Was war da noch?

Die Frau drückt mir ein Rezept in die Hand – und dann sagt sie: „Wir sind dann auf Ihre Empfehlung hin übrigens zum Arzt ins Spital gegangen. Und das war gut so: sie haben uns grad da behalten!“

Ich lächle sie an, denn ich mag Rückmeldungen …. allerdings muss ich zu meiner Schande zugeben, dass ich im Moment keine Ahnung habe, wovon sie redet. Das Gesicht kommt mir noch halbwegs bekannt vor, aber … Was war das noch? Ich habe fast 200 Personen, die täglich in die Apotheke kommen. Ein Grossteil davon haben dann auch Kontakt mit mir – weil ich sie direkt bediene, weil eine Kollegin mich holt, wenn eine kompliziertere Frage auftaucht, wenn ich die Rezepte kontrolliere vor der Abgabe … leider ist es bei der Menge Leute schon so, dass ich, vor allem wenn es nicht Stammkunden sind, nachher gelegentlich nicht mehr genau weiss, worum es jetzt genau gegangen ist … und einen Anstoss brauche. Dazu kommt noch, dass ich furchtbar bin mit Namen und mir Gesichter und mir die vor allem zusammen mit Geschichten merken kann. Gut – Soo häufig schicke ich die Leute auch nicht weiter zum Arzt. Vielleicht hilft ein Blick auf das Rezept?

Das ist eines ausgestellt vom Spital für Insulinspritzen und Blutverdünner und Blutdrucktabletten … für einen Mann – Und Zack fällt mir wieder ein, um was das ging.

Das war nämlich so:

Die Frau und ihr Freund / Mann / Kollege? (beide um die 50 bis 60) sind zu mir in die Apotheke gekommen in der Mittagszeit, die bei uns eher … geschäftig sein kann. Zwischen 3 Rezepten holt mich die Kollegin, weil die beiden eine Frage hatten betreffend Blutzuckermessgerät.

„Wir wissen nicht genau, wie das bedienen. Mein Freund kommt aus Griechenland und hat ein bisschen Probleme damit“.

Aus ihrem mitgebrachtem Sack kommen 2 Blutzuckermessgeräte und Teststreifen.

Diabetiker offensichtlich. Da ist es schon noch wichtig, dass er weiss, wie das geht, vor allem, wenn es neu ist.

„Ich zeige ihnen gerne, wie das funktioniert. Das eine Testgerät können sie weg machen – das ist ein altes und die Teststreifen, die sie haben, funktionieren nur mit dem neuen.“

Die Frau übersetzt dem Mann was ich sage. Ich zeige es den beiden, wie es geht und messe ihm mit seinen mitgebrachten Lanzetten den Blutzucker.

Der ist zu hoch – viel zu hoch, wenn stimmt, dass er seit frühmorgens nichts mehr gegessen hat.

„Ihr Blutzucker ist ziemlich hoch.“

Die Frau übersetzt, der Mann antwortet etwas.

„Er fragt, ob er jetzt etwas spritzen soll und wieviel.“

Die Frage überascht mich etwas.

„Sie haben also Insulin zum spritzen?“

„Ja.“ Auch dieser Insulin-Pen taucht auf meiner Theke auf.

„Wieviel soll er spritzen?“ fragt er via die Frau.

„Oh. Das ist abhängig vom Blutzucker, den man gemessen hat und dann von dem, was man nachher essen möchte und natürlich von der Art des Insulins … das kann ich ihnen nicht so einfach sagen. Haben Sie denn gar keine Anweisungen vom Arzt dazu bekommen?“

(Zugegeben: das überfordert mich jetzt doch etwas).

Sie diskutieren etwas.

„Er sagt, er weiss nicht wie.“

„Das ist nicht gut. Es ist enorm wichtig, dass er weiss, was die Messwerte bedeuten und wie er anhand von denen zu spritzen hat. Das zu insturieren geht leider über das heraus, was ich hier in der Apotheke machen kann – am besten wäre es, wenn er eine richtige Einführung bekäme – von einem Diabetologen, oder er einen Kurs machen könnte dafür.“

„Sollte er dafür zum Arzt?“

„Ja.“

Der Mann sagt etwas.

„Apropos Arzt – Er sagt, er habe schon einmal einen Herzinfarkt gehabt und im Moment habe er wieder etwas Brustschmerzen…“

„Was, jetzt?? Vorher hat nichts in diese Richtung gedeutet.

„Ja.“

„Dann würde ich ihnen empfehlen jetzt gleich zum Arzt zu gehen – das ist wichtig das abzuklären und vielleicht kann man dann auch gleich schauen wegen dem Blutzucker …“

Also sind sie ins Spital gegangen. Er hatte wohl keinen Herzinfarkt, aber einen Angina pectoris Anfall und sie haben ihn zum abklären dort behalten … worauf er (und sie) auch eine richtige Einführung in die Anwendung des Insulins bekommen haben.

Frau: „Ich habe eine Menge gelernt.“

„Das kann ich mir vorstellen“ sage ich und führe das neue Rezept aus.

Die beiden kommen jetzt regelmässig und ihm geht es gut.

11 Kommentare zu „Was war da noch?

  1. Oh-oh… nicht gut (der Anfang der Geschichte).
    Aber immerhin hat er sein Insulin bekommen im Spital. Meine Mutter lebt in Deutschland, ist insulinpflichtige Diabetes II-Patientin und lag jetzt gerade fast 2 Wochen im Spital. Sobald sie vom Insulin-Tropf weg war, war es ein Kampf um fast jede Insulin-Einheit, weil die Pfleger entweder meinten, sie bräuchte (jetzt) keins, oder den Pen zwar bereit machten, die Person, die das Insulin verabreichen darf, aber stundenlang nicht verfügbar war. Ich habe kein einziges Nüchtern-Blutzucker-Messen erlebt, bei dem der Wert unter 145 lag… da diskutiert man einfach nicht mehr über die Sinnhaftigkeit der Insulingabe.

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    1. Naja, das Insulin hatte er – nur keine Ahnung, was genau damit machen. Das kann tatsächlich ziemlich gefährlich sein.
      Bei deiner Mutter im Spital: kann sie nicht (falls wach und orientiert) instruiert werden, wie sie das anwendet und dann das selber machen? Ist schon doof, wenn man immer auf die richtige Person warten muss dafür.

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      1. Sie spritzt sich das Insulin seit 1999 selber. Bloss hat sie sich nicht getraut, den Pen einfach zu schnappen und es selber zu machen. Zu Anfang war sie auch noch – verwirrt passt nicht unbedingt, aber orientierungslos und traumatisiert, sie ging für eine Knie-Arthroskopie für ein paar Tage hin und lag plötzlich mit Herzinfarkt auf Intensiv.
        Das Spital war einfach unglaublich unorganisiert. ZB. werden sämtliche Patienten eines Tages „ab 9 Uhr“ bestellt. Es wird davon ausgegangen, dass die Patienten auch Essen und Trinken dabei haben. Bloss steht das nicht in den Unterlagen, so dass ich nach 3 Stunden nach Essen für meine Mutter (wir erinnern uns: Diabetikerin) gefragt habe.
        Nach geschlagenen 6 Stunden war meine Mutter endlich durch alle Eintrittsuntersuchungen durch. Laut Mitwartenden durchschnittliche Wartezeit. Und nein: keine Notfälle…
        Man merkt, dass ich beim Gedanken daran noch immer Schnappatmung bekomme :-(

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  2. Erhielt er den Tester und sein Insulin bei einem Schweizer Hausarzt, der nur unzureichend englisch oder griechisch sprach?

    Schon etwas heikel, wenn man jemandem unter Umständen lebensrettende Anweisungen gibt, und nicht sicherstellt, ob diese Informationen verstanden wurden…

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  3. Ist es nicht Standard, dass man als „Neu“-Diabetiker auch gleich eine Schulung mit verordnet bekommt? Das Spritzen und Einheiten berechnen etc. ist ja nichts, was der Arzt einem mal kurz erklären kann…

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    1. Eigentlich ist das so – man sollte da wirklich grad so einen Kurs machen dafür. Aber … gelegentlich fällt einer durchs Raster und bei ihm bin ich nicht sicher, wo das war. Hier? In Griechenland?

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