Chemieunfall

Ich sag’s doch: Labor ist gefährlich!

Offenbar haben sie das auch hier gemerkt:

Zwei Verletzte bei Chemieunfall in Huttwil

Bei einem Chemieunfall in einer Drogerie im bernischen Huttwil sind zwei Angestellte verletzt worden. Sie wurden mit Atembeschwerden ins Spital eingeliefert.

Wie sich zeigte, war am Montagnachmittag im Keller des Geschäfts an der Bahnhofstrasse eine kleinere Menge Salmiak aus einem Gebinde ausgelaufen, wie die Berner Kantonspolizei mitteilte. Die Drogerie wurde evakuiert. Die Feuerwehr Huttwil nahm die Flüssigkeit auf. Quelle: 20 Minuten

Ich weiss ja nicht, wie das bei denen abgelaufen ist, aber da wir bei uns praktisch den gleichen Zwischenfall auch schon hatten folgt hier ein Erfahrungsbericht:

Es ist jetzt schon einige Jahre her, da kommt um etwa 11 Uhr die Drogistenlehrtochter, die die Aufgabe hatte im Keller Salmiak abzufüllen – nämlich aus dem etwa 20 Liter Vorratsbehälter in 1 Liter Gebinde – in die Apotheke gerannt und schreit: „Hilfe! Ich kann es nicht mehr abstellen!“

Pharmama:Was?“

Lehrling: „Das Salmiak! Es läuft einfach weiter!“

Ich schnappe mir im Labor Schutzbrille (die, die wie eine Taucherbrille aussieht) und Handschuhe, dann renne ich mit ihr in den Keller, während ich beides anziehe.

Vor der Türe in den Chemikalienraum hole ich einmal tief Luft und öffne die Türe. Ich komme keine 2 meter weit, schlägt es mich fast um. Die Luft ist inzwischen getränkt von Ammoniaklösung, meine Augen fangen sofort so an zu tränen (trotz geschlossener Brille), dass ich kaum was sehe und die Nase brennt. Trotzdem mache ich einen Versuch das Ablassventil zuzudrehen – aber das Ding sitzt fest!

Rasch wieder nach draussen, Luft schnappen … sobald ich wieder etwas sehe fällt mein Blick auf einen Eimer den das Blumengeschäft wohl hier gelassen hat. Den schnappe ich mir, dann gehe ich nochmal (mit angehaltenem Atem) rein, stelle ihn unter den immer noch auslaufenden Behälter – es muss ja nicht noch mehr auf dem Boden landen – und wieder raus.

Dann telefoniere ich der Feuerwehr.

„Hallo, hier Pharmama. Bei uns im Keller der Apotheke läuft ein grösserer Kanister Ammoniaklösung aus. Ich bräuchte hier ein paar Personen mit Atemschutz um das wieder zu beheben. Könnten Sie einen Wagen schicken? …. Nein, im Moment läuft nicht mehr aus, es steht ein Eimer darunter, der gross genug ist den Rest aufzufangen, aber … Ja, die Adresse ist …“

Es dauert nur wenige Minuten, dann kommt die Feuerwehr mit Blaulicht und Sirene (!) angerast. Mit 3 Fahrzeugen (!) Raus springen ein paar Feuerwehrmänner mit Atemschutzmasken schon auf. Einer davon kommt zu mir gerannt und fragt, wo der Keller ist.

„Ich kann sie hinbringen. Wenn Sie mir auch ein Atemschutzgerät geben, kann ich ihnen auch zeigen, wo der Vorratsbehälter ist, aber ohne kommt man da nicht mehr rein.“

Da sagt der Feuerwehrmann: „ … Pharmama, bist Du das?“

Oh, toll. Ich erwische ausgerechnet einen, der mit mir in der freiwilligen Feuerwehr gewesen ist – offensichtlich ist er jetzt zur Berufsfeuerwehr aufgestiegen. Peinlich.

Jedenfalls war die Sauerrei in Rekordzeit behoben.

Die Sanität war auch noch da (ungerufen), aber ich konnte sie davon überzeugen, dass es uns gut geht …

Ende gut, alles gut

12 Kommentare zu „Chemieunfall

  1. Hehe…

    Man hätte doch auch eine Flasche konz. HCl mit ausschütten können.

    Der Ammoniumchloridnebel hätte bestimmt lustig ausgesehen und hinterher hat man den ganzen Raum voller Lakritzaroma :-)

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  2. das erinnert mich an meine jugend.
    Da wollte ich nachdem wir im Chemieunterricht gelernt haben, wie man Zuckerstöcke baut, daheim selber einen nachbauen.

    Also zur Apotheke und KNO3 bestellt.
    Einzige Gegenfrage von der Lehrtochter. Wieviel Kg wir denn brauchen.
    Naja haben dann trotzdem nur ein paar gramm zum testen und zum schonen des portmonees genommen.

    Beim zweiten Mal wurden wir von der Apothekerin bedient, die uns erstmal ne Riesenstandpauke machte und wir dafür eine Laborgenehmigung oder was auch immer brauchen.

    Naja ein paar Zuckerhüte konnte wir vom ersten Mal letztendlich doch für Sylvester bauen,

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  3. Zwar nicht aus der Apotheke aber aus dem Elternhaus (Autowerkstatt):

    Da sollte der Lehrling (schon viele viele Jahre her) Batteriesäure auffüllen und hat den Behälter nicht richtig zu gemacht.
    Meinem Vater hat er versichert, alles ordnungsgemäß gemacht zu haben und da bald Feierabend, auch alle Lampen aus und abgeschlossen. Man ist ja ein guter Lehrling ;-)
    Vater vertraute, es war ja auch nicht sein erstes Lehrjahr. Am nächsten Morgen beim Aufschließen gabs die böse Überraschung: Der Säurenraum hatte ein nettes, großes Loch im Boden. Das gab Ärger.

    Zum Glück war weiter nichts passiert.

    Aber das Loch gibts heute noch und es dient als mahnendes Beispiel ;-)

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  4. Ohje, Feuerwehr und Chemie. Die scheinen da mehr Respekt vor zu haben als vor einem schönen Feuer.
    Bei uns im pharmazeutisch-chemischen Institut ist mal ein Brandmelder angegangen. So schnell konnte man gar nicht gucken wie draussen alles voller grosser roter Autos war und ein paar grün-weisse mit dazu. War das ein Spass.

    Den Rettungsdienst schicken die bei solchen Einsätzen meist mit, rein aus Sicherheitsgründen. Oft hat ein als „nicht so schlimm“ angekündigter Einsatz bei Eintreffen der Feuerwehr doch eine andere Dimension angenommen.

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  5. na ja, ich habe in grauer Vorzeit (vor vierzig Jahren) in der chemischen Industrie gelernt, incl. „Eismaschine“ (Basis:Ammoniak).
    Daher weiss ich, dass das Ganze auch einen Vorteil hat: man spart jegliche Schnupfenmittel.

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  6. Wie oft habe ich schon geträumt, dass bei uns mal irgend ein blöder Bagatellbrand ist und ich danach für den Rest meiner FW-Zeit mit dem Spott der Kollegen muss… Bis es tatsächlich passiert ist. Schnitzelheizung brannte (also auch Teile die ursprünglich nicht fürs Hitzeerzeugen gedacht sind ;-)
    Hat geraucht wie nichts, das Feuer war aber lächerlich klein. Wegen dem vielen Rauch konnte ich aber nicht rein um zu löschen. Es kam dann das von mir per Handy aufgebotene „Kleinstaufgebot“ (eigentlich hätte mir ja ein Pressluftatmer gereicht…) Gab aber keinen einzigen blöden Spruch! Danke, Jungs!

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  7. @m.x. Genau! Gebt mir ein Atemschutzgerät und ich mach das Zeug selbst wieder weg.
    Stattdessen bekomme ich 3 ganze Feuerwehrfahrzeuge und etwa 9 Leute in Vollmontur. (Im Boden versink).

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  8. Mein Bruder ist vor Jahren vorübergehend nochmal zu Hause eingezogen und hat u.a. einen Kühlschrank mitgebracht. Meine Eltern haben ihn in den Keller (kleiner Raum, Hanglage, nur so ein kleines Fensterchen) gestellt. Der schimmelnde Käse war das geringste Übel. Es wurde ein unangenehmer Geruch festgestellt. Damit nicht das ganze Haus stinkt haben meine Eltern die Kellertüre hinter sich zugemacht. Es dauerte einige Zeit, bis die Quelle gefunden wurde: auslaufendes Kühlmittel vom Kühlschrank. Meine Mutter lag einige Tage flach.

    Mein Vater hatte eine zeitlang VW-Busse von seiner Firma (nach einander) erworben. Der erste hatte keine Innenverkleidung. Meine Eltern kamen auf die Idee, Teppich innen reinzukleben. Um die Schiebetüre zu bekleben, wurde diese geschlossen. War bei dem starken Kleber auch nicht der Hit. Die Dämpfe haben meiner Mutter ziemlich zu schaffen gemacht.

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  9. Igitt, Ammoniak! Das Zeug riecht wirklich wiederlich! (Ich studiere Chemie, ich muss das wissen.)

    Hin und wieder geht an der Uni im Institut auch mal ein Brandmelder los, dann kommt auch immer die Feuerwehr mit einigen Wagen an, auch wenn nur (wie beim letzten mal) jemand eine flasche Salzsäure fallengelassen hat. (Bis auf ein paar Quadratmeter beschädigter Fliesenboden ist nicht viel passiert.)

    (HCl-Dämpfe machen auch schön die Nase frei, zwar ohne so ekligen gestank, aber dennoch nicht zur Nachahmung empfolen!)

    Ich könnte noch einige nette „Geschichten“ erzählen (wie z. Bsp. jemand Kohlenstoffdioxid im Labor „freigelassen“ hat), aber etwas wirklich ernsthaftes ist zum Glück noch nie passiert.

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  10. @T-M
    Kann ich noch toppen: Bei uns hats im andere Saal jemand geschafft, Chlorgas freizusetzen. Praktikum fiel dann für die nächste halbe Stunde bis Stunde erstmal aus.
    Oder so andere schöne Sachen – keine Ahnung, was das war, aber ist schon seltsam, wenn der halbe Saal wie auf Kommando anfängt zu husten.

    Noch ne kleine Anekdote von meinem Prof:
    Gasflaschen bezeichnete man ja früher auch als „Bomben“. Eines Tages hatte wohl jemand die Wasserstoffflasche nicht richtig zugemacht, in einem blöden Augenblick fing es am Abfüllstutzen an zu brennen. Was macht der Typ, statt einfach den Haupthahn zuzudrehen, ruft der bei der Feuerwehr an und meldet „Hier geht gleich ne Wasserstoffbombe hoch“
    Das ganze Gebäude wurde evakuiert und der Feuerwehr und THW-Einsatz war bestimmt auch nicht billig.

    Ich weiß es nicht genau, aber der Typ ist entweder geflogen oder durfte sich zumindest nen gehörigen Anschiss abholen.

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  11. Chlorgas? Brrrr.
    Wir mussten mal fluchtartig das Chemiepraktikum verlassen, weil beim Ausschütteln ein Schütteltrichter mit Ether am Boden zerschellt ist. Da wird einem schon ziemlich schummrig. Aber lüften und putzen hat es wieder in Ordnung gebracht.

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