichen Verfahren bei Privatversicherten vergleichen. Ich muss Rezepte auch zunächst begleichen (bzw. eine Rechnung i.S. des quittierten und mit Entnahmestempel versehenen Rezepts vorlegen), bevor ich die Beträge mit der Versicherung abrechnen kann. Da dies für ALLE Fälle gilt, und nicht nur bis Betrag x, hätte ich ein Problem, sobald die Beträge in der Apotheke mein Budget überschreiten- im Extremfall, für z.B. Chemotherapeutika im Rahmen einer onkologischen Behandlung, kann das ja ganz schnell der Fall sein. Ein Bekannter von mir z. B. benötigt im Monat Arzneimittel im Abgabewert von ca. 7000 €. In diesem Fall hat die Apotheke ihm das Angebot gemacht, mit Zahlungsziel bzw. auf Rechnung zu liefern, denn das kann nun wirklich kaum noch jemand vorstrecken. Wie würde das in der Schweiz laufen? Sind solche Beträge auch noch im Rahmen des „tiers garant“ vorzuleisten?

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    1. Theoretisch ja.

      Praktisch gibt es noch eine Möglichkeit, die aber auch nur bei guten Kunden (respektiven solchen, zu denen man auch Vertrauen haben kann) genutzt werden kann:
      Es nennt sich Forderungsübertrag und ist praktisch ein Einzelvertrag zwischen Apotheke und Krankenkasse. Darin stimmen alle Beteiligten (Patient, Apotheke, Krankenkasse) überein, dass die bezogenen Leistungen dann doch direkt an die Krankenkasse abgerechnet werden können.
      Das unterliegt aber trotzdem verschiedenen Einschränkungen. Es werden nur Sachen bezahlt, die die Grundversicherung übernimmt. Es wird erst übernommen sobald die Franchise erreicht ist. Der Selbstbehalt stellt die Kasse dann dem Patienten in Rechnung.

      Sobald ein Patient aber seine Versicherungsprämien nicht mehr bezahlt, bekommen wir unser Geld nicht mehr von der Kasse zurück – darum die Einschränkung auf gute Kunden …

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  6. Wie ist das in der Schweiz mit Fristen bei Rezepten?

    In D muss man ein Rezept innert 14 Tage einlösen und zahle nur einen Teil. Danach kann man es noch 3 Monate lang einlösen, zahlt aber den gesamten Preis für das Medikament. Nach 3 Monaten gibts nix mehr, nur noch gegen ein neues Rezept.

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    1. Ein Rezept hier ist nach dem Ausstellen 1 Jahr lang gültig. Innerhalb dieses Jahres können die darauf verschriebenen Medikamente bezogen werden – eine Staffelung von wegen Preis gibt es nicht.
      Ausnahmen gibt es. Zum Beispiel: Betäubungsmittelrezepte, die sind nur 1 Monat lang gültig.
      Auch eine Ausnahme: Sachen wie Antibiotika und andere Mittel gegen akute Infektionen und Krankheiten: da soll ich erst überprüfen, ob die Anwendung noch gegeben ist – sprich: „Ist es wirklich noch für dasselbe?“
      Aber wir kennen hier ja auch Dauerrezepte, die es in Deutschland nicht gibt.
      Meine Meinung: das reduziert Arztbesuche doch beträchtlich.

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  7. in D ist das meines Wissens von der Rezeptfarbe abhängig:

    rosa (gesetzl. Krankenkasse) – ein Monat
    gelb (Betäubungsmittel) – 7 Tage
    grün (von gesetzl Versicherung nicht übernommene Medis) – zeitlich unbegrenzt
    blau (Privatkassen) – 3 Monate

    Verordnungen für Phyisotherapie usw: 14 Tage

    Meine Apo macht durchaus Sachen auf Rechnung, allerdings nur, wenn das in der Kundenkartei so vermerkt ist – also bei Kunden, die sie länger kennen, bei denen sie davon ausgehen können, dass das auch klappt (unabhängig ob jemand selbst bezahlt oder die Rechnung bei der Kasse einreicht).

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