Noch kein Problem

Bei uns jedenfalls – bis auf ein paar Einzelfälle. Ich rede hier von der Medikamenten-knappheit, die sie in Amerika inzwischen vermehrt haben. Die Fälle haben sich zwischen 2005 und 2010 verdreifacht.

In diesem Jahr sind in Amerika bei 232 Medikamenten Lieferschwierigkeiten aufgetreten – und zwar bis zu dem Fall, wo ein Medikament, für das es keinen Ersatz gibt einfach nicht mehr erhältlich ist.

Medikamente, wo das aufgetreten ist sind Mittel gegen Krebs, zur Anästhesie (Betäubung bei Operationen), und weitere für die Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen und lebensbedrohenden Situationen wichtige Medikamente. Darunter auch Antiepileptika und Parkinsonmittel. Da kann man nicht einfach ersetzen, da muss zum Teil ganz neu eingestellt werden und gelegentlich gibt es nicht einmal Alternativen.

Das betrifft Patienten direkt. 15 Tode wurden bisher auf dieses Problem zurückgeführt.

Warum tritt das auf? – Die meisten der Medikamente mit Lieferproblemen sind ältere, injizierbare Medikamente. Diese sind schwieriger herzustellen, zu lagern und zu versenden als Tabletten oder Kapseln.

Der Hauptgrund der Probleme liege in Qualitäts und Herstellungs-problemen, inklusive Verzögerungen bei der Herstellung und Verzögerungen wegen Beschaffungsproblemen des Rohmaterials von den Lieferanten.

„Die FDA können eine Firma nicht zwingen ein Medikament herzustellen, das für sie unprofitabel ist. Nicht einmal, wenn tausende Patientenleben davon abhängen.“ Das sagt auch Michael Link, Präsident der American Society of Clinical Onkology, der sich auf die Behandlung von Kindern mit Krebs spezialisiert hat. Es kann sein, dass der einzige Hersteller eines lebensrettenden Medikamentes sich entscheidet die Produktion einfach einzustellen. Quelle

Ein Problem ist auch die Preispolitik – und indirekt die Generika. Ein Beispiel dafür das Colchicin. Als es in Amerika Generikafähig wurde, gab es diverse Nachfolgepräparate dafür, die preislich auch einiges günstiger waren. Nach einem Preisabfall des Originals entschied sich der Hersteller, die Produktion wegen Unrentabilität einzustellen. Dem folgten auch andere Generikahersteller – bis es nur noch ein einziges Mittel mit dem Wirkstoff gab. Und dessen Preis stieg ab dem Zeitpunkt wieder in unrealistische Höhen (Monopol irgendwer?).

Das ist aber ein recht einfach herzustellendes Mittel. Wenn man dazu jetzt noch hohe Produktionskosten dazu zählt und die Bemühungen der Regierung, die Preise der Medikamente zu drücken, könnte eine Firma (die ja auch Profit machen muss, um zu existieren) beschliessen, die Herstellung eines Medikamentes einzustellen.

Und genau das passiert jetzt.

Lösungen? Keine Vorgaben mehr, wie viel man für Generika verlangen darf?  Feste Preise für alte Generika? Finanzielle Unterstützung für Firmen, die sich bereit erklären ein medizinisch notwendiges Produkt weiter herzustellen? Soll eine Regierung Lager anlegen für Rohmaterialien und Wirkstoffe – so wie es schon Lager gibt für Impfstoffe?

26 Kommentare zu „Noch kein Problem

  1. Auf jeden Fall sollte man der herstellenden Firma schon was anbieten können, damit sie die Produktion nicht einstellt. Allerdings könnte das ja auch wieder ausgenutzt werden, wenn das erst Mal bekannt ist.

    Vielleicht kann man ja auch ein Gesetzt erlassen, das sie in gewisser weise doch dazu verpflichtet, weiter zu produzieren wenn sie die einzige Firma ist.

    Wirklich schwer. Bis dato wußte ich ehrlich gesagt gar nicht, das sich da ein Problem auftut. Wie naiv man doch sein kann. ;)

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  2. Ich bin ja sonst kein Freund linker Ideologien aber für mich gehört Infrastruktur in öffentliche, nicht gewinnorientierte Hand.

    Und zur Infrastruktur gehört (zu großen Teilen) auch die Gesundheitsversorgung. Damit meine ich die Krankenkassen, Krankenhäuser und die Pharmaforschung / Pharmaherstellung.

    Denn wenn wir dem „Markt“ überlassen, welche Medikamente lohnenswert sind, haben wir sehr schnell einen Preis für ein Leben.

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  3. Wie wäre es mit dem Verbot von Medikamentenpatenten ? oder besser gesagt deren Offenlegung spätestens wenn der „Entdecker“ es nicht mehr nutzen will ?

    Wenn die Hersteller dann glauben das Aspirin nicht mehr lohnt kann der Staat dann sagen wir brauchen aber bis zum nächsten Ersten garantiert 100000 Tabletten hier ist die Rezeptur wer will ?

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    1. Ohne Patente gäbe es kaum einen Entwicklungsanreiz – und die geforderte Offenlegung gibt es schon längst, das ist ja gerade der Sinn des Patentwesens. Und nach dem, was Pharmama schreibt, tritt das Problem ja gerade bei älteren Medikamenten auf, wo die Patente ja in der Regel schon abgelaufen sind (sonst gäbe es keine Generika). Also: Man kann Patente schon kritisch sehen, aber das speziell ist m.E. kein Grund dafür.

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  4. Ich kenn‘ mich da ja absolut überhaupt nicht aus, aber lernen Apotheker die Medikamentensynthese nicht im Studium?
    Dann könnten die ja notfalls welche herstellen, bis die Firmen wieder liefern. Aber wie gesagt, ich kenne mich da nicht aus, vielleicht ist so eine Synthese ja komplizierter als ich dachte…

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    1. Raaah! Erstens ist es nicht gaaanz so einfach einen Wirkstoff zu synthetisieren – mal ganz abgesehen, dass man dafür die geeigneten Gerätschaften braucht und die Wirkstoffe (und oft ist ja eben die Beschaffung deren ein Problem) – da bräuchte ich ein Riesen-labor.
      Dann … ich hätte neben meinen anderen Aufgaben KEINE ZEIT für das. No way.
      Und von den Anforderungen der Qualitätskontrolle will ich gar nicht anfangen.

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      1. Herstellen ist das eine – aber ohne Zulassung darf das Medikament nicht verkauft werden. Zulassungsverfahren dauern ziemlich lang und kosten wahre Unsummen.

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    2. das Problem ist oft Rohstoffknappheit, d.h. die Synthese-Ausgangsstoffe fehlen. Ohne die kann das ein normaler Apotheker auch nicht. Und Synthese ist wirklich sehr aufwendig, da muss man schon genau wissen, was man tut oder braucht ganz bestimmte, sehr teure Apparaturen, vor allem bei Biologicals, die in Zelllinien hergestellt werden.
      Acetylsalicylsäure ist schnell mal zusammengekocht (wobei ich auch da nicht das schlucken wollte, was ich selbst synthetisiert habe – da ist mir das industrielle hochgereinigte doch lieber..), aber sowas wie Paclitaxel..da gehört zur Synthese auch noch eine Naturstoffisolierung etc. – sowas ist in Apotheken gar nicht leistbar.

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  5. Ist schon echt heftig, wenn es den Herstellern (oder wem auch immer) relativ egal, ob Menschen wegen fehlender Medikamente sterben oder nicht. Bis sie selbst mal an den Punkt kommen.

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  6. Ich denke, dass zumindest Lager keine dauerhafte Lösung wären – die Rohstoffe und Medikamente haben ja meist ein Verfallsdatum das nur 2-4 Jahre in der Zukunft liegt. Wenn sie nicht mehr hergestellt werden wäre ein Lager nur eine kurzfristige Lösung.

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  7. Hm… Wenn es ein Medikament ist, dass für zumindest einige Menschen lebensnotwendig ist, dann verstehe ich nicht, warum sich die Produktion für niemanden mehr lohnt – dann müsste man ja nur den Preis hoch genug ansetzen, so dass die Produktion sich lohnt – Abnehmer gibt es ja wie zuvor gesagt auf alle Fälle?!

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  8. so einfach ist das dann doch nicht.

    generika dürfen – einfach ausgedrückt – nur so lange verkauft werden, solange auch das originalpräparat hergestellt wird und auf dem markt ist.

    das funktioniert so: ein präparat wird von einer firma „erfunden“, durchläuft den zulassungsprozess und kommt auf den markt, mit dem entsprechenden patentschutz. ist das patent abgelaufen, kann jeder ein generikum herstellen, sofern er über die notwendigen technischen ausrüstungen verfügt. der generikum-hersteller kann ja zusammensetzung und herstellungsprozess auf dem patentamt bekommen.

    allerdings muss der generikum-hersteller alle sicherheitsrelevanten angaben vom originator übernehmen. das funktioniert in der praxis dann so, dass der originalhersteller die arbeit und die kosten hat, und der generika-hersteller das kostengünstigere präparat verkauft. die ursprüngliche idee war, dass der originator während der zeit des patentschutzes bereits seine unkosten gedeckt und einen satten gewinn gemacht hat, und somit die preise für vielverkaufte präparate gesenkt werden können.

    in der zwischenzeit aber ist die arzneimittelüberwachung sehr expandiert, und diese pharmakovigilanz wird – sie erraten es – vom originator „übernommen“, der dann zusammen mit den behörden die entsprechenden auflistungen von nebenwirkungen, wechselwirkungen etc. macht, inclusive der änderungen der indikationen, fach- und gebrauchsinformationen, etc. etc. etc.. jede änderung, die der originator macht, muss der generikum-hersteller innerhalb jeweils gesetzter fristen übernehmen. umgekehrt funktioniert das nur in absolut sicherheitsrelevanten angelegenheiten, z.b. wenn eine kontraindikation beim generikum entdeckt wird – wobei sich die kontraindikation ja fast ausschliesslich durch den wirkstoff, nicht durch das präparat per se ergibt.

    durch die zusammenschlüsse von grossen unternehmen und die auslagerung der produktionen in ferne länder kam es dazu, dass die herstellung verschiedener wirkstoffklassen in einigen wenigen werken zentralisiert wurde. das hat hauptsächlich damit zu tun, dass die herstellung von onkologika und antibiotika weitaus strengeren regeln unterworfen ist als die herstellung mancher einfacher präparate, die durchaus auch der apotheker herstellen kann.

    zudem „versaut“ die herstellung von onkologika und antibiotika die produktion, eine kontaminierung würde durchaus bedrohliche szenerien entstehen lassen. deshalb hat man die produktion solcher präparate gerne schön weit weg von allen anderen produktionen. auch das personal muss anders und weit mehr ausgebildet und überwacht werden. ähnliches gilt übrigens auch für die herstellung von injectabilia, also allen präparaten, die patient über eine nadel (wie und wohin auch immer) erhält.

    wird nun ein werk in irgendwo aus welchem grund auch immer geschlossen, dann gibt es zunächst keine produktionsstätte mehr. eine produktionsstätte für onkologika oder antibiotika ist aber nicht so einfach aus dem boden zu stampfen, abgesehen vom genehmigungsprozess der erst durchlaufen werden muss bis produziert werden kann. und dann müssen erst einmal „probechargen“ gefahren werden, bevor es ans verkaufen geht.

    ist ein präparat aber eine gewisse zeit lang nicht mehr im handel, verliert es die zulassung und darf nicht mehr verkauft werden. dann muss mit dem ganzen papierkrieg wieder von vorne angefangen werden – man hat zwar das herstellwerk und die ware, darf diese aber nicht verkaufen.

    gründe für die schliessung von werken sind verschieden, das reicht von sozialem umfeld, erhöhten steuerabgaben, schwierigkeiten beim transport, personalproblemen und vielem anderen bis zu sabotage, finanziellen überlegungen und möglicherweise auch geänderten gesetzen.

    auch ein wirkstoff oder essentieller hilfsstoff, der aus irgend einem grund nicht mehr erhältlich ist, führt dazu dass ein präparat nicht mehr erhältlich ist. dazu würde es – um einmal ein schreckensszenarium zu zeichnen – durchaus reichen, dass in einem land das herstellwerk aus irgendwelchen gründen in die luft fliegt oder im hochwasser untergeht: ist der wirkstoff kurzlebig, und nicht genügend davon vorrätig, dann kann das ganz schöne probleme geben, siehe oben.

    das ist jetzt eine zwar sehr ausführliche, aber doch sehr einfach gefasst erklärung für das verschwinden mancher präparate vom markt. ein lösungsansatz wurde schon gemacht mit den „orphan drugs“ – das sind die medikamente, die nur für sehr selten auftretende erkrankungen benötigt werden, und die daher sehr vereinfachten zulassungskonditionen unterworfen sind, auch schlangengift-sera und ähnliche exoten fallen teilweise in diese rubrik. aber es nutzt alles nix: wenn der wirkstoff nicht mehr produziert werden kann weil ein paar tierschützer die armen giftschlangen befreit haben, dann …

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  9. Gut, Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten sollten auch jedem deutschem Apotheker bekannt sein. Die Krankenkassen schliessen mit einem Hersteller einen Vertrag ab und dieser ist anschließend nicht in der Lage, das Medikament in ausreichender Stückzahl für alle Kunden dieser Krankenkasse herzustellen. Das Extrembeispiel war die Nummer mit Metoprolol Betapharm und der AOK, bei dem das Metoprolol erst drei Monate nach Vertragsabschluss überhaupt mal lieferbar war. Allerdings gibt es ja immer Präparate von anderen Herstellern auf die man ausweichen kann, so dass das Problem nicht existent ist.

    Allgemein habe ich mit der Quelle etwas ein Problem. Ich habe mir mal dazu auch kurz die Unterquellen angesehen.
    * Es wird von 232 „shortages“ berichtet. Bezieht sich die Zahl 232 jetzt auf den Wirkstoff (also Wirkstoff XYZ ist allgemein nicht mehr lieferbar; das wäre bei ca. 500 zugelassenen Wirkstoffen echt ein Problem), auf den Wirkstoff einer bestimmten Firma (also Wirkstoff XYZ der Fa. ABC ist nicht mehr lieferbar, von Firma DEF jedoch schon), auf ein Medikament (also Medikament XYZ 10 mg, 10 Stück ist nicht mehr lieferbar; in anderen Packungsgrößen oder Dosierstärken jedoch schon) oder reden wir nur von 232 Einzelfällen bei 300 Mill. Einwohnern?
    * Die Verdreifachung der Knappheit klingt auf den ersten Blick dramatisch. Ohne Nennung konkreter Zahlen kann aber diese „Verdreifachung“ eine Dramatik vortäuschen, die so nicht gegeben ist. Ich erinnere da mal an die ganzen Zeitungsberichte, die von einer Verdoppelung der Thrombosegefahr bei bestimmten Pillensorten warnten, woraufhin viele Frauen die Pille abgesetzt hatten (was effektiv nur bedeutet hat, dass anstatt 1:20000 Patientinnen jetzt 1:10000 Patientinnen da Probleme hatte).

    Irgendwie kann ich mich dem Eindruck nicht erwehren, dass hier gerade wieder eine „Sau durchs Dorf getrieben“ werden soll. Wenn in den USA Arzneimittelknappheit herrschen würde, hätten wir das Problem auch in der Schweiz oder in Deutschland. Schließlich befindet sich ein Großteil der Pharmaindustrie in den Vereinigten Staaten.

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  10. @mccloud: ein lieferengpass beim soundsovielten generikum von metoprolol ist mit sicherheit vernachlässigbar – da die preisverhandlungen mit den krankenkassen meines wissens noch immer substanzspezifisch in regelmässigen, aber grösseren zeitabständen (damit man die spezialisten nach möglichkeit alle vor ort hat) geführt werden, kann so eine situation schon vorkommen, das ist grundsätzlich immer wieder so. nur wenn es hochgespielt wird, wird ein drama daraus.

    ein problem habe ich mit der von pharmama verlinkten quelle: der artikel wird von einer firma, die sich der compliance im sinne der pharmaindustrie verschrieben hat, veröffentlicht. das erklärt wohl auch die schwammigen prozentangaben – sie haben völlig recht, da steht nirgends genau wieviel prozent VON WAS und WARUM.

    die im weiteren text angeführten massnahmen, die die FDA treffen muss und die von der FDA gefordert werden, sind weder neu noch besonders originell, sondern nur logisch.

    lieferschwierigkeiten entstehen immer wieder, das resultiert schon aus den handelsgepflogenheiten: der patient will ein medikament mit möglichst langer „haltbarkeit“, die apotheken haben durch die neunhundertdrölfzig verschiedenen generika eines einzelnen wirkstoffes immer grössere lagerprobleme, und der grosshandel detto. daher wird entsprechend immer erst kurz vor knapp bestellt. die industrie wiederum muss produzieren, und zwar ebenfalls kurz vor knapp, weil sonst das präparat, das beim patienten landet, „schon“ ein halbes jahr alt ist (neulich in der apotheke gehört: „ich will was frisches!“ – die laufzeit betrug noch 4 von 5 jahren). das ist eine logistische herausforderung, die schon durch einen lkw-unfall oder das versagen einer klimaanlage im transportwagen über den haufen geworfen werden kann. auch wenn der wirkstoff in puerto rico hergestellt und die kapseln in indien befüllt und die befüllten kapseln dann in russland abgepackt werden damit sie in deutschland auf den markt kommen, kann unterwegs einiges passieren. auch der fehldruck von kartons oder beipackzetteln kann zu lieferschwierigkeiten führen.

    ausserdem: die generika-hersteller müssen ja kartons und beipackzettel und sonstige aussagen zu einem präparat immer dem originator „nachmachen“, innerhalb von meist 6 monaten, ansonsten gibt es u.u. ein verkaufsverbot. wenn z.b. ein warnhinweis nicht im beipackzettel steht muss die gesamte ware entweder vernichtet oder umgepackt werden. da das benötigte bedruckte material ja erst erstellt, gedruckt und geliefert werden muss, dauert das schon ein wenig. was meinen sie was das für ein tolles instrument ist …

    im übrigen befindet sich lediglich der sitz vieler pharmariesen in den usa. produziert wird eben in puerto rico, mexiko, indien, china, pakistan, etc.

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    1. Vernünftige Krankenkassen machen das sicherlich ein paar Monate vorher aus. Die AOK hat im Mai allerdings mit Betapharm den Rabattvertrag abgeschlossen und ab Juni sollte Metoprolol Beta abgegeben werden. Daher gab es ja dieses ganze Problem von wegen „Apotheker betrügen die Krankenkassse, geben eine andere Firma ab und drucken – der Einfachheit halber – Metoprolol Beta drauf“. Gerade AOK-Versicherte haben im Moment das Problem, dass ihre Medikation nicht lieferbar ist, da geht es auch nicht nur um Metoprolol Beta. Andere Krankenkassen schließen halt mit mehreren Firmen Verträge ab, so dass beim Ausfall der Firma A Firma B lieferfähig ist, die AOK beschränkt sich überwiegend auf eine Firma, teilweise sogar mit deutschlandweiter Ausschreibung. Der Lieferengpass bei AOK-Kunden verwundert mich da jetzt nicht unbedingt.

      Seriosität: Jupp! Die Seriosität der Quelle hatte ich auch im Hintergrund, daher der Post von mir. Als Quellen sind unten eigentlich nur Allgemeinmedien genannt, also WashingtonPost, USAToday, NYTimes. Pharmama als Quartärquelle bezieht sich auf die verlinkte Tertiärquelle, die sich auf Sekundärquellen bezieht, die wiederum gar keine Quellen angeben. Das hat jetzt schon etwas von „stiller Post“ (Sorry für die Kritik, Pharmama!). Die FDA wäre als Quelle irgendwo sinnvoller gewesen.

      Was die Produktion angeht: Normalerweise werden gerade bei den großen Firmen die Mehrheit der Medikamente schon am Firmensitz produziert. Die Produktion bei Lohnherstellern ist natürlich auch üblich, wobei man sich da gewöhnlich vertraglich gegen Lieferausfälle absichert, da steckt ja auch viel Geld in der Sache. Da unterscheidet sich die Pharmaindustrie auch nicht von anderen Industriezweigen. Und gegen die Produktion im Ausland spricht ja auch per se nichts. Auch in Puerto Rico, China, Mexiko, etc. werden Arzneimittel zu vernünftiger Qualität und zeitlich zuverlässig gefertigt. Gerade die amerikanische Zulassungsbehörde FDA ist da noch um einiges strenger als die eur. EMA ,die schweizerische Swissmedic oder die japanische Zulassungsbehörde.

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  11. ach ja, im artikel heisst es: 15 deaths have already been blamed on this shortage.“

    das klingt, als wären die lieferschwierigkeiten SCHULD am tod von 15 patienten, heisst aber: „werden verantwortlich gemacht“ – von wem, und innerhalb welchen zeitfensters der tod eintrat, an welchen erkrankungen die patienten gelitten haben und wie alt sie waren, das steht da nicht.

    wenn man nun weiss, dass die pharmakovigilanz (also die arzneimittelsicherheits – zuständigen der firmen und der behörden) u.u. einen todesfall, der innerhalb von 30 tagen vor oder nach auch der einmaligen einnahme eines medikamentes als „possibly related“ einstufen und untersuchen, gewinnt diese aussage eine ganz andere bedeutung.

    z.b., und das ist wirklich so passiert: eine 30jährige frau mit vier entsprechend jungen kindern, verheiratet, endstadium metastasierter brustkrebs (sie war erst ein paar wochen vorher zum arzt gegangen, da war es schon viel zu spät), lebenserwartung nur noch wenige tage bis wochen, erhielt zusätzlich zur schmerztherapie ein hochdosiertes antidepressivum weil sie sich noch von ihren kindern verabschieden wollte. zwei wochen später starb sie. der todesfall wurde zunächst als „possibly related to the antidepressant“ eingestuft, weil sie mit einem neuen onkologikum behandelt worden war, das ebenfalls im verdacht stand – da wurde dann eben untersucht um mögliche risiken für andere patienten ausschliessen zu können. aus dem zusammenhang gegriffen, würde aber die aussage: „möglicherweise war das hochdosierte antidepressivum am tod der frau schuld“ stehen bleiben.

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    1. Nehmen wir mal an, dass es sich bei den 15 Toten wirklich um 15 Tote innerhalb eines Jahres aufgrund von definitiv nachgewiesenen Lieferengpässen handeln würde, was ich nicht glaube. Natürlich ist jeder Toter ein Toter zuviel.Aber man muss da auch die Relation betrachten: Wir reden von 300 Millionen Einwohnern.
      Da gibt es im Gesundheitssektor insbesondere in den USA wesentlich dringendere Probleme als die Lieferfähigkeit von Medikamenten.

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  12. wenn es tatsächlich so wäre, dass der tod auch nur eines einzigen patienten auf die nichtlieferbarkeit eines medikamentes zurückzuführen wäre, dann würde das, um es vorsichtig auszudrücken, anders kommuniziert werden. und der schuldige lieferant oder hersteller oder wer auch immer stünde zumindest wegen totschlags vor gericht.

    natürlich ist jeder einzelne einer zu viel, die frage stellt sich ja erst gar nicht. aber diese panikmache geht mir, gelinde gesagt, auf die eierstöcke – also, sie ginge, so ich noch welche hätte.

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    1. Was die Panikmache angeht, sind wir uns ja einig.
      Totschlag ist es übrigens auf keinen Fall, dazu wäre aktives Zutun notwendig. Im klagefreudigen Amerika läuft das höchstens noch auf „unterlassene Hilfeleistung“ heraus. Aber auch das zieht nicht: Ein Arzneimittel ist ein Produkt und es gibt keine Pflicht zur Produktion dieses Produkts. Wenn das Patent abgelaufen ist, könnte man ja ansonsten sämtliche Generikahersteller verklagen, die das Arzneimittel nicht herstellen.

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  13. Das hat man davon, wenn man eine so hochwertige Leserschaft hat :-)
    Ihr wollt also mehr Fakten und vernünftige Quellen?
    Ursprünglich bin ich auf das Problem aufmerksam geworden, weil sich tatsächlich diverse Apotheker aus Amerika in Blogs darüber beklagt haben. … aber das hilft hier nicht.
    Aber vielleicht das:
    Hier ist die aktuelle Liste des FDA über die Medikamente mit Lieferproblemen: http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/DrugShortages/ucm050792.htm
    hier ein Fachblatt über Ursachen und Problematik:
    http://aspe.hhs.gov/sp/reports/2011/DrugShortages/ib.shtml
    Und wem das noch nicht genug ist: das sagt das Weisse Haus http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/10/31/fact-sheet-obama-administration-takes-action-reduce-prescription-drug-sh

    Was die Todesfälle angeht … da ist (wie üblich) ziemlich schwierig nachzuweisen, ob das eine direkte Folge eines Lieferproblems war. Hätte der Patient auf Medikament A besser angesprochen, als auf den (möglichen) Ersatz B? Von daher sind die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. Klar.

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    1. Das mit der „hochwertigen Leserschaft“ war jetzt sicherlich als kleine Stichelei gegenüber Kalef und mir gemeint. Hab ich schon kapiert! ;-)
      Dennoch besten Dank für die Links! Insbesondere das PDF des „Office of the Assistant Secretary for Planning and Evaluation“ finde ich interessant. Ich habe jetzt nur den Abstract (das Summary) gelesen, zum Lesen des 20seitigen Papers fehlt mir gerade die Zeit. Ich hole das aber am Wochenende nach.
      Soweit ich das aber im Abstract/Summary sehen kann, steht da folgendes drin: „While the existence of shortages is an unusual feature of this market, it is important to note that most drugs do not experience shortages.“
      Auf Deutsch: Das Problem ist existent, aber man betont, dass es die meisten Arzneistoffe und Arzneimittel nicht betrifft.
      Sprich: „Bitte den Ball flach halten!“

      Auch über den FDA-Link habe ich grob drüber gesehen. Was mir auffällt, ist, dass dort nur Firmen genannt sind, die in den USA präsent sind. Vor allem bei Acetylcystein, Alcohol dehydr., Amphetamin, Bupivacain, Buprenorphin, Calcitriol, Calciumchlorid, Cisplatin, Cyancobalamin, … (ich höre jetzt mal bei A-C auf) kann ich mir einen Mangel echt nicht vorstellen. Diese Arzneistoffe gibt es von zu vielen Firmen. Notfalls kann jede Klinikapotheke dort (es geht doch eh meist um Injectabilia) das Zeug aus Europa importieren, so etwas produzieren auch Hexal, Ratiopharm und Co.
      Interessant finde ich beim FDA-Link übrigens, dass die dort aufgelisteten Arzneimittel von den Firmen freiwillig an die FDA geliefert wurden („provided voluntarily“). Soweit es mir bekannt ist, gibt es im deutschen Markt (BfArM) oder im europäischen Markt (EMA) kein vergleichbares System, ich lasse mich aber gerne korrigieren. (Mit der Swissmedic kenne ich mich zuwenig aus)

      Ich steige aber aus der Diskussion aus, vorher muss ich mir das 20seitige PDF reinziehen. Nochmals Danke für die Links. Das Thema finde ich spannend.

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  14. in der aktuellen liste der fda bzgl. der drug shortages wird ziemlich deutlich, was ich ausführlich schon oben geschrieben habe: meist sind ja mehrere gleichwertige präparate von verschiedenen herstellern auf dem markt – gott sei dank gibt es kein monopol, muss ja auch einmal gesagt werden, patente hin oder her.

    kommt dann aus irgendeinem grund ein unternehmen ins schleudern mit den lieferungen, dann hat die „konkurrenz“ zu wenig auf lager und kann nicht genug liefern um den markt abzudecken: delayed release auf der einen seite, increased demand auf der anderen: beide nicht lieferbar.

    delayed release heisst übrigens nicht unbedingt, dass die ware nicht lieferbar ist, sondern grundsätzlich lediglich, dass nicht ausgeliefert werden kann oder darf.

    gründe für delayed releases können mannigfach sien – es reicht schon, wenn bei injectabilia der glashersteller ein wenig pfuscht, und schon ist die katastrophe fertig. ausserdem gibt es fehlchargen auch bei medikamenten – maschinen können falsch eingestellt sein, oder was auch immer. auch fehlende umkartons können einen lieferengpass hervorrufen, oder der folienhersteller hat irgendein problem welcher art auch immer. auch fehlende unterlagen für hilfsstoffe wie farbstoffe etc. können da ausschlaggebend sein, ebenso wie falsche hydrolytische klassen gelieferter ampullen – da muss dann zumindest im schnellverfahren eine genehmigung für den einsatz anderer eingeholt werden, die man nur bekommt, wenn die unterlagen vorhanden sind.

    sie wissen ja, dass ich ausserordentlich weit davon entfernt bin die pharmaindustrie zu verteidigen, aber es ist bei medikamenten genauso wie bei allen anderen waren: lieferschwierigkeiten tauchen immer auf, ob bei autos, teigwaren, kleidung oder kaffee. nur bei medikamenten ist es möglicherweise dramatisch. ich glaube nicht, dass sich durch gesetze viel daran ändern lassen kann. um eine definitive sicherstellung der jederzeitigen versorgung mit allen zugelassenen medikamenten jeweils überall auf der welt zu erreichen, müsste sehr, sehr viel geändert werden, und so wie ich die lage kenne wird das wohl nicht möglich sein, ohne bei qualität und arzneimittelsicherheit gewaltige abstriche zu machen.

    insofern finde ich es zwar richtig, dass der industrie bei passenden gelegenheit gewaltig auf die finger gehauen wird, das ist schon gut so, aber andererseits sollte man die patienten trotzdem nicht verunsichern.

    wenn ich demnächst hoffentlich einmal ein wenig mehr zeit habe, schreibe ich ihnen ein paar geschichten auf die anschaulich zeigen wie solche dinge passieren können. man glaubt es manchmal selber nicht.

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    1. Auf *die* Geschichten bin ich gespannt!
      Ein, zwei, Geschichten kenne ich auch.
      Beim Irgamid (antibiotische Augensalbe, die es nicht mehr gibt) war es offensichtlich unmöglich, den Wirkstoff in genügend sauberer (lies: den Qualitätsanforderungen entsprechender) Form zu bekommen. – und dann war es ein Rentabilitätsproblem – mit anderem Wirkstoffhersteller hätten sie eine Menge Tests neu machen müssen.
      Oder Soufrol – das Schwefelbad. Dort hat anscheinend die (chinesische) Firma, die das Schwefel seit Jahren lieferte auf einmal die Lieferungen ohne Erklärung warum eingestellt. Bis da ein geeigneter Ersatz gefunden war und der Stoff geliefert (und getestet und verarbeitet) werden konnte verging fast ein halbes Jahr. Und *das* sind nicht lebenswichtige Produkte. Das ist nur ein Verlust für die Firma.

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  15. Schlimm finde ich die momentane Situation in Deutschland…
    viele Firmen überwerfen sich aktuell mit den Rabattverträgen der AOK, die soviele Mitglieder hat und besonders bei gängigen Blutdruck und Cholesterinmitteln großer Mangel an Rabattartikeln herrscht. Wir in den Apotheken haben kaum Möglichkeiten uns auf dem LEGALEN Weg dagegen zu wehren, Telefonate mit Ärzten sind in den meisten Fälle zwar positiv, aber für beide Seite Arbeit und Aufwand der gar nicht entstehen müsste und zu allem Überfluss kostet es auch besonders die älteren Patienten Nerven…

    Auf der anderen Seite gibt es gerade einen Lieferengpass für Insuline, besonders Apidra macht große Schwierigkeiten und ich finde es gerade bei den Diabetikern kompliziert und auch belastet, die Patienten zeitweilig auf andere Insuline umzustellen, da viele eh schon kaum Vertrauen in die deutsche Pharmaindustrie haben ( begründet… oder nicht…)… und dann auch noch so eine sensibele Sache um zustellen für die meisten zuviel ist…
    Da könnte man aktuell stundenlang diskutieren und philosophieren, aber es macht das Arbeiten heutzutage in der Apotheke kaum leichter, eher viel schwerer.. Die Zeit die man für Rabattverträge, Lieferschwierigkeiten und Defekte braucht könnte man effektiv auch besser am Kunden anbringen, die dann wahrscheinlich auch nicht mehr so verunsichert wären…

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