Generika – eine Betrachtung (2)

Alle reden davon, dass Generika dasselbe sind wie das Originalpräparat. Aber wie „gleich“ sind sie wirklich?

Äquivalenz – Gleichwertigkeit. „Wie gleich ist gleich?“

Ideal wäre eigentlich eine Therapeutische Äquivalenz: – Das bedeutet, dass das Generikum innerhalb gewisser Grenzen (idR +1/- 20%) ein identisches Wirksamkeits- und Nebenwirkungsprofil aufweist wie das Originalpräparat.
Bestimmbar ist das eigentlich nur in klinischen Studien – und die sind zu teuer für Generikahersteller. Stattdessen untersucht man die Bioäquivalenz als indirekter Nachweis.

Bioäquivalenz: Innerhalb gewisser Grenzen (+25% /–20%) erlaubte Abweichung von Plasmaparametern des Originals. Dabei geht es um die Bioverfügbarkeit (AUC). Berücksichtigt werden Resorptionsquote und präsystemische Elimination (first pass Effekt).
Das bedeutet ausgedeutscht: Man gibt das Medikament und entnimmt über eine gewisse Zeit Blutproben in denen man die Konzentration des Medikamentes bestimmt. Man sieht so den Anstieg und den Abfall der Wirkstoffkonzentration im Blut und vergleicht das dann mit dem Originalpräparat. Wenn sie ähnlich genug sind, wird das Generikum zugelassen.
Bei kritischen Medikamenten (solche mit geringer therapeutische Breite, also wo die Wirkung nahe der Toxizität ist) wird die erlaubte Abweichung eingeschränkt.

Verlangt ist bei den Generika: eine (!) Studie, Vergleich bei Einmaldosierung, gesunde Probanden, Plasma-Parameter zwischen +25-/-20% der Durchschnittswerte des Originalpräparates.

Dagegen wird bei der Entwicklung eines Medikamentes verlangt: Mehrfachdosierung, randomisiertes crossover Studiendesign. Wirksamkeits- Sicherheits-Studien bei Patienten. Prüfung unter reellen klinischen Umständen, Formulationsabhängige Interaktion mit anderen Medikamenten, Nahrungsmitteln und Getränken.

Kommentar: Man sieht, wieviel mehr bei den Originalen getestet werden muss, bevor sie zugelassen werden – ein Grund, warum die Entwicklung so lange dauert und auch teuer ist. Dagegen bei den Generika: trotz unterschiedlicher Salzformen und Hilfsstoffe wird da nur seeeehr wenig verlangt vor der Zulassung.

Dann gibt es noch die:
Pharmazeutische Äquivalenz
Verlangt wird bei den Generika eine vergleichbare pharmazeutische Qualität:

  • Identität und Reinheit des Wirkstoffes (Herstellungsort ist oft schlecht verfolgbar)
  • Gehalt
  • Dosierungsgenauigkeit
  • Stabilität
  • Zerfallszeit
  • Freisetzungsverhalten
  • Teilchengrösse des Arzneistoffes (Einfluss auf Bioverfügbarkeit recht gross, v.a bei schwerlösliche Substanzen: AUC bis –50%, cmax bis –33%, tmax bis +60%)

In Teil 3: Politik und Preise

8 Kommentare zu „Generika – eine Betrachtung (2)

  1. Das erinnert mich an einen Strafprozess. Wenn man die Unschuld des Täters beweisen will und die Fakten fehlen, werden in die Glaubwürdigkeit der Zeugen der Anklage “Löcher gebohrt”. Der Lebenswandel der Zeugen wird angeprangert.
    Die einfacheren Prüfungen bei Generika sind kein gutes Argument gegen deren gute medizinische Wirksamkeit.
    Wir sind in Schlaraffenland hier. Wir können uns diese Diskussionen um die Bartform des Kaisers leisten (glauben wir zumindest) und vergessen darüber die wirklichen Dimensionen der Themen.
    Beispiel: Ein “Ramipril” war eine Verbesserung gegenüber “Enalapril”, beides Standard-Blutdrucksenker. Ramipril aber musste nur noch 1xtgl gegeben werden.
    Der Unterschied dieser beiden Medikamente ist doch unstrittig größer als der Unterschied zweier Ramipril-Generika. Einverstanden??

    Enalapril aber war ein klasse Blutdrucksenker. Ich hätte auch ohne Ramipril eine gleich gute Therapie meiner Patienten erreicht. Ramipril aber eroberte den Markt, weil mehr Geld in Studien gesteckt wurde und die bestimmen ja letztlich den Umsatz. Die Qualität des älteren Enalaprils hat man dann nicht mehr genauso akribisch nachgewiesen. Es ist aber ein ACE Hemmer wie Ramipril mit all den Vorteilen an Herz und Niere gegenüber anderen älteren Präparaten. Es hat nur den Unbequemlichkeitsnachteil der 2 x täglichen Gabe.

    Die Diskussion um theoretische und Laborunterschiede der Generika ( in Vitro Effekte) verblasst im ärztlichen Alltag. Da ist immer die Beobachtung des Patienten durch den Arzt gefragt. Und sollte wirklich mal so ein Minieffekt der Farbe, der Korngrößen, Stabilität und und und eine Rolle spielen, dann wird er besser durch den aufmerksamen Arzt kompensiert. Der erhöht oder vermindert die Dosis oder ändert die Einnahmeintervalle. Je nach Wirkung! Dieser Einflussfaktor in der Gesamtwirkung einer Therapie ist in der Pharmakologie meist unbeachtet. Typischerweise wird das Medikament untersucht wie Benzin von möglicherweise! unterschiedlicher Oktanzahl. Dass aber letztlich der Autofahrer mit seiner Fahrweise der wichtigste Einflussfaktor auf den Spritverbrauch ist , übersieht der Benzinchemiker.

    Ich behaupte, wir haben super klasse Medikamente (dank der phantastischen Expertise der Biochemiker und Pharmakologen in Forschung und Industrie). Diese unverzichtbaren Werkzeuge in der Therapie dürfen ohne alltagsrelevanten! Wirkverlust nach Ablauf der Patente nachgebaut werden um etwas Geld zu spren. Wenn wirklich mal ein Butztele anders ist, dann werden wir das in Anbetracht des immens großen Nutzens der Mittel im Allgemeinen auch mal verkraften, schließlich behandelt ja ein lebendiger Arzt und nicht eine Internetapotheke.

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    1. Danke, Dr. Offenraus, für den Kommentar!!!
      Sehr interessant und wichtig.

      Ich frage mich ja auch, was wichtiger für die Pharmakodynamik/ -kinetik ist: Der Unterschied zwischen Original und Generika (oder zwischen versch. Generika) oder zwischen verschiedenen Menschen (im Sinne der Pharmakogenetik, oder auch einfach im Sinne einer Compliance…!).

      Bin gespannt auf Teil 3…

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    2. Das Problem, Doktor, ist: ich hab im letzten Jahr vom angeblich gleichen Präparat (vulgo: Generikum) nie zweimal dasselbe bekommen. War immer „hamwer nich, aber das hier is dasselbe“… isses wohl doch nicht, oder?
      Und kennt der Arzt die tatsächlichen Unterschiede, warum der Patient dieses gut und jenes schlecht verträgt, oder muß er dann bei jedem anderen Medikament und/oder jedem anderen Patienten wieder herumexperimentieren, was geht und was nicht?

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      1. Also ich würde sagen: bei der Mehrheit der Medikamente ist ein Tausch mit dem Generikum nicht ein Problem – zumindest nicht ein pharmakologisches/medizinisches. Ausnahmen gibt es schon (s. Teil 4). Aber ständige Wechsel halte ich für unnötig und nicht sehr förderlich für die Compliance – also wie die Therapie befolgt wird.

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      2. Genau der ständige Wechsel, auch wegen der Wechsel der Rabattverträge bei den deutschen Krankenkassen ist ein Problem für viele Schilddrüsenkrebspatienten (mit differenzierte Karzinomen).
        Diese sind nach OP und Radiojodtherapie von allen SD-Resten befreit und benötigen zum einen eine Substitution der SD-Hormone (L-Thyroxin) und sollen zum anderen so eingestellt werden, dass das TSH möglichst gerade supprimiert ist. Da auch eine subklnische Überfunktionssituation, wie sie auf Dauer durch die TSH-Supression bewirkt wird, kardiologische Risiken birgt und die Gefahr von Osteoporose erhöht, sollte eine Dosierung gefunden werden, die das TSH ausreichend supprimiert aber eben nicht weiter als nötig. Außerdem ist das Leben mit ständigen Überfunktionssymptomen, das sich ja über Jahre, teilweise lebenslang, hinzieht, nicht wirklich angenehm.

        Die therapeutische Breite ist hier sehr gering: Eine sehr gute Compliance bzgl. des Einnahmeverhaltens (Zeitpunkt, Abstand zum Frühstück ect.) vorrausgesetzt, wirken sich Änderungen von wenigen µg/Tag (z.B. +- 6,5 µg/Tag), bei Dosierungen von 100-200µg/Tag (teilweise bis 300µg/Tag und mehr) erheblich auf das Wohlbefinden aus. Es ist bekannt, dass aufgrund der unterschiedlichen Formulierung die Bioverfügbarkeit der verschiedenen Thyroxin-Präparate teilweise erheblich voneinander abweicht.

        Es geht den Patienten weniger darum das (in diesem Fall unwesentlich teurere) Originalpräparat zu erhalten sondern hauptsächlich darum, nicht ständigen Präparate- und damit Dosiswechseln ausgesetzt zu sein. Viele (aber leider nicht allen) der behandelnden Ärzte sehen dies ein, manche Krankenkassen leider nicht. Da in D sehr viele (zu viele?) Präparate auf dem Markt sind, ist die Chance für die Patienten, sich mit Präparatewechseln aufgrund neuer Rabattverträge herumschlagen zu müssen recht groß.

        Ein Präparatewechsel bedeutet für SD-Krebspatienten (und manche andere Paitenten mit Substitution der SD-Hormone) fast immer auch einen Dosiswechsel, was meistens eine Neueinstellung auf das andere Präparat zur Folge hat, die sich wegen der langen Halbwertszeit über Monate hinziehen kann und in der Regel mit mehreren Homonbestimmungen verbunden ist, deren Kosten die möglichen Einsparungen durch die Rabattverträge um ein Mehrfaches übersteigen.

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  2. Das ist schon ein Problem – gibt es dafür aber nicht auch die Variante, dass der Arzt auf dem Rezept vermerkt „aus medizinischen Gründen nicht substituieren“ ? – bei uns ist das so – dann muss die Kasse auch das Original (oder das spezifische verordnete Generikum) übernehmen – zu den gleichen Konditionen, wie das Generikum sonst.

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    1. Natürlich machen viele Ärzte das berühmte aut idem Kreuz, auch bei meinem Hausarzt ist das keine Frage, während mir das bei allen anderen Medikamenten auch völlig egal ist, ich habe z.B. bisher noch jedes Bisoprolol-Generikum vertragen (und habe sie inzwischen fast alle durch ;-) )
      Aber es gibt eben leider immer noch etliche Ärzte, die auch in diesem Fall stur auf dem Standpunkt stehen „das ist doch alles genau das Gleiche“ und sich standhaft weigern.
      Wenn das Kreuz fehlt, ist es ja auch durchaus manchmal so, dass in den Apotheken ein anderes Generikum abgegeben wird, als das von der Kasse per Rabattvertrag bevorzugte, weil das gewünschte grad nicht vorhanden ist, was dann bei uninformierten Patienten meist erst nach ein oder mehreren Wochen zu unerwünschten Folgen führt, deren Ursache dann nicht immer mit dem Präparatewechsel in Verbindung gebracht wird. Erst der Wechsel zurück oder eine Kontrolle der Blutwerte bringt dann den Hinweis. Alle Versuche, Lthyroxin, das ja wirklich ein sehr preiswertes Massenmedikament mit marginalen Preisunterschieden zwischen den Präparaten ist, aus der Rabattvertragsregelung rauszunehmen sind bisher gescheitert.
      Diese Problem ist zugegebenermaßen eher ein seltenes.

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