War das nicht ein Argument für die Selbstdispensation?

… dass man für die Medikamente nicht noch einen Umweg (über die Apotheke) machen muss?

Gefunden bei 3-min.info unter dem Titel SD ist eine Zumutung für ältere Leute – Geschrieben von Heidi Mühlemann

E.S. (Name der Redaktion bekannt) wohnt im Kanton St. Gallen, einem Kanton, in dem der Medikamentenverkauf durch den Arzt die Regel ist. Nach Lesart der Ärzte ist die Selbstdispensation ein Dienst am Patienten. Man kennt die Argumente, z.B. jenes vom Umweg zur Apotheke, den man den alten, gebrechlichen Leuten nicht zumuten kann. Die Realität sieht dann allerdings anders aus. E.S. ist 84, wohnt allein, kommt einigermassen zurecht, hat aber einen Herzschrittmacher und ist ziemlich wacklig auf den Beinen. Zu Fuss zum Einkaufen zu gehen, wäre unmöglich. Dazu fehlt die Kraft, erst recht mit einer schweren Einkaufstasche an der Hand. Alle paar Wochen fährt sie zu ihrem Hausarzt, dessen Praxis im Nachbardorf liegt. Er kennt E.S. seit Jahren, weiss um ihren Gesundheitszustand. Er hat aber absolut keine Hemmungen, die alte Frau nach der Konsultation mit dem Bescheid zu verabschieden, sie könne ihre Medikamente am nächsten Tag abholen. Im Klartext: Der «Umweg» in die Apotheke, von denen sich am Wohnort von E.S. zwei in unmittelbarer Nachbarschaft zu Migros und Coop befinden, ist der alten Frau angeblich nicht zuzumuten. Aber dass sie jeweils den weiten Weg ins Nachbardorf nochmals auf sich nehmen muss, weil der SD-Arzt die seit Jahren gleichen Medikamente für seine Patientin nicht an Lager nehmen mag, aber nicht auf den Umsatz verzichten will, das ist dann kein Problem – für den SD-Arzt zumindest.

Würde der Arzt E.S. ein Rezept ausstellen, könnte sie ihre Medikamente holen, wenn sie ohnehin beim Einkaufen ist. Ausserdem bieten die Apotheken einen Hauslieferdienst an. Sie würden E.S. die Medikamente jederzeit ins Haus liefern und hätten die Medikamente für ihre Stammkundin wohl auch an Lager. Das verstehen Apotheker unter Patientenfreundlichkeit.

Ein Bedauerlicher Einzelfall? Dass es sehr schwierig ist für Kunden vom SD Arzt ein Rezept ausgestellt zu bekommen – das höre ich noch häufiger. Vor allem ältere Leute haben da oft Mühe – aber mir geht das genau gleich. „Ich hätte lieber ein Rezept dafür – geht das?“ Das braucht enorm Überwindung – ist aber häufig auch sinnvoll.

15 Kommentare zu „War das nicht ein Argument für die Selbstdispensation?

  1. Die Ärzte haben bei euch eine starke Lobby, kann das sein?

    Wenn man sich anguckt, dass in Deutschland Ärzte mit einem neuen Lesegerät für Krankenversicherungskarten gekauft werden konnten um Produkte einer Firma häufiger zu verschreiben… (Da wurde mal eine interessante PDF geleakt.)

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    1. „Geschenke“ von Pharmareferenten werden immer wieder gerne genommen.

      Aber ich bin froh das es dieses SD bei uns noch nicht gibt. Die Leute haben schon genug Probleme damit, das sich momentan durch die Rabatt-Verträge andauernd die Medikamentennamen ändern.

      Ich kann mir nicht vorstellen das dies ein Einzelfall ist. Da kann man echt nur den Kopf schütteln.

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  2. Ziemlich dreist, so etwas. Leider sind ältere Patienten oft zu schüchtern, um nach einem Rezept zu fragen. Schließlich könnte man den Herrn Dr. Halbgott ja verärgern.

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  3. Nun muss ich mal eine Lanze für die SD-Ärzte brechen! Wie bei allen Berufsgattungen gibt es natürlich auch da schwarze Schafe (gibt es auch bei den Apothekern). Aber: die meisten SD-Ärzte handeln verantwortungsvoll. Bedingt durch meine bisherigen Wohnorte waren all meine bisherigen Ärzte zur SD berechtigt. Einer davon war eine Katastrophe. Da wäre man, hätte man sich nicht gewehrt, jedesmal mit einer Tasche voll Medikamenten aus der Praxis gelaufen. Der nutzte das System aus.
    Alle anderen gingen und gehen sehr verantwortungsvoll mit der SD um. Mein aktueller Arzt hat mich auch schon in den Dorfladen zum „Hausmittelchen“ kaufen geschickt, anstatt mir Medis zu geben. Erst, wenn das nicht gewirkt hätte, hätte ich Medikamente bekommen. Alle meine bisherigen Ärzte (durch Regions-Wechsel 5 an der Zahl) hätten benötigte Medikamente nach Hause geliefert oder würden auch Hausbesuche machen.
    Die nächsten Apotheken sind, bei wenig Verkehr, 15 – 20 Auto-Minuten entfernt. Und nein, ich lebe nicht irgendwo in Graubünden, sondern aktuell im Kanton Zürich.
    Ich lese diesen Blog unglaublich gerne, aber dass SD-Ärzte immer verurteilt und die SD verteufelt wird, empfinde ich als störend.

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    1. Du hast sicher recht und die meisten Ärzte dürften auch da anständig sein. Ausnahmen gibt es wie überall (und offenbar hast Du ja auch selbst Bekanntschaft mit einer gemacht).
      Was die Entfernung zur nächsten Apotheke angeht allerdings hätte ich noch ein kleines „Denk-Mal“: wenn die Ärzte alle Medikamente abgeben, lohnt sich die Apotheke im kleineren Dorf bald nicht mehr, sondern nur noch dort, wo wirklich viele Leute sind in den Ballungszentren. Das bedeutet, dass in SD Kantonen die Entfernungen dann tatsächlich grösser werden können … das ist sowas wie ein Teufelskreis.

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        1. Da ist die Selbstdispensation auch finanziell für den Arzt sehr praktisch:
          „Nehmen Sie den Schleimlöser, das Antibiotikum, das homöopathische Mittel, das Schüsslersalz, das Nasenspray, die Bachblüten und das Fiebermedikament. Sie werden ansonsten nicht gesund!“ Und wenn gerade noch ein paar Packungen Valium rumliegen, die demnächst verfallen, fällt einem da als Arzt sicher auch eine Begründung ein, warum man die bei ner banalen Erkältung verschreiben könnte: „Was? Schlecht schlafen tun sie auch noch?“

          Das besteht für den Arzt ein richtig privater finanzieller Anreiz möglichst viele Medikamente zu Lasten der Kasse aufzuschreiben, wenn er daran verdient. Das nennt man gemeinhin Korruption.

          Nebenbei: Wie wird das eigentlich fachlich gehandhabt? Haben die SD-Ärzte da auch eine Zusatzausbildung (Studium oder so) oder darf das jeder? Haben die dann auch 10.000 Medikamente auf Lager oder bekommt da dann jeder Blutdruckpatient pauschal einfach mal Metoprolol (gerade günstig beim Großhändler im Angebot)?

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          1. Aus meiner Erfahrung bisher: (man widerspreche mir, wenn ich falsch liege):
            Keine Zusatzausbildung. Wenn der Arzt in einem SD Kanton die Praxis hat, hat er die Erlaubnis, Medikamente zu verkaufen, sonst nicht.

            Nein, die haben keine 10’000 Medikamente an Lager. Die „Apotheke“ besteht meist aus einem Schrank (Grösse Kleiderschrank) mit den gängigsten Medikamenten drin. – Wenn ich raten müsste, sind das maximal 100 verschiedene Packungen (und vielleicht 40 verschiedene Medikamente). Ist es ein guter Arzt, hat er dann einfach die Generika (so vorhanden). Welches Generikum das dann ist – das dürfte vom Vertreter abhängen, oder der Pharmafirma / dem Grossverteiler, wo sie Verträge/Konditionen/Aktionen haben. Was dann z.B. die Blutdruckmedikamente angeht, könnte es schon sein, dass sie das nach Richtlinien machen, wonach zuerst mal der Betablocker, dann der ACE-Hemmer etc. abgegeben wird.
            Die Ärzte bekommen die Medikamente auch von den gleichen Grossverteilern wie wir – haben aber seltenere Lieferungen, ein viel kleineres Lager (und dementsprechend geringere Lagerhaltungsgebüren) und die Möglichkeit rezeptpflichtige Medikamente nach eigenem Gutdünken abzugeben.

            Und für alles „exotischere“ gibt es ja dann die Apotheke.

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          2. Danke für Deine Antwort.
            Das mit der fehlenden Ausbildung finde ich am bedenklichsten. Ärzte fehlt das komplette fachliche KnowHow zum Wesen Arzneimittel.
            Das mit dem finanziellen Anreiz, möglichst viele Verpackungen abzugeben, habe ich ja ja oben schon erwähnt.

            Was mich aber echt wundert, ist folgendes: Du schreibst, dass die Ärzte durch dieselben Großhändler beliefert werden wie die Apotheken. Wäre es da nicht sinnvoll, mal von der schweizerischen Apothekerseite etwas Druck auf die Großhändler auszuüben und sich einfach nur noch Lieferanten zu nehmen, die Ärzte einfach nicht beliefern und das auch zusichern? Damit meine ich jetzt nicht die einzelne Apotheke, sondern gezielt eine Aktion euerer Kammer oder eurer Verbände. So lange Medikamente noch überwiegend über Apotheken abgegeben werden, kann man doch da Druck ausüben.

            Wenn man sich mal ansieht, wie Ladival, Frei und Co. hierzulande reagieren und zurückrudern, wenn apothekenexklusive Kosmetik mal versehentlich in der Drogerie auftaucht, dann sollte das doch durchsetzbar sein.

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          3. Druck ausüben … theoretisch eine gute Idee, praktisch … schwierig.

            Nehmen wir zum Beispiel den (grössten?) Lieferanten, die Galenica. Die sind inzwischen nicht nur Lieferanten, sondern Teil einer Gruppe, ein Riesen – Moloch, bestehend nicht nur aus dem Grossisten Galenica, sondern auch der Pharmafirma Vifor (die selbst schon aus diversen Unterfirmen besteht: Panpharma, Adima, Medical) und den Apotheker-Ketten Amavita Apotheken, Coop Vitality Apotheken (zusammen mit dem Detailhändler Coop) und neu den Sunstore-Apotheken. All die sind nicht Mitglied im Apothekerverband … wenn man das mal so gesammelt liest, sieht man auch warum …
            Anteilmässig machen die einen recht grossen Happen der Apotheken in der Schweiz aus. Jetzt könnte man sagen, die machen sich selber Konkurrenz … aber ich denke, die sehen das nur als weitere Einnahmequelle.

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          4. Ich hatte vergessen, dass ihr in der Schweiz die Apothekenketten schon habt. Dann ist der Vorschlag Müll, da diese da sicherlich nicht mitziehen werden.

            Allerdings habe ich da dann eine Vermutung für die Zukunft: Wenn sich diese Ketten in der Schweiz ausweiten werden (was sie wahrscheinlich tun, oder?), dann hat sich die Sache mit den selbstdispensierenden Ärzten in spätestens 10 Jahren eh erledigt. Die Ketten als Großkonzerne werden dann nämlich solch eine starke Marktmacht haben, dass sie den kleinen SD-Ärzten ohne Lobby wirtschaftlich das Wasser abgraben werden. Die Ketten weren außerdem bis dahin auch eine gute Lobby aufgebaut haben, um auch politischen Einfluss nehmen zu können.

            Ich kann mich natürlich täuschen; korrigier mich, falls ich das falsch sehe.

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          5. Wer weiss. Das Problem, das ich da sehe ist, dass diese Apotheken nur an Standorten sind, die sich wirtschaftlich lohnen – Ballungszentren also. Die kaufen kaum Landapotheken und machen auch keine neuen dort auf. Dann gibt es in manchen Kantonen die Regelung, dass die Ärzte dort, wo keine Apotheken sind Medikamente selbst abgeben dürfen (so hat die SD wohl auch angefangen) … am Ende haben wir einfach statt der Einzelkämpfer-Apotheke die Ketten-Apotheke aber nur noch in den grösseren Orten und daneben die SD Ärzte.
            Bisher hat gerade die Galenika sich aus dem SD-Politikum fein rausgehalten.

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      1. *schnief* Meine ganze schöne, lange Antwort ist weg… nun denn, hier die Kurzfassung.
        In all meinen ländlichen Wohnorten gibt es nicht nur keine Apotheke, es gab auch vor Jahren keine. Nur Drogerien.
        Nicht akute Medikamente werden auch von (meinen bisherigen) SD-Ärzten per Rezept verschrieben. Genauso wie spezielle Medikamente (denn ja, sie haben nur ein Standard-Sortiment).
        Werden Medikamente schnell benötigt, gibt / gab es in meinen bisherigen Wohnorten keine Alternative zur SD. Krank autofahren oder den sporadischen ÖV verwenden wäre eher kontraproduktiv, teils sogar unverantwortlich.
        In grösseren Orten und Städten sind Apotheken super und für den Patienten eine echte Alternative. Auf dem Land leider nicht in allen Regionen.
        Als Zusatzbemerkung ein aktuelles Beispiel aus eigener Erfahrung: Die gleichen Artikel (Salbe, verschiedenes Verbandmaterial) kosten in den Apotheken der Region (2 verschiedene, einmal war mein Mann an seinem Arbeitsort, einmal ich in der „nahen“, beide gehören Ketten an) 50 – 120% mehr als bei meinem Hausarzt. Und nein, sie waren auch beim Hausarzt nicht nahe dem Verfalldatum.

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  4. Ich weiss schon um die zögerliche Art von älteren Menschen, die es zudem nicht gelernt haben, mit „Autoritäten“ umzugehen, daher versuche ich, den betreffenden Personen in meinem Umfeld etwas mehr Selbstvertrauen beizubringen.
    z.B. „Ich hätte lieber ein Rezept dafür!“ (ohne „geht das“, denn es geht!).
    Aber ich weiss, das ist ein schwerer Weg.

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