Hab ich dich!

Der Lehrling der Drogerie kommt zu mir, um zu fragen, ob es ok ist, der Frau 2 Packungen Panadol Extra zu verkaufen.
Meine Anweisungen sind eigentlich die: Fragt, warum es mehrere Packungen sein sollen.
Ich finde, mindestens 1 offene Frage sollte gestellt werden. Aber es muss nicht diese sein.
Das geht auch: „Wieviel Tabletten davon nehmen sie täglich?“
Eigentlich erwarte ich eine Antwort im Sinn von “Oh, ich nehme sie nur, wenn ich sie brauche…“
Antwort der Frau: „3 Tabletten.“
Ich: „Täglich?“
Frau: „Ja.“
Ich: „Haben sie schon einmal davon gehört, dass Schmerzmittel, wenn man sie regelmässig nimmt, selbst Kopfschmerzen auslösen können?“
Frau: „Oh.“ (nachdenklich) „Nein.“

Die Fakten: 5-8% aller Kopfschmerzpatienten entwickeln eine Medikamentenabhängigkeit, Frauen sind davon 10x häufiger betroffen als Männer. Grundsätzlich können das alle Schmerzmittel machen, die mit Coffein oder Codein drin sind aber häufiger betroffen.
Die Theorie ist, dass bei regelmässiger Einnahme von Schmerzmitteln die Schmerzschwelle sinkt. Normalerweise nicht schmerzhafte Reize werden als Schmerz wahrgenommen und man nimmt noch mehr Schmerzmittel. Die Einnahme der Medikamente dämpft den Schmerz, er kommt aber immer wieder zurück.
Die einzig wirksame Behandlung ist der Medikamentenentzug – dass das nicht einfach ist, kann man sich vorstellen. Etwa 10 Tage lang kann man Schmerzen erwarten – und auch nachher wird man gelegentlich Kopfschmerzen haben (wegen dem hat man ja vermutlich auch angefangen die Medikamente zu nehmen) und muss sich hüten wieder in den Kreislauf reinzufallen.

Ich konnte die Frau (noch) nicht davon überzeugen, aufzuhören die Tabletten zu nehmen – aber zumindest habe ich sie nachdenklich gemacht – und sie wird sich hoffentlich weiter informieren.

26 Kommentare zu „Hab ich dich!

  1. Ja, gerade Schmerzmittel sind ein gefährliches Pflaster. Allerdings gibt es auch den Umkehrfall. Ich selbst habe das erlebt. Mir wurde auch erklärt, ich könnte schon abhängig sein (allerdings von einem Arzt) und so nahm ich keine Schmerzmittel mehr. Bis sich dann herausstellte, das ich Migränepatient bin und der diagnostizierende Arzt war entsetzt, dass ich viele Migräneattacken ohne Medikamente über mich hatte ergehen lassen.
    Allerdings die Dame, die täglich 3 Tabletten nimmt, ist hochgradig gefährdet Medikamentenabhängig zu sein.
    Und um den wissenschaftlichen Teil von Pharmama zu ergänzen… Gerade in den Berufgruppen der Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte ist die Zahl der Medikamtenabhängigen am höchsten, da der Zugang zu Schmerzmittel einfacher ist. Ich bin mir aber sicher, dass Pharmama da genauso wenig betroffen ist, wie ich :-).

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    1. Au. Es ist enorm wichtig, dass man als Migränepatient das Medikament findet, das man nehmen kann: also wirkt und möglichst wenig Probleme sonst macht. Migräne nimmt so viel von der Lebensqualität. Ich hoffe, du hast inzwischen etwas gefunden.
      Die im Post erwähnte Frau ist nicht nur hochgradig gefährdet: die ist schon abhängig. Und für den Entzug müsste sie wohl sogar ins Spital.
      Ich selbst bin zum Glück nicht betroffen und versuche so wenig Tabletten wie möglich zu nehmen – aber 1-2 x im Monat geht es einfach nicht ohne. Ich habe allerdings eine Studienkollegin, von der ich auch weiss, (oder zu wissen glaube), das sie auch Abhängig ist von ihren Schmerztabletten – die arbeitet aber heute nicht in der Apotheke sondern in der Industrie. Treffen kann es jeden – auch die, die es besser wissen sollten.

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  2. Ich hole mir in der Apotheke regelmäßig eine Packung Paracetamol und eine Packung Ibuprofen 400. Dort werde ich immer brav gefragt, ob ich die Mittel regelmäßig nehme oder auch beide gemeinsam – in jeder Apotheke :-)

    Ich mag halt nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, deshalb für leichte, eher nervige Kopfweh die Paracetamol und für die richtig fiesen die Ibuprofen.

    P.S.: Warum darf man die eigentlich nicht kombinieren? Wenn die Kopfschmerzen „harmlos“ anfangen und sich im Laufe des Tages zu Monsterschmerzen mausern, müsste man sich ja dann doch immer nur an die Paracetamol halten, oder?

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    1. Als Laie würde ich sagen: Weil es verschiedene Wirkstoffe sind, die in Kombination heftigste Nebenwirkungen haben können. Ich nehme bei Schmerzen eigentlich nur Ibuprofen, wenn es nicht soooo heftig ist, dann halt die niedriger dosierten. Oder gar davon nur eine halbe. Ist immer besser, bei einem Wirkstoff zu bleiben, soweit ich weiß.

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    2. Hallo kartoffel. Man kann die Wirkstoffe kombinieren – man empfiehlt es einfach nicht, weil die Einnahme mehrere Stoffe auch mit vermehrten Nebenwirkungen einhergeht – ein Grund, warum in der Schweiz z.B. fst keinerlei Kombinationspräparate erhältlich sind bei den Schmerzmitteln.
      Wenn Du mal am Tag wechseln musst: denke einfach an deine Nieren und Leber und gehe nicht an die Maximaldosierung von beiden Medikamenten.

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    3. Du schreibst, dass Du für leichte Kopfschmerzen Paracetamol und für die fiesen Ibuprofen nimmst.
      Es ist richtig, dass Paracetamol nur leicht gegen Schmerzen wirksam und Ibuprofen stärker gegen Schmerzen hilft.
      Von den Nebenwirkungen her hat aber dennoch Paracetamol stärkere Nebenwirkungen als Ibuprofen, insbesondere was Leberschädigung und Nierenschädigung hat.

      Persönlich würde ich bei Schmerzen eher nur Ibuprofen nehmen.
      Mein persönlicher Favorit ist übrigens Naproxen, von den Nebenwirkungen mit Ibuprofen vergleichbar, eine vergleichbare schmerzstillende Wirkung wie Ibuprofen, aber dafür ca. 12 Stunden wirksam (man muss sich also keine zweite Tablette mehr einwerfen).

      Zu Risiken und Nebenwirkungen…

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    4. @zimtapfel:
      Ich dachte immer, dass Ibuprofen eher mit Vorsicht zu genießen ist und habe, wenn es irgendwie ging, darauf verzichtet. Aber danke für den Tip, ich werde das jetzt einfach mal mit einer halben statt Paracetamol versuchen.

      @Pharmama:
      Kombipräparate wie Thomapyrin? Davon hat meine Mama jahrelang tagtäglich 4-5 geschluckt – das kommt mir nicht ins Haus. So toll sie wirken mögen, ich traue dem Zeug einfach nicht. Aus dieser Erfahrung heraus versuche ich auch, möglichst wenig Schmerzmittel zu nehmen, was als Migränepatient nicht immer leicht ist. Aber auf die Idee, dass Paracetamol und Ibuprofen am gleichen Tag genommen eigentlich genauso schädlich sein könnten, bin ich nicht gekommen *peinlich*. Danke!

      @Steven:
      Danke für die Erklärung! Bisher bin ich wirklich davon ausgegangen, dass Paracetamol das „harmlosere“ von beiden ist. Naproxen habe ich bisher immer nur genommen, wenn ich während meiner Menstruation schlimme Krämpfe hatte, jetzt werde ich es auch mal an den anderen „Tagen“ ausprobieren :-)

      Irgendwie komme ich aus dem „Dankesagen“ nicht raus :-) Muss jetzt also noch einmal ran: Danke Pharmama für deinen tollen Blog!

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      1. Zu Deiner Frage ganz oben, warum man Schmerzmittel nicht kombinieren sollte:
        Die „normalen“ Schmerzmittel (also jetzt nicht Morphinderivate oder Triptane) wie ASS, Paracetamol, Ibu, etc. greifen alle am selben Enzym an, der Cyclooxygenase. Es bringt nichts, wenn Du mit verschiedenen Schmerzmitteln denselben Wirkort angreifst, aber die Nebenwirkungen summieren sich.

        Im Prinzip hilft nur ausprobieren, welches Schmerzmittel einem da am Besten hilft. Ich würde aber auf keinen Fall kombinieren. Es gibt verschiedene Therapieschemata, die z.B. von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft empfohlen werden und manchmal widersprechen sich da die Quellen auch.

        Da ich der Meinung bin, dass das Internet (Dr. Google) immer ein schlechter Platz ist, um sich über Arzneimittel zu erkundigen (man kennt den Patienten nicht und man läuft Gefahr, dass einem irgendein Unkundiger Blödsinn erzählt – und da schliesse ich mich selbst jetzt mal mit ein), würde ich entweder den Arzt oder die Apotheke Deines Vertrauens aufsuchen und mich dort mal gründlich beraten lassen zu folgendem Themen:
        * Welche Schmerzmittel / Kombinationen von Schmerzmitteln werden bei Migräne empfohlen (ASS, Paracetamol, Ibuprofen, Triptane), wie und wann nehme ich diese am besten und welche Medis wären evtl. noch angezeigt (Emetika?)
        * Was kann man nichtmedikamentös und medikamentös zur MigränePROPHYLAXE machen, also dass ein Migräneanfall gar nicht erst auftritt (geregelter Tagesrythmus, Entspannungsübungen, evtl. prophylaktisches Ausprobieren von Magnesium, etc., welche Lebensmittel sollte man meiden)

        Wie gesagt, ab zum Arzt oder in die nächste Apo. Und wenn einer von beiden keine Ahnung hat, ab zum nächsten Arzt oder in die nächste Apo.

        Und ein Tipp: Der Internetversandhandel hilft Dir hier wenig, wenngleich er manchmal vom Preis her günstiger ein kann ;-)

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  3. Ein sehr interessanter Beitrag.

    Die Pharmaindustrie kann doch nur ein Interesse daran haben, dass viele Menschen viele Tabletten kaufen und ennehmen.

    Mir sagte der Notarzt, der meinen Vater behandelte als der einen Zusammenbruch nach Einnahme von Aspirin hatte, das sei so ein gefährliches Zeugs und ihm unverständlcih, dass es freiverkäuflich sei.

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    1. Naja, die Pharmaindustrie vielleicht schon, ich als Apotheker habe mehr ein Interesse daran, dass die Medikamente richtig eingenommen werden, wirken und möglichst wenig Probleme machen.
      Und was das Aspirin betrifft: der Notarzt hatte in meinen Augen recht. Die Öffentlichkeit denkt, das sei ein so harmloses Medikament (hauptsächlich, weil es das so lange gibt). Heute würden Aspirin und auch Paracetamol aber Mühe haben, durch die notwendigen Prüfungen zur Medikamentenzulassung zu kommen.
      Nicht, dass es schlechte Medikamente wären, aber: die Nebenwirkungen, auf was man alles achten muss bei der Einnahme (s.a hier https://pharmama.ch/2008/07/11/aspirin-und-die-umfassende-beratung/ )

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      1. Interessant finde ich bei ASS immer die Boulevardmedien: „Wieder eine neue Wirkung von ASS entdeckt!“ Hier wird den Leuten suggeriert, dass ASS im Prinzip gegen alles helfen soll.

        Und keiner denkt darüber nach, dass jede neue „Wirkung“ von ASS gleichzeitig eine neue Nebenwirkung von ASS ist.

        Wobei man zur Ehrenrettung von ASS sagen muss, dass es sich hierbei um eines der besterforschten Wirkstoffe in der Pharmazie handelt, also im Wesentlichen alle Wirkungen / Nebenwirkungen bekannt sind, was ja z.B. bei den Coxiben (neue Wirkstoffgruppe, die ähnlich wie die alten Schmerzmittel angreifen, aber spezifischerer Angriffspunkt) weniger der Fall ist. Ich sag nur VIOXX…

        Da sind viele – ach so nebenwirkungsarme – Arzneipflanzen deutlich weniger untersucht. Die haben wenig Nebenwirkungen, weil keiner Bock hat, sie darauf zu untersuchen. Bringt finanziell ja nix…

        Kleiner Widerspruch aber zu Paracetamol: Das Zeugs ist zwar schwach wirksam und ziemlich gut leberschädigend, aber ich glaube, dass es mit der Datenlage trotzdem zugelassen werden würde.
        Grund: Bei kleinen Kindern und bei Schwangeren gibts wenig Alternativen…

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        1. Das mit der Zulassung von Paracetamol … da hatte ich irgendwie im Kopf, dass es für Hunde giftig ist – also wohl Probleme bekäme bei den Tierversuchen. Tatsächlich ist es aber das Ibuprofen, das Hunde nicht vertragen.

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  4. Sehr interessant, der Beitrag und auch die Diskussion. Was ich dich aber noch fragen möchte, liebe Pharmama: Ab wann würdest du sagen, dass jemand ein Medikament „regelmässig“ einnimmt?

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  5. Für Kopfschmerzen (und Schmerzmittel) verweise ich hier mal an pharmawiki: http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Medikamentinduzierter%20Kopfschmerz
    – Es wird empfohlen, Analgetika nicht an mehr als 1-2 Tagen pro Woche einzunehmen. Dies entspricht 4-8 Einnahmetagen pro Monat (International Headache Society: 10 Tage pro Monat).
    … alles was da dran kommt oder das übersteigt, wäre „regelmässig“
    – Nicht mehr als 10 Triptan-Einzeldosen pro Monat
    – Nicht mehr als 4 mg Ergotamin pro Migräneanfall, max. 20 mg Ergotamin pro Monat

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    1. Danke für die kurze Zusammenfassung zum Thema analgetika-induzierte Schmerzen.
      Ich habe mir als Migränikerin (sagt man das so?) grad mal wieder die Frage gestellt, wie viele Tabletten ich die letzten Wochen über genommen habe… (Diese Frage stelle ich mir alle paar Monate mal…)
      Erschreckenderweise hat mein Paracetamol-Konsum sich stark vergrössert… Ich werde mir wohl nächste Woche wieder Tonopan-Kapseln herstellen müssen, da die besser wirken und ich nur 1 Kapsel brauche und nicht wie beim Paracetamol mehrere Tage lang welche einnehmen muss!
      Leider nützen alle NSAIDs und auch Triptane bei mir nämlich gar nix; da bringt eine Tasse Kaffee sogar schon mehr!

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      1. Hallo nicoretta.
        Tonopan hat vor inzwischen einigen Jahren auch die Formulierung gewechselt und enthält nur noch Diclofenac (wie in Voltaren) – ein NSAID. Vorbei die Zeiten, als es noch „Gefässaktiv“ war. Aber vielleicht hattest Du schon die neuen Tonopan – und sie wirkten (trotzdem)?

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        1. Nein, liebe Pharmama, da hast du was falsch verstanden!

          Diclofenac nützt mir ja nix bei der Migräne, hab alle NSAIDs ausprobiert – selbst Piroxicam; das gibt bloss Sodbrennen.
          Ich _mache_ mir Tonopan-Kapseln nach der alten Formel selbst. Da kann ich der Lehrtochter bei der Gelegenheit gleich die Kapsel-Herstellen zeigen… Falls ich selbst noch weiss wies genau geht! ;-)

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          1. Hallo Nicoretta!
            Ist zwar schon mehr als 2 Jahre her aber ich suche schon seit Ewigkeiten jemanden der die Tonopan Tabletten selbst machen kann bzw. mir Anleitung geben kann da ich hin und wieder unter Spannungskopfschmerzen leide und mir gewöhnliche Schmerzmittel nie geholfen haben. Und seit es die alten Tonopan nicht mehr gibt und ich nur noch 2 Tabletten habe die bald ablaufen bitte ich Dich um Kontaktaufnahme! Würde mich sehr freuen!

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  6. Danke für den Artikel und auch für den Aspirinartikel!

    Wenn ich überlege, dass man hier in England alle diese Schmerzmittel in jedem Supermarkt bekommt… Eine 16er Packung Paracetamol kostet 16 pence…
    Aspirin ist da zwar ein bisschen teurer, kostet 50 pence die Packung, aber damit ists ja immeroch viel, viel billiger als in Deutschland. Und auf solche Nebenwirkungen wird da ja gar nicht hingewiesen.

    schockierte Grüße
    Kathrin

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